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ASIEN/103: Pakistan - Nationaler Aktionsplan soll Ursachen für Verlust der Biodiversität beseitigen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Dezember 2015

Pakistan: Nationaler Aktionsplan soll Ursachen für Verlust der Biodiversität beseitigen

von Saleem Shaikh und Sughra Tunio


Bild: © Saleem Shaikh/IPS

Zainab Samo pflanzt mit ihrem Sohn und ihrer Tochter im Süden Pakistans einen Zitronenbaum ein
Bild: © Saleem Shaikh/IPS

ISLAMABAD (IPS) - Mit einer neuen Übereinkunft will Pakistan den Verlust der Artenvielfalt eindämmen, Ökosysteme wiederherstellen und die nachhaltige Nutzung von Rohstoffen fördern. Bauern wie Zainab Samo und Aziz Hingorjo, die ihr fruchtbares Land durch die Wüstenbildung im südlichen Distrikt Tharparkar verloren haben, hoffen, dass der staatliche Plan nicht allein die Biodiversität schützt. Sie sind darauf angewiesen, dass auch wichtige Existenzgrundlagen wie Wasser, Böden, Weideland und Anbauflächen erhalten bleiben.

"Uns ist klar, dass der rasche Verlust von Bäumen und Vegetation einer der Hauptgründe für das Fortschreiten der Wüstenbildung in Tharparkar ist", sagt Hingorjo. Die Desertifikation habe allmählich und stetig Ackerland und natürliche Regenwasserspeicher vernichtet. Diese Entwicklung habe bereits viele Familien in der Region mit 1,6 Millionen Einwohnern dazu gezwungen, auf der Suche nach Arbeit in die Städte oder in andere Gebiete mit ausreichend Wasser und Viehfutter zu ziehen.


Plan soll ab Anfang 2016 umgesetzt werden

Die Verabschiedung der Nationalen Strategie und des Aktionsplans für Biodiversität (NBSAP) durch alle vier Provinzen und die nördliche Region Gilgit-Baltistan am 6. November habe den Weg für die Umsetzung des Plans ab Anfang kommenden Jahres bereitet, erklärte Raja Aeem Ashraf, Leiter der Abteilung für Artenvielfalt im Ministerium für Klimawandel.

NBSAP sieht Maßnahmen vor, die die auslösenden Faktoren für den Verlust der Artenvielfalt beseitigen und eine nachhaltige Nutzung von Ressourcen unterstützen sollen. Die Biodiversität soll zudem durch den Schutz der Ökosysteme, der Spezies und der genetischen Vielfalt verbessert werden.

"Mit Hilfe des Aktionsplans wollen wir außerdem eine nachhaltige Sicherung der Ernährung erreichen", so Ashraf. Die Nutzer von Ressourcen sollten davon überzeugt werden, nicht nur die heutigen Erfordernisse im Blick zu haben, sondern auch kommenden Generationen zu ermöglichen, ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Die Natur solle weiterhin alle Rohstoffe und ökologischen Dienstleistungen liefern, die die Wirtschaft und die Gesellschaft Pakistans unbedingt benötigten.

Die vom Ministerium für Klimaschutz gemeinsam mit der Weltnaturschutzunion (IUCN) und pakistanischen Umweltexperten auf Provinzebene erarbeitete Strategie erscheint als ein ambitioniertes Rahmenwerk.


Pakistan will internationale Umweltauflagen erfüllen

Javed Ahmed, einer der Autoren des Plans und Mitarbeiter von IUCN in Islamabad, erklärt, NBSAP solle Pakistan in die Lage versetzen, seine Verpflichtungen im Rahmen des UN-Übereinkommens zur biologischen Vielfalt (CBD) zu erfüllen und bis zum Jahr 2020 die 20 Aichi-Ziele zu erreichen, die 2010 in Japan bei der Verabschiedung des Nagoya-Protokolls zur Umsetzung von CBD vereinbart wurden.

Diese Ziele sähen vor, die Verlustrate natürlicher Habitate einschließlich der Wälder zu halbieren und, wo immer möglich, nahezu auf null zu reduzieren, erklärte Ahmed. Zudem sollten 17 Prozent der Landflächen und Binnengewässer sowie zehn Prozent der Meeres- und Küstengebiete geschützt werden. Mindestens 15 Prozent der geschädigten Flächen sollten durch Schutz- und Renaturierungsmaßnahmen wiederhergestellt werden. Zudem seien besondere Anstrengungen nötig, um den Druck auf die Korallenriffe zu reduzieren.

