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ABFALL/002: Thailand - Im Tütenrausch, Bangkok will Plastikmüll verringern (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Juli 2010

Thailand: Im Tütenrausch - Bangkok will Plastikmüll verringern

Von Lynette Lee Corporal


Bangkok, 19. Juli (IPS) - Kauf dir in Thailand eine Haarspange, und du nimmt sie in einer passenden Tüte entgegen. Bestell dir ein Take-away-Erfrischungsgetränk, und du verlässt den Laden mit einem wabernden Plastikbeutel und einem Strohalm obenauf. Und sollte es jemals Plastiksäcke für Autos geben, dann sind sie wahrscheinlich 'made in Thailand'.

Die Stadtverwaltung von Bangkok geht inzwischen jedoch gezielt gegen den übermäßigen Gebrauch von Plastik im Alltag vor. Bereits im zweiten Jahr in Folge wird in der Hauptstadt das Projekt 'No Bag, No Baht' (Keine Tasche, kein Geld) umgesetzt. Bei jedem Einkauf im Wert von 100 Baht (ungerechnet etwa drei US-Dollar) erhält der Kunde auf Märkten einen Rabatt von einem Baht, wenn er die Waren in einer mitgebrachten Stofftasche nach Hause trägt.

Die diesjährige 45-tägige Kampagne wurde am 5. Juni, dem Weltumwelttag, gestartet. 2009 verfolgten die Initiatoren das Ziel, 4,4 Millionen Plastiktüten einzusparen. In diesem Jahr soll die Zahl sogar verdreifacht werden. Nach offiziellen Statistiken sind in der Neun-Millionen-Einwohner-Stadt jeden Tag mindestens 600.000 Tüten und Taschen aus Kunststoff im Einsatz.

Dadurch entstehen den Behörden nach eigenen Angaben zusätzliche Entsorgungskosten von mehr als 18,4 Millionen Dollar jährlich. Von den täglich anfallenden rund 10.000 Tonnen Müll seien etwa 1.800 Tonnen Plastiktüten, sagte der Vize-Gouverneur von Bangkok, Porntep Techapaibul. Jedes Jahr sei mit einem weiteren Anstieg um 20 Prozent zu rechnen.


Ewig lange Zersetzungszeit

Die Kampagne hat vielen Einwohner der Metropole mittlerweile die Gesundheits- und Umweltrisiken durch Plastik vor Augen geführt. Die aus der nicht-erneuerbaren Ressource Erdöl hergestellten Tüten stehen vor allem aus Polyethylen, das sich erst nach einer Spanne von 1.000 Jahren an der Luft zersetzt. Im Wasser bleibt das Material immerhin 450 Jahre erhalten.

Für umweltbewusste Menschen in Bangkok ist es jedoch schwer, in den Supermärkten Alternativen zu Kunststofftüten zu finden. Die Gründerin der Stiftung 'Thai Fund', Chomphu Rammuang, sagte dazu, sie nehme immer eine große Stofftasche zum Einkaufen mit. Am Ende des Tages habe sie aber oft trotzdem einen Plastikbeutel in der Hand.

Ein Grund für den Plastiktütenrausch könnte sein, dass Thailand ein großer Plastikproduzent und die Tüten preiswert zu haben sind. So berichtete Suprathit, die Gesundheitsdrinks verkauft, dass sie für 100 Stück nur umgerechnet 15 US-Cent bezahlt. Ihre Kollegin Pusadeh, die Essen für Büroangestellte in durchsichtigen Plastikschachteln anbietet, erhält ein Kilo des Verpackungsmaterials für zwei Dollar. Damit kommt sie mindestens zwei Tage aus.

Nach Angaben der Südostasien-Beauftragten der Umweltorganisation Greenpeace, Tara Buakamsri, gehört das Land zu den größten regionalen Produzenten von PVC, der weltweit dritthäufigsten Plastikart. Aus dem preisgünstigen Kunststoff, der nicht biologisch abbaubar ist, werden unter anderem Pfeifen, Wasserflaschen und Kreditkarten hergestellt. Im April hatte die englischsprachige Zeitung 'Bangkok Post' berichtet, dass allein die Privathaushalte jährlich rund 450.000 t PVC verbrauchten.


Wiederaufbereitung gering

Die meisten dieser Abfälle werden in Thailand nicht wiederaufbereitet. Der Wissenschaftler Wuthichai Wongthatsanekorn von der Weltwissenschaftsakademie in Dubai legte 2009 eine Studie vor, laut der im Jahr 2000 lediglich 23 Prozent des Plastikmülls im Land recycelt wurden. Nur etwa 35 Prozent aller festen Abfälle würden wiederaufbereitet, heißt es weiter. Bangkok wurde aus dieser Berechnung allerdings ausgeklammert. Der größte Teil des Mülls landet demnach auf Deponien.

Buakamsri hält einen Erfolg der Anti-Plastik-Kampagne nur dann für wahrscheinlich, wenn die Konsumenten von dem langfristigen Nutzen der Maßnahmen überzeugt würden. "Wir müssen auch untersuchen, welche wirtschaftlichen Mechanismen greifen könnten, wenn Plastiktüten in Thailand ganz verboten würden", sagte sie. "Wir würde die Plastikindustrie reagieren, und mit welchen Anreizen kann man die Leute dazu bringen, Kunststoff zu meiden?"

Supermärkte wie 'Tesco Lotus' und die Einrichtungskette 'Home Pro' haben bereits erklärt, dass sie sich an dem städtischen Projekt beteiligen wollen. Bereits vor dem Start von 'No Bag, No Baht' war Tesco bereits mit einer eigenen Kampagne an die Öffentlichkeit gegangen. Kunden, die auf eine Plastiktüte verzichteten, wurde ein grüner Bonuspunkt gutgeschrieben. Wie der Tesco-Manager Saofang Ekaluckrujee erläutert, will das Unternehmen durch die Kampagne 'Green Bag, Green Point' (Grüne Tasche, grüner Punkt) im laufenden Jahr rund 9,8 Millionen Plastiktüten einsparen. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.bangkok.go.th/en/index.php
http://www.tff.or.th/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=51969

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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2010