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AFRIKA/116: Nigeria - Mit den Regenwald-Kämpfern unterwegs (Regenwald Report)


Regenwald Report Nr. 2/17 - www.regenwald.org

Nigeria
Mit den Regenwald-Kämpfern unterwegs


Eco-Guards beschützen in den Regenwäldern am Afi Mountain den Lebensraum der Gorillas, Aktivisten kämpfen gegen Ananas-Plantagen im Cross River Nationalpark, Ökologen dokumentieren in den Savannen-Wäldern von Taraba den Raubbau am Palisander - Nigerias Umweltschützer streiten auf vielfache Weise für die Natur ihrer Heimat. Eine Reportage über eindrucksvolle Menschen.


Patrouillen im Wald der Gorillas

Es ist ein erhebendes Gefühl. Es genügt zu wissen: Sie sind da! Die Gorillas! Irgendwo in diesem Wald stromern sie herum, die letzten 200 bis 300 ihrer Art. Kaum eine Chance, sie zu Gesicht zu bekommen, so gut verborgen leben sie im Schutzgebiet am Afi Mountain in Nigeria.

In einem Dschungel-Camp am Rand der Gebirgskette hat eine Gruppe Männer ein Lagerfeuer entfacht und kocht Yams-Wurzeln. Mehrere Stunden sind sie hierher gestapft, zumeist steil bergan. Die Eco-Guards aus dem Dorf Buanchor wollen in einem Unterstand die Nacht verbringen. Die weißen Knollen sind ihr Abendessen. Regelmäßig patrouillieren sie durch den Wald - freiwillig und ohne Bezahlung. Jeder bewirtschaftet eine kleine Ackerparzelle, um seine Familie durchzubringen.

"Ich wünsche mir, dass auch meine Kinder diesen Wald genießen können", sagt Steven Ochang, der Commander der Truppe: "Die Arbeit hier mache ich aus Überzeugung gern." Die übrigen Männer pflichten ihm bei. Die Chiefs von Buanchor, der Rat der Dorfältesten, haben die Truppe der Eco-Guards aufgestellt. In anderen Dörfern gibt es sie ebenso. Dahinter steckt die Erkenntnis, dass der Wald geschützt werden muss. Für das Ökosystem, für die Gorillas, aber auch für die Einwohner der Region, die auf eine intakte Umwelt angewiesen sind, die im Dschungel Früchte und Heilpflanzen finden, deren Trinkwasser aus den Bergen fließt.

Die Patrouillen haben die Befugnis, Wilderer, Diebe und Brandstifter festzusetzen und der Obrigkeit zu übergeben. Immer wieder beschlagnahmen sie Motorsägen und stellen Jäger, die illegal auf Pirsch sind und womöglich nicht davor zurückschrecken, Menschenaffen zu töten. "In diesem Jahr sind gelegte Brände, die außer Kontrolle geraten sind, ein großes Problem", erzählt Steven Ochang. Doch mit der Autorität der Eco-Guards haperte es in der Vergangenheit. Sie fühlten sich zuweilen nicht ernst genommen.

Das hat sich geändert, seit Martins Egot von der Organisation Devcon die Eco-Guards unterstützt. In zweiwöchigen Kursen hat er in mehreren Dörfern 60 Männer ausgebildet, ihnen das Handwerkszeug der Umweltschützer an die Hand gegeben. Seither können sie aus dem Effeff den Zusammenhang zwischen einer intakten Natur und ihrer eigenen Lebensgrundlage erklären und geben dieses Wissen weiter. Neuerdings tragen die Eco-Guards sogar Uniform, wenn auch nicht während jeder Patrouille. Doch die Aufnäher "Forest Surveillance" und eine Portion Drill flößen Respekt ein - und steigern das Selbstwertgefühl der Freiwilligen. "Einige sind so eifrig dabei, dass wir sie bremsen müssen", sagt Martins Egot scherzhaft.

Hotspot der Primaten

Die Regenwälder im Bundesstaat Cross River beheimaten mehr Primaten-Spezies als jedes andere Waldgebiet Afrikas - unter ihnen akut vom Aussterben bedrohte Gorillas. Die letzten 300 Tiere ihrer Art verteilen sich auf drei kleine Schutzgebiete. Auch Westafrikanische Schimpansen, die ebenfalls bald ausgerottet sein könnten, sind in Cross River daheim. Hinzu kommen Arten wie Mandrills, Rote Stummelaffen, Preuss-Meerkatzen und Rotnasen-Meerkatzen (nigeria.wcs.org).

