GLOBAL 2000 / Friends of the Earth Austria - Presseaussendung, 27.09.2022
Pestizidhersteller schrieben Leitlinien für Substitution gefaehrlicher Pestizide selbst
Das Europäische Pestizidnetzwerk PAN und GLOBAL 2000 präsentieren neuen Report 'Pesticide Paradise': Einsatz von gefährlichen Pestiziden gestiegen
Wien, am 27. September 2022 - Heute vor genau 60 Jahren warnte die US-amerikanische Biologin Rachel Carlson in ihrem Sachbuchklassiker Silent Spring, der zum Kristallisationspunkt einer weltweiten Umweltbewegung werden sollte, vor einer toxischen Beziehung, die sich in den USA zwischen den Behörden und der agrochemischen Industrie entwickelte.
Am 60. Jahrestag der Buchveröffentlichung entlarvt nun das europäische Pestizidnetzwerk PAN Europe - in Österreich vertreten durch GLOBAL 2000 - in seinem neuen Report Pesticide Paradise eine ebenso toxische Verflechtung in der Europäischen Union: "2009 fand das Substitutionsprinzip Eingang in die EU-Pestizidverordnung. Besonders gefährliche Pestizide sollten durch weniger gefährliche Alternativen ersetzt werden. Mit tatkräftiger Unterstützung durch Mitgliedstaaten, unter Duldung durch die EU-Kommission, und dank einer unkritischen behördlichen Zulassungspraxis konnte die Pestizidindustrie das Regelwerk für die praktische Umsetzung des Substitutionsprinzips derart umgestalten, dass das Gesetz bis heute ohne Wirkung blieb", so Salomé Roynel, Autorin des Reports und Pestizid-Expertin von PAN Europe.
"Bei Äpfeln fanden wir einen klaren Anstieg der Belastung mit Substitutionskandidaten. EU-weit ist sie von 17 Prozent im Jahr 2011 auf 34 Prozent 2020 gestiegen. In Österreich ist sie noch etwas höher: Hier lag sie 2020 bereits bei 39 Prozent. Diese Daten liefern keinen Hinweis, dass das Substitutionsprinzip funktioniert und gefährliche Pestizide ersetzt werden. Sie weisen vielmehr auf das Gegenteil", kritisiert Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker von GLOBAL 2000. Eine Analyse der Situation in Österreich finden Sie im Hintergrundpapier der österreichischen Umweltschutzorganisation.
Das entscheidende K.O. für das Substitutionsprinzip gelang der Industrie mit Hilfe einer Leitlinie, die vorgibt, den Zulassungsbehörden in den Mitgliedstaaten bei der Auslegung der gesetzlichen Substitutionsvorgaben Hilfestellung zu bieten. Wenn ein Substitutionskandidat zum Einsatz kommen soll, muss die Behörde eine vergleichende Bewertung durchführen, so die EU-Pestizidverordnung. Die Leitlinie führt bei dieser Bewertung durch einen verzweigten Entscheidungsprozess, dessen Fragen, egal wie die Antworten ausfallen, praktisch immer zum Ergebnis führen, dass eine Substitution des betreffenden besonders gefährlichen Pestizids nicht möglich ist, da sonst eine 'ausreichende chemische Vielfalt' - und damit die Voraussetzung für ein 'nachhaltges Resistenzmanagement' - nicht gewährleistet sei. "Alternative biologische oder physikalische Pflanzenschutzmethoden, werden aufgrund der Konstruktion des Entscheidungsbaums ausgeschlossen. Dies obwohl einer der vielen Vorzüge von ökologischen Anbaumethoden darin liegt, dass Resistenzbildung kein Thema ist", erläutert Helmut Burtscher-Schaden.
Downloads:
Hintergrundpapier zu "Pesticide Paradise", GLOBAL 2000, Daten aus
Österreich
https://www.global2000.at/sites/global/files/220927_Pesticide-Paradise_Hintergrundpapier_GLOBAL2000.pdf
Report "Pesticide Paradise", PAN Europe, englisch, Zusammenfassung deutsch
https://www.global2000.at/sites/global/files/220927_Pesticide-Paradise_Report_PAN-Europe_SummaryDE_0.pdf
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Quelle:
Presseaussendung, 27.09.2022
Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000
Neustiftgasse 36, A-70 Wien
Tel: +43/1/812 57 30, Fax: +43/1/812 57 28
E-Mail: office@global2000.at
Internet: www.global2000.at
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 27. September 2022
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