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AGRARINDUSTRIE/017: Vorsicht, klima-smarte Landwirschaft! (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 362 - Januar 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Vorsicht, klima-smarte Landwirschaft!
Wie die Agrarindustrie mit dem Argument des Klimaschutzes arbeitet

von Susanne Gura (Dachverband Kulturpflanzenvielfalt)



Die Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen sind gerade wieder einmal praktisch ergebnislos in Doha zu Ende gegangen. Seit dem Weltgipfel in Rio gibt es kaum Fortschritte. Nicht nur die USA, auch viele andere Industrie- und Schwellenländer wollen ihre Wirtschaft nicht wirklich verändern. Vor allem seit es den Handel mit Verschmutzungszertifikaten gibt, wollen, Geschäftsberater scharenweise von seiner öffentlich finanzierten Lebensrettung profitieren, und die Industrie damit Image und Bilanzen aufpolieren. "Klimaneutral" kann man nicht nur Flugreisen machen, indem man an Aufforstungsprojekte zahlt, sondern praktisch für jede CO2-Sünde kann sich die Industrie zur Buße ein Projekt im Süden suchen. Das dürfen - perverser Weise auch Palmölplantagen sein oder sogar Schweinemästereien, die mit einer Biogasanlage versehen werden. Auch die Schweinefarm La Granja in Mexiko, aus der 2010 der Schweinegrippevirus kam, ist ein klimafreundliches Projekt, weil ihre Biogasanlage Methanemissionen vermeidet. Da es zu wenig Projekte gibt, um die zu vielen Verschmutzungsrechte virtuell zu neutralisieren, wird nach weiteren Möglichkeiten gesucht. Der Kohlenstoff in den Böden kam bisher nicht infrage, weil er schwer messbar ist. Der Gehalt ist in jeder Tiefe, jeder Fläche und zu jedem Zeitpunkt unterschiedlich. Dabei ist das Potenzial, die Böden mit Kohlenstoff anzureichern, technisch riesig, hat der Weltklimarat IPCC errechnet. Um teure Messungen zu vermeiden, soll nun für ganze Landschaften der Kohlenstoffgehalt des Bodens geschätzt werden. Den im Klimapoker gängigen Übertreibungen wären noch weniger Grenzen gesetzt.


Klima-Farming - wie geht das?

Die Kohlenstoffsenke in den Böden kann auf den in USA, Australien und anderen Ländern eingerichteten "Garbon Markets" mit Geld belohnt werden, wobei an anderer Stelle des Planeten Verschmutzungsrechte erkauft werden. Auch wegen des niedrigen Preises unter 10 Dollar pro Tonne CO2 braucht es ganze Landschaften, bis zumindest die Berater bezahlt sind. Kein Farmer kann sich die Teilnahme am Emissionshandel leisten, nur Großgrundbesitzer und Investoren. Landgrabbing wird noch stärker wachsen, wenn man zusätzlich "Klimafarming" betreibt und Gelder im Emissionshandel kassiert. Vor allem Pflanzenkohle und Gentechnik-Herbizidresistenz sind die bevorzugten Methoden des Klima-Farmings. Kohlenstoff als gemahlene Holzkohle vergraben und dafür Ablassgelder kassieren ist das Geschäft der Biokohle-Industrie
(http://www.biochar-interntional.org/)

Die benötigten 500 Millionen Hektar Holzplantagen brauchen 1,5 mal die Fläche Indiens, warnt ein Offener Brief an die Klimaunterhändler, der von 150 zivilgesellschaftlichen Organisationen unterzeichnet wurde. Fürs Klima rechnet sich das nicht, selbst wenn in diesen Mengen statt Bäumen nur Ernterückstände in vielen kleinen Öfen verkohlt würden.


Conservation Agriculture

Der Boden speichert nicht nur Kohlenstoff, er lässt ihn auch als Kohlendioxid entweichen. Ungepflügter Boden verliert weniger CO2 als gepflügter. Nachweislich langfristig ist jedoch auch dieser Speicher nicht. Trotzdem ist er für die Hersteller von herbizidresistentem Gentechniksaatgut Vorwand genug, ihre Technologie des Unkrautvergiftens statt Pflügen als klimafreundlich zu bezeichnen. Monsanto hat bereits mit dem verschleiernden Begriff Conservation Agriculture die Vereinten Nationen als Fürsprecher gewonnen. In Afrika wird traditionell nicht gepflügt, und um den Frauen das Jäten zu erleichtern, werden Herbizide propagiert. Auch die Bundesregierung unterstützt Conservation Agriculture in Entwicklungsländern. Dass Agrarchemie aber unterm Strich klimaschädlich ist, wird mit neuen Begriffen wie klimaeffizient und klima-smart abgebügelt. Wenn man nämlich die Produktivität erhöhe, fallen weniger Klimagase pro Kilo Produkt an, heißt es, und daher müsse man in höhere Produktivität investieren. Der tatsächlich klimafreundliche Ökolandbau und auch Pflanzenkohle-Erzeuger werden zu Komplizen gemacht, wenn sie sich als klima-smart darstellen lassen oder gar auf Geld aus dem Ablasshandel hoffen.