Vielen Primaten droht von drei Seiten Gefahr: Nach wie vor werden die Tiere von Wilderern gejagt, die das Fleisch auf Märkten anbieten. Zudem wird der Lebensraum der Tiere immer stärker fragmentiert, etwa durch die Landwirtschaft. Zwar ist das Halten von Primaten als Haustier in Nigeria verboten, es werden jedoch regelmäßig Tiere beschlagnahmt. In mehreren Auffangstationen wie der Drill Ranch der Organisation Pandrillus in Buanchor werden sie aufgepäppelt und auf ein Leben in Freiheit vorbereitet (www.pandrillus.org).

Parallel zur Eco-Guard-Schulung hat sich an der örtlichen Schule eine Umwelt-AG gegründet. "Die Kinder überzeugen ihre Eltern, auf die Natur achtzugeben", freut sich Martins Egot. Sogar einen Song über Naturschutz haben sie getextet.

Dennoch sorgen sich die Chiefs, dass die Eco-Guards aus Buanchor und den Nachbardörfern nicht genug sind. Auf der anderen Seite des Afi Mountain wachen keine Ranger, die Flanke ist offen, von dort könnten Wilderer und Holzfäller in das Schutzgebiet eindringen. "Wir müssen mehr Dörfer einbinden und vernetzen. Die Dörfer müssen voneinander lernen, wie sie den Kampf für ihren Wald langfristig gewinnen", umreißt Martins Egot die Herausforderung der Zukunft.

Höchste Gefahr droht dem Wald aus der fernen Landeshauptstadt Calabar: Der dortige Gouverneur will eine Fernstraße bauen, die er großspurig Superhighway nennt. Eine breite Koalition von Naturschützern - darunter Rettet den Regenwald und Martins Egots Devcon - kämpft gegen das zerstörerische Projekt, das auch vor Schutzgebieten nicht haltmacht (im Regenwald Report 2/16 haben wir berichtet). Die indigenen Boki, zu denen die Einwohner von Buanchor gehören, können von dem Projekt schutzlos überrollt werden. "Deshalb ist die Präsenz der Eco-Guards in den Dörfern so wichtig", sagt Martins Egot. Weniger, um sich womöglich Bulldozern in den Weg zu stellen, sondern um den Menschen einzuimpfen: Wir müssen unseren Wald gegen jede Bedrohung verteidigen, seien es Wilderer, Brandstifter, Holzfäller - oder Politiker.


Wir wollen keine Ananas im Nationalpark

Acht Stunden Autofahrt vom Afi Mountain entfernt fechten Umweltschützer gegen einen milliardenschweren Regenwald-Zerstörer, der in der Metropole Lagos die Fäden zieht: Alhaji Aliko Dangote, der reichste Mann Afrikas. Es geht um unberührten Regenwald, viele Tausend Hektar große Ananas-Plantagen - und eine Entschädigung von 300 Millionen Euro.

Wo der Aktivist Odey Oyama heute steht, sollte dichter Regenwald wachsen. Das Gebiet gehört zum Cross River Nationalpark, einem besonders artenreichen Fleckchen Erde. Seit 1989 schützt der Park den Lebensraum von Stummelaffen, Mandrills und Waldelefanten. Doch um Odey Oyama, dem Leiter des Rainforest Resource Development Center (RRDC), sprießen Ananas-Pflanzen. Die langen Reihen ziehen sich bis zum Horizont, erst dort stoßen sie an Regenwald. Für das ökologische Desaster macht Odey Oyama den Milliardär Dangote mit seiner Firma Dansa verantwortlich. Groß geworden ist Dangote ursprünglich im Zement-Business.

Wie mehrere Unternehmen hat sich Dansa am Südrand des Nationalparks zwei Konzessionen besorgt - wie auch immer sie das angestellt haben - und Plantagen angelegt. Bei den übrigen Firmen geht es um Palmöl, wie etwa beim Konzern Wilmar International, der weltweit eine Spur der Verwüstung durch Regenwälder zieht. Die Firma Dansa dagegen baut Ananas an.

Ein Multi-Millionen-Geschäft für Nigeria. Nirgends auf der Welt bedecken Ananas-Plantagen größere Flächen als hier: 182.000 Hektar sind es. Dangote hat sich einem Zeitungsbericht zufolge für die Produktion von Fruchtsaft und Nektar allein im Bundesstaat Cross River Konzessionen über 75.000 Hektar gesichert. Das Problem: Eine Konzession liegt vollständig im Nationalpark, eine teilweise.