Seerat Ashgar, föderaler Sekretär für Nahrungssicherheit und -forschung, sieht die Kontrolle der Umweltzerstörung dadurch erschwert, dass bisher zu wenig über die Folgen der Verlustes der Artenvielfalt bekannt sei, die Behörden nicht in der Lage seien, Schutz zu gewähren, im Agrarsektor großflächig chemische Düngemittel zum Einsatz kämen und eine enorme Zahl von Bäume gefällt werde.

Die Folgen seien eine Abnahme der Bodenfruchtbarkeit, Waldschwund, geringere Ernten und ein Rückgang der Biodiversität, so Ashgar. Armut und Hunger nähmen dadurch immer weiter zu. Umso mehr hoffe er, dass die neue Strategie dazu beitragen könne, die Hauptauslöser für das Artensterben in seinem Land zu beseitigen.

Zainab Samo und ihr Sohn arbeiten jeden Tag acht Stunden auf ihrer Farm in der Stadt Nagarparkar, wo sie Zwiebeln, Tomaten und Chilischoten anbauen. Samo verdient damit genug, um sich und ihre zwei Kinder zu ernähren.


Neu gepflanzte Bäume halten Wüstenbildung auf

Entlang der Grenzen ihres Landgutes wachsen mehr als 250 Bäume, die im Rahmen einer Initiative für Ernährungssicherung angepflanzt wurden. Auf diese Weise sollen die fortschreitende Wüstenbildung und zugleich die Ernährungsunsicherheit in der Wüstenstadt mit fast einer halben Million Einwohnern bekämpft werden. Die Zitronenbäume etwa, die vor drei Jahren angesetzt wurden, bringen Samo inzwischen zusätzliches Geld ein.

Die Witwe gehört gemeinsam mit anderen Frauen zu den Nutznießerinnen eines 2011 gestarteten Agroforst-Projekts, das auf fünf Jahre angelegt ist. Initiiert wurde es von der gemeinschaftsbasierten lokalen Organisation 'Baanh Beli' mit finanzieller Unterstützung der Weltnaturschutzunion. Samo erhielt vor drei Jahren finanzielle und technische Hilfe für das Anpflanzen und Pflegen einheimischer Baumarten am Rand ihrer Farm.

Diese Bäume sollen den nährstoffreichen Boden vor Desertifikation schützen, wie Hanif Samo, Koordinatorin von Baanh Beli, erklärt. "Erst vor wenigen Wochen habe ich etwa 9.600 Kilo Zwiebeln geerntet, die mir ungefähr 572 US-Dollar eingebracht haben. Für das Anpflanzen der Zwiebeln habe ich insgesamt 362 Dollar bezahlt."

Das Welternährungsprogramm sowie die Organisationen 'Drynet International' und 'Catholic Relief Services' fördern in der Region ein weiteres Agroforst- und Viehzuchtprojekt. Seit 2003 sind dank dieser Unterstützung in Tharparkar etwa 35 kleine Farmen entstanden. Ein Bauer und Viehzüchter berichtet, dass neu gepflanzte Bäume die Wüstenbildung aufgehalten haben, indem sie Wanderdünen im Umkreis seiner Farm stabilisierten. Seine Tiere sind gesund und haben sich durch die kontinuierliche gute Futterversorgung rege vermehrt.

"Knapp ein Viertel der insgesamt etwa 180 Millionen Pakistaner sind arm und als Bauern, Jäger oder Fischer für ihr Überleben unbedingt auf natürliche Ressourcen angewiesen", sagt Said Tanveer Arif, Geschäftsführer der unabhängigen Organisation 'SCOPE'. "Die Armut führt in Verbindung mit dem raschen Bevölkerungswachstum und der zunehmenden Verstädterung dazu, dass immer mehr Druck auf das Land ausgeübt wird."

Mehr als ein Viertel der insgesamt 26 Millionen Hektar Ackerland sind laut Arif gefährdet, durch Wind, Bodenerosion, Versalzung und Staunässe geschädigt zu werden. Eine nicht nachhaltige Landbewirtschaftung verursacht demnach erhebliche Umweltprobleme, wie mangelnde Fruchtbarkeit der Äcker, Sturzfluten, Sedimentbildung in Wasserläufen und Waldschwund. Ashraf sieht jedoch eine Lösung in der Stärkung der Resilienz der Ökosysteme und in einer Verbesserung der Produktivität der Böden durch nachhaltige Praktiken und den Schutz der Habitate global wichtiger Spezies. (Ende/IPS/kf/09.12.2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/12/pakistan-moves-to-stop-biodiversity-loss/

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IPS-Tagesdienst vom 9. Dezember 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2015

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