Das Vorzeigeprojekt der Weltbank

Bodenbedeckende Anbaufrüchte, Mulchen, Anbauzyklen, Brachenmanagement, Kompost, Gründüngung, Agroforst, Ernterückständemanagement - alles Praktiken, die typisch sind für eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft - sie alle propagiert plötzlich die Weltbank. Dafür, dass Bauern und Bäuerinnen mit diesen Methoden auf ihren Äckern Emissionen verringern, erhalten sie Zertifikate, die sie verkaufen können. Mit dem Geld sollen sie ihre Landwirtschaft weiter verbessern und sich auf die Klimaerwärmung einstellen können. Um den Klimaeffekt nachhaltiger Landnutzungsmethoden zu demonstrieren, hat die Weltbank in Kenia ein Vorzeigeprojekt gestartet. Tausende Bauern führen Maßnahmen gegen die Bodenerosion durch und verbessern degradierte Böden, um so mehr Kohlenstoff zu speichern. Das Kenya Biocarbon Project soll allerdings nicht nur höhere Produktivität und bessere Anpassung an den Klimawandel bringen, sondern vor allem für die Idee des Zertifikatehandels werben.


Alles nur Fassade

Nur leider rechnet sich die Sache nicht; jeder Kleinbauer würde pro Jahr nur etwa einen Dollar erhalten. Also bekommt das Geld die landwirtschaftliche Beratungsorganisation. Die Methoden sind überdies nicht neu, sondern werden von genau jenem Projekt seit zwei Jahrzehnten in Kenia propagiert. Nur der Ablasshandel ist neu und hat eine Million US-Dollar gekostet. Neben öffentlichen Mitteln ist einer der Geber die Syngenta-Stiftung. Die schweizerische Firma Syngenta ist der weltgrößte Pestizid-Erzeuger. Simon Mwamba von der East and South African Small Farmers' Federation warnt: "Klima-smarte Landwirtschaft wird als nachhaltige Landwirtschaft verkauft - doch wir befürchten, dieser Begriff ist nur eine Fassade, um auch die industrielle Landwirtschaft zu fördern, die Bauern in einem Kreislauf von Verschuldung und Armut festhält." Der Getreide- und Sojahandelsriese Cargill hat vom Emissionshandel profitiert, weil er die Biogasanlagen von riesigen Schweinemästereien in Südamerika finanziert hat. Die Weltlandwirtschaftsorganisation FAO erklärt, die industrielle Milchproduktion in den USA sei "klima-effizienter" als die extensive, kleinteilige Milcherzeugung in Indien. Andere Experten behaupten, Ölpalmenplantagen würden weniger CO2 erzeugen als bäuerlicher Wanderfeldbau und sollten deshalb ebenfalls als klima-smarte Landwirtschaft gelten.

Die Folgen der Klima-smarten Landwirtschaft wären katastrophal: Wenn großflächige Landinvestitionen durch zusätzliche Gewinne aus dem Emissionshandel lukrativer werden, weil sie zum Beispiel - wie vom Agrarmulti Monsanto propagiert - in der "Klimasmarten" Conservation agriculture zur Unkrautbeseitigung Herbizide anstelle des Pflugs einsetzen, wächst die Gefahr, dass die Kleinen ihr Land an die Großen verlieren und als Arbeiter in die industriellen Wertschöpfungsketten gelegt werden.

Die eigentlichen Klimasünder aus der industriellen Landwirtschaft würden belohnt. Auch Klimasünder im Norden können sich mit der Klima-smarten Landwirtschaft einen Ablass verschaffen, indem sie Gutschriften aus Emissionsminderung kaufen und gleichzeitig weiter sündigen. Die Entdeckung der bäuerlichen Landwirtschaft durch die Weltbank würde sich als Förderprogramm für die Agrarindustrie entpuppen, mit Anschubfinanzierung von Steuerzahlern und Chemie-Multis.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 362 - Januar 2013, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2013