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VERPACKUNG/292: Weniger Plastik - mehr Papier? Echte Lösungen statt kurzsichtiger Alternativen (ARA Magazin)


ARA Magazin 25, 2019/20 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Weniger Plastik - mehr Papier?
Echte Lösungen statt kurzsichtiger Alternativen


Der Verbrauch von Papierverpackungen in Deutschland steigt rasant ein Grund dafür ist der boomende Online-Handel. Immer massivere Auswirkungen haben auch Überlegungen zum grundsätzlich natürlich richtigen Verzicht auf Plastik etwa zugunsten von Papierverpackungen. Die Konsequenzen für die Wälder weltweit und das Klima sind bereits dramatisch.


Papierverpackungen sind der Haupttreiber für den anhaltend hohen Papierverbrauch in Deutschland und weltweit. Mit 9,9 Millionen Tonnen machten Kartons für Logistik, Produktpackungen und Papiertüten 2017 bereits knapp die Hälfte des Papierverbrauchs in Deutschland aus. Dies macht alle Bemühungen zunichte, in anderen Bereichen (z. B. beim Druckerpapier) Papier einzusparen. Allein bei Papierverpackungen kommen wir in Deutschland inzwischen jedes Jahr auf über 120 Kilogramm pro Kopf - das ist etwa so viel wie der gesamte Papierverbrauch in Frankreich oder der Schweiz.

Online-Shopping boomt und der damit einhergehende Versand von Paketen ist geradezu explodiert. 2017 haben Dienstleister wie DHL, Hermes, DPD und GLS über 3 Milliarden Päckchen und Pakete an deutsche Kunden ausgeliefert. Für 2022 wird eine Zunahme auf über 4 Mrd. vorausgesagt. Laut Umweltbundesamt hat der Verbrauch von Papierverpackungen im Versandhandel innerhalb von zehn Jahren um 540 % zugenommen.

Versteckte Verbräuche

Ein großer Teil des Verbrauchs von Verpackungen entsteht auch im sogenannten "Pre-Consumer-Bereich". Das heißt: Für die Logistik in und zwischen den Unternehmen werden Kartons und Verpackungen verwendet - lange bevor ein Produkt am Ende im Supermarkt-Regal steht. Zusätzlich werden Produkte wie z.B. Kosmetika teils in aufwendige Umverpackungen gehüllt, damit sie besonders hochwertig erscheinen und größere Flächen für Produktinformationen und Marketing genutzt werden können.

Papier versus Plastik - Ökobilanz zweifelhaft

Die berechtigte Diskussion um Plastikmüll führt zu politischen Initiativen wie dem geplanten Verbot von Plastiktüten. Laut Prognosen könnte dies den Papierverbrauch weiter ansteigen lassen. Statt Plastiktüten werden an vielen Supermarktkassen inzwischen Papiertüten angeboten und die vermeintlich umweltfreundliche Alternative wird von Kundinnen und Kunden zufrieden nach Hause getragen. Mit ihrem Marketing für Papier statt Plastik versuchen Papierhersteller den Eindruck zu erwecken, dass Papier ein unbedenkliches Material mit geringem ökologischen Fußabdruck wäre. Durch entsprechende Slogans wird genau diese Wahrnehmung gezielt verstärkt.

Dabei hat Papier gravierendere Folgen für die Umwelt als viele denken - die einfache, ökologisch bessere Alternative zu Plastik ist es jedenfalls nicht. Im Gegensatz zu vielen Kunststoffen ist Papier zwar biologisch abbaubar, doch zur Herstellung werden täglich unzählige Bäume gefällt. Natürliche Wälder werden gerodet und an ihrer Stelle werden vor allem in Ländern des globalen Südens industrielle Monokulturen für die Gewinnung von Zellstoff gepflanzt. Dabei kommt es immer wieder zu sozialen Konflikten, wenn z.B. für die Landwirtschaft benötigte Flächen verloren gehen.

Dazu kommt der enorme Energie- und Wasserverbrauch: Die deutsche Papierindustrie ist einer der größten Energieverbraucher der Bundesrepublik und die damit verbundenen CO2-Emissionen verstärken die Klimakrise.

Mit Verpackungen auf Basis von Weizenstroh, Gras und anderen Pflanzen soll nun die Ökobilanz verbessert werden. Doch auch bei den alternativen Rohstoffen stellt sich die Frage nach den Nebenwirkungen. Die industrielle Landwirtschaft zum Beispiel, in deren Zuge relevante Mengen von Reststoffen wie Weizenstroh anfallen, steht wegen ihrer schädlichen Umweltwirkungen selbst in der Kritik von Umweltverbänden.

Auf der Suche nach Lösungen

Vor diesem Hintergrund veranstalteten denkhausbremen und ARA gemeinsam mit dem Environmental Paper Network (EPN) Anfang des Jahres die europäische Fachkonferenz "Papiersparen - Verpackungen im Fokus". Die Konferenz thematisierte die Hintergründe und Konflikte, die sich aus unserem nicht nachhaltigen Verbrauch von Papierverpackungen ergeben und brachte NGOs, Hersteller und Handel an einen Tisch. Gemeinsam erarbeiten die TeilnehmerInnen Lösungsstrategien für einen verantwortungsvollen Einsatz von Papierverpackungen.

Die beste Umwelt- und Sozialverträglichkeit verspricht ein einfacher Gedanke: Verpackungen gar nicht erst zu nutzen. Mit "Mehrweg statt Einweg" lässt sich der Wegwerf-Mentalität etwas entgegensetzen und viel Papier einsparen.

Neue "Unverpackt-Läden" machen es vor und bieten ihren KundInnen lose Ware aus Großgebinden an, die in mitgebrachte Dosen und Gläser abgefüllt werden kann. Versandunternehmen haben erfolgreich eigene Mehrweginitiativen mit stabilen Kisten und Beuteln aus recyceltem Kunststoff gestartet. Auch übergreifende Pfandsysteme wären denkbar.

Die Politik ist gefragt, den geeigneten Rahmen für eine Wende beim Papierverbrauch zu setzen. Sie kann Standards etablieren, Papier über finanzielle Instrumente verteuern oder Mehrwegsysteme direkt fördern.

Unternehmen können in Eigeninitiative überlegen, wie sie Verpackungen vermeiden können - und VerbraucherInnen können mit ihrem Einkaufsverhalten ein Beispiel geben und die richtigen Trends setzen.

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Quelle:
ARA Magazin 25, 2019/20, Seite 14 - 15
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2019

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