Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

AFRIKA/041: Nigeria - Frauen mischen sich ein, gegen Gewalt und Umweltzerstörung im Nigerdelta (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2011

Nigeria: Frauen mischen sich ein - Gegen Gewalt und Umweltzerstörung im Nigerdelta

Von Ebrima Sillah und Sam Olukoya


Dakar/Lagos, 14. Februar (IPS) - Nigerias Umweltaktivisten, allen voran engagierte Frauengruppen, fordern ein Ende der katastrophalen Umweltzerstörung und der anhaltenden Gewalt im ölreichen Nigerdelta. Die Erdölförderung müsse im Dialog mit den betroffenen Gemeinden neu ausgehandelt und die größten Umweltverschmutzer des Landes verwiesen werden.

"Die nigerianische Zivilgesellschaft ist sich darin einig, dass internationale Erdölkonzerne für die schweren ökologischen Schäden im Küstengebiet des Nigerdeltas verantwortlich sind und unverzüglich abziehen sollten", erklärte Goodison Jim Dorgu, Leiter der im nigerianischen Bundesstaat Bayelsa ansässigen zivilen Umweltorganisation 'Environmental Health and Safety Network'.

Die Erdölindustrie hat auch die seit Jahrzehnten andauernde Gewalt im Nigerdelta provoziert. Emem Okon, die Vorsitzende des 'Women's Development and Resource Centre' in Port Harcourt, beschuldigte die Öl-Multis, ihre eigenen Sicherheitskräfte hätten sich an Übergriffen auf Frauen beteiligt. "Als Shell im Bundesstaat Akwa-Ibom konzerneigene Sicherheitskräfte etablierte, griffen diese Frauen an und erschossen eine Schwangere", berichtete sie auf dem soeben in Senegals Hauptstadt Dakar zu Ende gegangenen Weltsozialforum. Vor allem Frauen bekämen seien die Leidtragenden.

Doch auch dem nigerianischen Militär warf Okon schwere Menschenrechtsverletzungen vor. Sie erinnerte an die Rebellenbewegung in Ogoniland, die Mitte der 1990er Jahre brutale Armeeeinsätze zur Folge hatte. "Damals missbrauchten die Soldaten einer von der Regierung in Ogoniland eingesetzten internen Sicherheitstruppe Frauen als Kriegswaffe. Sie vergewaltigten sie und machten viele junge Mädchen zu Sexsklavinnen."

In einem Telefoninterview mit IPS, das sie von Port Harcourt aus führte, erläuterte die Aktivistin Debbie Effiong von der Nichtregierungsorganisation (NGO) 'Gender and Development' den Zusammenhang zwischen Umweltzerstörung, Armut, zivilem Aktivismus und Gewalt.


Agrarland verseucht

"Für Frauen ist die Umwelt Teil ihres Lebens. Das Ackerland, das sie bewirtschaften, wurde durch Erdöl verseucht. Als die Menschen jedoch auf ihrem Recht auf Entlastung für erlittene Umweltschäden bestanden, griff das Militär ein. Diese Unterdrückung brachte viele Frauen dazu, sich für ökologische Gerechtigkeit zu engagieren."

Doch die zahlreichen bewaffneten kriminellen Banden, die immer häufiger als militante Aktivisten auftreten würden, schadeten dem ökologischen Engagement der Frauen. "Etliche verloren bei den Kämpfen Männer oder Kinder und stellten ihre weitere Beteiligung in Frage", berichtete Effiong.

2009 bot die nigerianische Regierung den Rebellen im Nigerdelta Friedensverhandlungen und eine Amnestie an. Dennoch gab es bis Ende 2010 weitere Angriffe auf Pipelines und Förderanlagen. Auch wurden Klagen laut, die Regierung habe Versprechungen nicht eingehalten. Immerhin beteiligen sich derzeit fast 27.000 junge Männer an handwerklichen Förderkursen und an einem Anti-Gewalt-Training.

Erdöl und Erdölprodukte machen 90 Prozent der nigerianischen Exporte aus und sind der wichtigste Devisenbringer des westafrikanischen Landes. 1.000 Barrel Erdöl wurden 2008 täglich außer Landes gepumpt. Die Erschließung großer Erdgasfelder vor der Küste lockt selbst aus dem fernen China Investoren ins Land.


Frauen wollen in die Politik

Es bleibt abzuwarten, wie sich zehn Jahre Gewalt und Anarchie im Nigerdelta auf längere Sicht auswirken. "Mit der Aufforderung an die Erdölkonzerne, das Land zu verlassen, hat die Bevölkerung gezeigt, dass sie sich nicht einschüchtern lässt", betonte Effiong. Die Frauen warten nur darauf, ihren Platz im politischen Leben der Region einzufordern."

Immer mehr Frauen wollten eine politische Position übernehmen. "Wenn man ihnen bei den 2011 anstehenden Wahlen eine Chance gibt, könnte sich am Führungsstil in diesem Land Einiges ändern", meinte die Aktivistin optimistisch.

Dagegen stellt sich der aus dem Nigerdelta stammende Lyriker und Vorsitzende der NGO 'Friends of the Earth International', Nnimmo Bassey, auf einen noch lange dauernden Kampf um Umweltgerechtigkeit in seiner Heimat ein. Auf dem Weltsozialforum in Dakar vom 6. bis 11. Februar berichtete er: "Wir tun viel für Ausbildung und Mobilisierung von Basisgruppen. Doch die für die Umweltschäden Verantwortlichen sind gut etabliert. Militär und Regierung stärken den Erdölkonzernen den Rücken."

Bassey ist dennoch überzeugt: "Vor uns liegt zwar noch viel Arbeit, doch eines Tages, wenn niemand mehr damit rechnet, wird sich das Volk durchsetzen." (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.gadnigeria.org
http://www.foe.org/
http://www.eraction.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=54448

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2011