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AFRIKA/026: Mosambik - Vom Schlot in die Luft, Aluminiumschmelze erwirkt Ausnahmeregelung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. November 2010

Mosambik: Vom Schlot in die Luft - Aluminiumschmelze erwirkt Ausnahmeregelung

Von Nastasia Tay


Johannesburg, 25. November (IPS) - Die von dem australisch-britischen Konzern BHP Biliton betriebene Aluminiumschmelze Mozal in Mosambik hat damit begonnen, trotz eines schwebenden Gerichtsverfahrens über Umweltauflagen ihren Industriequalm 137 Tage lang ungefiltert in die Luft abzugeben. In dieser Zeitspanne sollen die bestehenden Filteranlagen erneuert werden.

Nach der Überprüfung aller Fakten sei man zu dem Schluss gekommen, dass die Ableitung der Abgase weder die Umwelt noch die menschliche Gesundheit belaste, teilte die Führung der nahe der Hauptstadt Maputo gelegenen Fabrik am 16. November mit. Anrainer und Naturschützer schenken den Zusicherungen jedoch keinen Glauben.

BHP Biliton betreibt eine ähnliche Schmelze in Richards Bay in Südafrika. Sandy Camminga von der dortigen Umweltorganisation zufolge ist ein solches Vorgehen gänzlich inakzeptabel. "Nach unserem Wissen hat die längste 'Bypass-Operation' in der Hillside-Aluminiumfabrik 72 Stunden gedauert", berichtete Camminga. Selbst für diesen kurzen Zeitraum seien schon erhebliche Gesundheits- und Umweltbedenken geäußert worden.

Nachdem die Regierung Mozal im Mai eine Ausnahmegenehmigung für sechs Monate erteilt hatte, liefen mosambikanische Umweltgruppen und Bürgerverbände dagegen Sturm. Die von den Organisationen 'Livaningo' und Umweltgerechtigkeit angeführten Gegner des Projekts kritisierten, dass die Verantwortlichen den Menschen am Ort keine Nachweise für die Unbedenklichkeit ihres Vorhabens erbracht hätten.


Gegner gingen vor Gericht

Bürgergruppen in Maputo und am Unternehmenssitz Matola im Süden Mosambiks zogen im September gegen Mozal vor Gericht, um die Entscheidung der Regierung anzufechten. Trotz des noch schwebenden Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht begann die Firma mit der umstrittenen Freisetzung der Abgase.

Das Bündnis der Gegner sammelte inzwischen mehr als 14.000 Unterschriften, die sie mit einer Petition an die Regierung weiterleiteten. Während einer eigens dafür einberufenen Sondersitzung des Parlaments gab jedoch Ministerpräsident Aires Bonifácio Ali zu bedenken, wie viel Mozal zu der Wirtschaft des afrikanischen Landes beigetragen habe.

Der Sprecher der Bürgerkoalition, Antonio Reina, vermisst in der Angelegenheit jegliche Transparenz. "Ich möchte, dass die Emissionen von Mozal und die Arbeit der Schmelze von unabhängiger Seite auf ihre Umweltverträglichkeit hin überprüft werden", forderte Reina. "Ich dachte, aus Sorge um ihren internationalen Ruf und ihren ökologischen Fußabdruck würden sie nichts Falsches tun. Leider habe ich damit nicht richtig gelegen."

Bei der Herstellung von Anoden für die Aluminiumschmelze bilden sich Fluorverbindungen. Somit sind in den Abgasen auch Komponenten enthalten, die früher oder später für die Gesundheit gefährlich werden können. Genau diese Chemikalien sollen durch die Abgasfilter zurückgehalten werden. Sind diese Filter jedoch nicht in Betrieb, können Flusssäure und Schwefeldioxid in höherer Konzentration in die Atmosphäre aufsteigen. Diese Substanzen können zu einem bedrohlichen Kalziummangel und Herz- und Atemstillstand führen.

Die rund eine Million Einwohner von Matola sind nun in großer Sorge um ihre Gesundheit. Arlindo Mandlate, die fünf Kilometer von der Fabrik entfernt lebt, ist davon überzeugt, dass die Schmelze die Landwirtschaft in der Gegend bereits angegriffen hat. In den nächsten Monaten werde sich die Lage sicherlich weiter verschlechtern, warnte er.

"Wir sind nicht zufrieden mit den Erklärungen, die Mozal uns abgegeben hat", sagte Mandlate. "Sie sagen zwar, sie erfüllen auch ohne Filter internationale Standards. In unseren Augen ergibt das jedoch überhaupt keinen Sinn. Warum geben sie jetzt zehn Millionen US-Dollar aus, um neue Filter zu bauen, wenn diese gar nicht notwendig sind?"


Unter Beobachtung der Internationalen Finanzkorporation

Mozal wird teilweise auch über die zur Weltbankgruppe gehörende Internationale Finanzkorporation (IFC) gefördert und muss sich daher an internationale Auflagen halten. Der IFC-Sprecher für Afrika, Desmond Dodd, erklärte, dass die Finanzkorporation sich der Problematik bewusst sei und von dem Unternehmen Rechenschaft verlange.

Erst nach heftigen Protesten der mosambikanischen Bevölkerung war Mozal allerdings dazu bereit, auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft über das Vorhaben zu sprechen. Teilnehmer kritisierten, dass das Unternehmen nur die allernötigsten Informationen herausgab. Danach wurde eine Reihe von Diskussonen, an denen kein Mozal-Vertreter mehr teilnahm, vom Fernsehen übertragen.

Das Unternehmen erklärte indes, unabhängige Experten damit beauftragt zu haben, die Emissionen während des 'Bypass-Verfahrens' zu überwachen. Ein von zwei Fachleuten erstellter Bericht sei bereits zu dem Schluss gekommen, dass die gemessenen Werte keine ernste Bedrohung der Gesundheit und der Umwelt nahelegten. Die Gegner ziehen jedoch die Glaubwürdigkeit der Untersuchungsergebnisse in Zweifel.

Das mosambikanische Umweltministerium hat unterdessen eine eigene Studie durchführen lassen. Daraus geht hervor, dass das Verfahren an sich kein Risiko bedeutet. Beobachter reagierten jedoch beunruhigt auf die Feststellung, dass Mozal für Schäden, die im Verbreitungsgebiet der Emissionen entstehen, von vornherein nicht zur Verantwortung gezogen werden kann. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.livaningo.org.mz/sudema.html
http://www.ifc.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53665


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. November 2010