Hier tritt Odey Oyama auf den Plan: "Die Firma verstößt gegen nigerianisches Gesetz! Es ist verboten, innerhalb eines Nationalparks eine Farm anzulegen." Gemeinsam mit drei Umweltschützern nimmt er die Ananas-Plantage in Augenschein. Dabei entdeckt er ein Sägewerk, vor dem mächtige Baumstämme lagern. Es besteht kein Zweifel: Die Plantage wächst, Dangote lässt im großen Stil Bäume fällen und zu Brettern verarbeiten.

Ein Manager von Dansa, der in einer Holzbaracke mit Klimaanlage Dienst tut, bestreitet die Vorwürfe. Man arbeite außerhalb des Nationalparks, jeder könne das überprüfen.

Odey Oyama glaubt dem Mann kein Wort. Stattdessen verklagt er Dansa. Sein Anwalt hat bereits einen Brief aufgesetzt und die Klage angekündigt. Das Schreiben hat es in sich. Der Umweltschützer fordert vom Multimilliardär Entschädigung für die Zerstörung des Regenwaldes: 300 Millionen Dollar soll er dafür zahlen, die Schäden an der Natur zu heilen! Tycoon Dangote ist es gewohnt, mit großen Geldsummen zu jonglieren, doch diese Größenordnung dürfte selbst ihn aufschrecken.

Zudem kommt die Forderung zu einem für ihn ungünstigen Zeitpunkt. Dangote, dem viele Banken gern Geld leihen, versucht gerade, eine besonders große Geldsumme aufzutreiben. Für elf Milliarden Dollar will er in der Nähe von Lagos eine Erdölraffinerie bauen. Für das Projekt hat Dangote einem Insider zufolge auch Millionen von der Weltbank-Tochter International Finance Corporation (IFC) beantragt.

"Die Weltbank muss Dangote den Kredit verweigern, bis die Ananas-Plantagen aus dem Nationalpark verschwunden sind", fordert Odey Oyama. David will Goliath den Geldhahn zudrehen.

Odey Oyama ist sich seiner Sache sicher. Um seiner Klage vor Gericht noch mehr Gewicht zu verleihen, arbeitet er an einer Landkarte, in die exakt eingetragen ist, wo die Grenzen des Cross River Nationalparks liegen - und wo Dansa gerodet hat. "Mit einem Gerichtsurteil in der Hand werden wir Dangote aus dem Wald werfen."


Wo die Bäume bluten - der Raubbau für Palisander

So zuversichtlich wie Odey Oyama ist Hazel Chapman nicht. "Bald sind die letzten Edelholzbäume hier tot, gefällt! Der Wald wird zur Wüste." Ihr Hilferuf klingt erschüttert, verzweifelt, hilflos - und hat Rettet den Regenwald alarmiert.

Die Ökologin Hazel Chapman betreibt im Waldgebiet von Ngel Nyaki im Bundesstaat Taraba die Forschungsstation Nigerian Montane Forest Project. Die Professorin aus Neuseeland will herausfinden, wie Nigerias degradierte Gebirgswälder und Grasländer renaturiert und geschützt werden können. Jetzt beobachtet sie, wie in der Tiefebene der trockene Savannen-Wald der Sahelzone zur Ödnis verkommt: Holzfäller schlagen jeden Palisander-Baum (Pterocarpus erinaceus), den sie finden.

An der Straße zwischen der Stadt Bali und Hazels Station auf dem Mambila Plateau ist das Desaster zu besichtigen. Hier reiht sich Holzlagerplatz an Holzlagerplatz. Überall türmen sich dicke Balken, grob zurechtgesägt und auf Länge gebracht, damit sie bündig in einen Container passen.

Kräftige Männer wuchten die Stämme von Hand in Laster, die das Holz zum Hafen nahe Lagos transportieren. Alle paar Minuten biegen Pickups, zumeist schrottreife Toyotas, auf die Lagerplätze ein und liefern neue Balken an. Die Männer sind stolz auf ihre Arbeit, die sie bei 40 Grad Hitze verrichten. Jeder will fürs Foto posieren. Rettet den Regenwald hat als erste Organisation den Rosenholz-Einschlag mit Fotos dokumentiert.

Um die Holzfäller zu treffen, die mit ihren Motorsägen der Marke Stihl die Palisander-Bäume fällen, muss man mit dem Motorrad anderthalb Stunden lang in den Busch fahren. So tief haben sie sich bereits vorangefressen. In diesem Jahr sind die Wälder besonders trocken, Rinderhirten führen ihre Herden auf der Suche nach Futter herum, Feuer, mit denen Ackerbauern ihre Felder vorbereiten, sind außer Kontrolle geraten. Auch die Pufferzone des Gashaka Gumti Nationalparks wurde verletzt.

