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INNOVATION/282: Europäische Umweltagentur - Vorsorgeprinzip und Frühwarnsignale beachten (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände
EU-Koordination

EU-News - Donnerstag, 24. Januar 2013 / Politik & Recht

EEA: Vorsorgeprinzip und Frühwarnsignale beachten



Neue Technologien haben oftmals schädliche Auswirkungen, wenn die politischen Entscheidungsträger das Vorsorgeprinzip nicht ernst genug nehmen und Risikowarnungen ignorieren. Das hat die Europäische Umweltagentur (EEA) in ihrem Bericht "Späte Lehren aus frühen Warnungen, Band II" herausgearbeitet.

In 20 Fallstudien auf 750 Seiten analysiert die EEA unter anderem die Geschichten hinter industrieller Quecksilbervergiftung, Fruchtbarkeitsstörungen durch Pestizide, den Hormonhaushalt störende Chemikalien in gängigen Kunststoffen sowie Pharmazeutika, die die Ökosysteme verändern. Der Bericht berücksichtigt außerdem aktuelle Warnsignale, die sich aus zurzeit gebräuchlichen Technologien abzeichnen, beispielsweise bei Mobilfunk, genetisch veränderten Organismen und Nanotechnologien.

"Die historischen Fallstudien zeigen, dass Warnungen ignoriert oder beiseite geschoben wurden, bis Schäden an Gesundheit und Umwelt unabwendbar waren", schreibt die EEA. Kurzfristige Gewinne von Unternehmen seien in einigen Fällen wichtiger genommen worden als die öffentliche Sicherheit - Anzeichen für Gefährdungen seien ignoriert oder verschwiegen worden. In anderen Fällen hätten Wissenschaftler die Risiken heruntergespielt, manchmal auf Druck von Interessengruppen.

Auch Fälle von vermeintlich "falschem Alarm" hat die EEA unter die Lupe genommen: von 88 Fällen bewahrheitete sich dies nur viermal. Die Einhaltung des Vorsorgeprinzips auch bei wissenschaftlicher Unsicherheit rechtfertigten keine Untätigkeit, wenn "plausible Hinweise auf potenziell schwerwiegende Gefährdungen" vorlägen.

Die Erkenntnisse aus dem Bericht könnten helfen, von neuen Technologien ausgehende Schäden zu vermeiden. Fünf der Geschichten verdeutlichten außerdem die Vorteile einer schnellen Reaktion auf Frühwarnungen. Vorbeugende Maßnahmen beförderten zudem oftmals Innovationen.

Bereits 2001 hatte die EEA einen ersten Band ähnlichen Zuschnitts veröffentlicht. Inzwischen seien durch den technischen Wandel aber die Kommunikationszeiten erheblich geschrumpft, so dass sich neue Technologien schneller verbreiteten. Dies bedeute aber nicht automatisch, dass auch die politischen Entscheidungen mit dem Tempo mithalten würden.

Die wichtigsten Empfehlungen aus dem aktuellen Band im Wortlaut (Pressemitteilung):

  • Die Wissenschaft sollte die Komplexität der biologischen und ökologischen Systeme anerkennen, insbesondere dort, wo es mehrere Ursachen für viele verschiedene Effekte gibt. Es wird immer schwieriger, eine einzige Ursache zu isolieren und zweifelsfrei zu beweisen, dass sie Schäden verursacht. Eine ganzheitliche Sicht, die viele verschiedene Disziplinen berücksichtigt, würde das Verständnis über und die Vermeidung von potenziellen Gefahren verbessern.
  • Die politischen Entscheidungsträger sollten schneller auf Frühwarnungen reagieren, vor allem in Fällen neu aufkommender Technologien von großem Umfang. Der Bericht schlägt vor, dass die Verursacher zukünftiger Gefährdungen für die Schäden aufkommen. Risikobewertung kann ebenfalls verbessert werden, durch breitere Einbeziehung von Unsicherheiten und indem anerkannt wird, was nicht bekannt ist. Beispielsweise wird "keine Anzeichen von Schäden" oft falsch interpretiert als "keine Beweise für Schäden", wenn die entsprechende Forschung nicht verfügbar war.
  • Neue Formen des Regierens, die die Bürger in Entscheidungen über innovative Wege und Risikoanalysen einbeziehen, könnten von Vorteil sein. Dies würde helfen, die Exposition gegenüber Gefahren zu reduzieren und Innovationen mit breiterem gesellschaftlichem Nutzen zu fördern. Mehr Interaktion zwischen Unternehmen, Regierungen und Bürgern kann zu robusteren und unterschiedlichen Innovationen mit geringeren Belastungen für Gesundheit und Umwelt führen.

Der BUND forderte die Bundesregierung auf, aus den im EEA-Bericht aufgelisteten Fehlern zu lernen und umgehend die gesundheitsschädliche Chemikalie Bisphenol A (BPA) in Lebensmittelverpackungen zu verbieten. Im Bericht belege die EEA, dass industrie-gesponserte Studien zu dem Schluss kommen, dass BPA sicher sei - doch unabhängige Studien warnen, dass selbst die Belastung mit geringen Mengen des Stoffes das Hormonsystem stören kann. [jg]

Pressemitteilung zum EEA-Bericht
http://www.eea.europa.eu/de/pressroom/newsreleases/die-kosten-ignorierter-warnsignale-eea

EEA-Bericht "Late lessons from early warning: science, precaution, innovation" (Übersichtsseite mit Einzelkapiteln und Zusammenfassungen, engl.)
http://www.eea.europa.eu/publications/late-lessons-2

Reaktion BUND
http://www.bund.net/nc/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/bericht-der-europaeischen-umweltagentur-zeigt-versaeumnisse-beim-schutz-vor-giftigen-chemikalien-auf/

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Quelle:
EU-News, 24.01.2013
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
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E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Januar 2013