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VERBRAUCHER/074: Der Kampf gegen Papierverschwendung (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2015
Kreislaufwirtschaft
Ist Recycling eine Illusion?

Der Kampf gegen Papierverschwendung

Vermeiden ist noch besser als Recyceln

von László Maráz


Der Einsatz von Recyclingpapier gilt als eines der Paradebeispiele für erfolgreiche Kreislaufwirtschaft. Denn mit 75% wird der Großteil des Papiers eingesammelt und damit zum wichtigsten Rohstoff für die Papierproduktion. Da allerdings viel frisches Papier gekauft und viel Altpapier exportiert wird, verwenden die Deutschen mit 57% noch zu wenig Recyclingpapier. Vor allem bei Büropapieren (14%) und Hygienepapieren wären große Verbesserungen nötig. Vorbildlich sind einige (teilnehmende) Bundesbehörden, die mit 97% fast ausschließlich Recyclingpapier nutzen, sowie die Kommunen mit 82%. Auch umweltbewusste Firmen verringern ihren Frischfaser-Papierverbrauch und tragen damit dazu bei, Holz und andere Ressourcen zu sparen.


Doch allen Fortschritten der Kreislaufwirtschaft zum Trotz bleibt das Hauptproblem ungelöst: Der Papierverbrauch in Deutschland hat sich seit 1950 mehr als verzwölffacht. JedeR BundesbürgerIn verwendet durchschnittlich 250 kg Papier pro Jahr. Dies entspricht etwa der Papiermenge eines Harry Potter-Bandes pro Tag. Zwar schont der Einsatz von Recyclingpapier viele Ressourcen wie Holz, Wasser und Energie. Doch alle anderen Umweltbelastungen beim Druck, der Aufwand für Transport und Entsorgung fallen auch bei Altpapier an. Zudem müssen Fasern, die bereits mehrfach verwendet wurden, von Zeit zu Zeit durch lange, reißfestere und damit frische Fasern ersetzt werden.

Der hohe Verbrauch an Zellstoff und Papier in Deutschland trägt erheblich zum Druck auf die immer begehrtere Ressource Holz und damit die fortschreitende Waldzerstörung bei. Der globale Papierkreislauf muss als Ganzes betrachtet werden: Denn der Sog durch hohe Nachfrage in einer Region führt zur Verlagerung und Verschärfung der Ressourcenentnahme in anderen Gegenden der Erde. Während in Skandinavien eine naturferne Forstwirtschaft dominiert, in der vor lauter Kahlschlägen kaum noch alte Waldbestände überlebt haben, erfolgen in Kanada und Russland Kahlschläge zum Teil auch in Urwäldern. Indonesien erfährt nach wie vor die höchsten Waldverluste und verliert wesentliche Teile seiner wertvollen Primärwälder, auch wegen der Zellstoffproduktion und der Anlage von Schnellwuchsplantagen. In Südamerika werden durch die Expansion der Plantagen zur Gewinnung von Zellstoff landwirtschaftliche Flächen umgewandelt und die Bevölkerung verdrängt.

Nach wie vor landet weltweit jeder fünfte Baum, der gefällt wird, in der Papierproduktion. Bei dieser Angabe wurden auch die - nur abschätzbaren - Mengen an Holzeinschlag für den Eigenbedarf wie Brenn- oder Bauholz berücksichtigt. Betrachtet man hingegen nur das industriell genutzte Holz, so wandern nach Aussage der UN-Welternährungsorganisation (FAO) ungefähr 40% in Papierprodukte.


Reduktion des Gesamtverbrauches? Fehlanzeige!

Die Debatte um das Papier dreht sich seit Jahren im Wesentlichen darum, ob man seine E-Mails ausdrucken soll oder wer noch selbst Zeitung liest. Viel diskutiert wird über die "Coffe-to-go" Einwegbecher, Getränkekartons und die Brötchentüten beim Bäcker, für die 0,2 Millionen Tonnen Papier eingesetzt werden. Doch dass dies leider nur Nebenthemen sind, zeigt sich an der riesigen Menge von Verpackungspapieren und Kartonagen, von denen in Deutschland jährlich 8,8 Millionen Tonnen verbraucht werden. Der zweite große Verbrauchsposten sind die grafischen Papiere mit 8,6 Millionen Tonnen, darunter 4 Millionen Tonnen Zeitungen und Zeitschriften, sowie rund 2,6 Millionen Tonnen Werbematerial.


Verschwendung trotz Knappheit

Angesichts der zunehmenden Knappheit an nachwachsenden Rohstoffen, die ja für viele Einsatzbereiche benötigt werden, ist beim Papierverbrauch keine Trendwende in Sicht. Keiner der Akteure, die gegen die Unterschutzstellung von Waldgebieten argumentieren, engagiert sich für den naheliegenden Ansatz, den Verbrauch kurzlebiger Holzprodukte zu senken. Das knappe Holz könnte besser für langlebige Produkte verwendet werden (Holzbau) oder im Wald bleiben (Naturschutz, Bodenschutz).

Auch die Umweltverbände haben bislang nur mäßige Erfolge bei der Reduktion des Gesamtverbrauches erzielt. Anscheinend ist die Aufforderung Papier drastisch einzusparen eine recht unbequeme Botschaft an SpenderInnen und Mitglieder. Reduktionspotential gibt es auch bei Hygienepapieren, die mit geringen Ausnahmen nur noch aus guten Recyclingfasern hergestellt werden dürften, da sie ja aus dem Kreislauf ausscheiden. Ein anderes Beispiel ist die unerwünschte Werbung, die ein Paradebeispiel von Verschwendung darstellt. Das Ärgernis der zumeist unerwünschten Werbung im Briefkasten ist mit 1,3 Millionen Tonnen eine relevante Größe. Dabei sollte es selbstverständlich sein, dass man nicht mit Werbemüll belästigt und belastet wird. Solche Aktionen würden sicher einige Kilo des Jahresverbrauches einsparen und den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft zeigen, dass Einsparungen sinnvoll und praktikabel sind.


Der Autor ist Koordinator der Dialogplattform Wald beim Forum Umwelt und Entwicklung.


Mehr Informationen unter:

Der Kritische Papierbericht:
http://www.foep.info/dokumente/upload/6c397_kritischer_papierbericht_2013_neu.pdf

Initiative Pro Recyclingpapier:
http://papiernetz.de/

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2015, S. 15
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2015

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