Dominique balanciert seine Motorsäge auf dem Kopf zum nächsten Palisander-Stamm. Mit der Machete schabt er etwas Rinde weg, "damit die Kette nicht leidet". Dann setzt er das Schwert an - in weniger als einer Minute liegt der Baum. Sofort rinnt dicker, roter Saft aus der Schnittstelle. "Ja, der Baum blutet. Das tun Rinder aber auch, wenn man sie schlachtet", sagt Dominique und schüttelt über Sentimentalität den Kopf.

Es ist kein sonderlich stattliches Exemplar. "Zwei Stücke werde ich daraus sägen können, der Rest ist nichts wert", sagt er. An diesem Baum wird er rund 20 Euro verdient haben. Ein Pickup wird das Holz aus dem Wald schaffen - und auf den Weg nach China bringen. Chinas Importe von Palisander- und Ebenholz aus Westafrika sind zwischen den Jahren 2010 und 2014 um schwindelerregende 700 Prozent gestiegen. Dort werden Luxusmöbel, häufig im Antik-Look, daraus geschreinert. Allein im ersten Halbjahr 2016 kassierten Holzhändler damit 216 Millionen Dollar.

Ob der Holzeinschlag ein ökologisches Desaster ist? Davon könne keine Rede sein, sagen Dominique und die Arbeiter auf den Lagerplätzen. Aus den Stümpfen wüchsen bereits im kommenden Jahr neue Sprösslinge. Und wenn schon: Sollte es hier eines Tages für sie als Holzfäller nichts mehr zu tun geben, ziehen sie weiter. Womöglich rüber ins benachbarte Kamerun.

Usman Abubakar, Leiter der Forschungsstation, blickt zerknirscht drein. Von so nah hat er den Raubbau an der Natur seiner Heimat nie zuvor beobachtet. "Was können wir tun?", fragt der Forscher und hat keine Antwort. Nötig ist eine Strategie, ein Plan, am besten international koordiniert, um den Rosewood-Wahnsinn zu beenden. Umweltschutzorganisationen in Taraba, in Lagos und in der Hauptstadt Abuja - aber auch in Hamburg, Washington und London - arbeiten daran.

Es sind ganz unterschiedliche Schauplätze, an denen Nigerias Waldbewohner, Naturschützer und auch Forscher kämpfen.

Sie dokumentieren Umweltzerstörung, klagen vor Gericht, patrouillieren durch die Wälder. Sie alle teilen dieses unbeschreibliche Gefühl, das einen im Wald gefangen nimmt: Vielleicht sind ja Gorillas in der Nähe! Oder Schimpansen! Oder Elefanten!


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Der Umweltschützer Martins Egot im Kreis der Eco-Guards, die er geschult hat
  • Eco-Guards auf Patrouille. Die Schachtel enthält Proviant für mehrere Tage
  • Mandrills galten in Nigeria schon als ausgestorben - doch sie haben überlebt
  • Ein seltenes Bild: Selbst Forscher sehen die Cross River Gorillas kaum
  • Irgendwo tief in diesen Wäldern versteckt leben Schimpansen und Gorillas: Nur in wenigen Regionen Afrikas ist die Artenvielfalt größer als im Grenzgebiet zwischen Nigeria und Kamerun. Die große Anzahl mächtiger Bäume ist atemberaubend
  • Nigerias Straßen sind voller Schlaglöcher, bewaffnete Polizisten kontrollieren an zahlreichen Checkpoints. Von Calabar bis Ngel Nyaki benötigt man zwei Tage
  • Der Naturschützer Odey Oyama kämpft gegen Ananas-Plantagen im Regenwald. Rund 15 Monate nach dem Pflanzen wird erstmals geerntet
  • Es dauert keine Minute und der Baum ist gefällt. Noch vor Ort wird er grob zu Balken zersägt. Das wertvolle Holz dieser Bäume wird bei uns als Palisander bezeichnet. Im Englischen werden Palisander-Hölzer wegen der roten Farbe des Harzes "Rosewood" genannt
  • Ein Sattelschlepper transportiert Palisander-Stämme zum Hafen nahe Lagos

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Quelle:
Regenwald Report Nr. 2/17, Seite 6 - 11
Herausgeber:
Rettet den Regenwald e.V. / Rainforest Rescue
Jupiterweg 15, 22391 Hamburg
Telefon: 040 / 410 38 04, Fax: 040 / 450 01 44
E-Mail: info@regenwald.org
Internet: www.regenwald.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. August 2018

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