Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

ATOM/028: Japan - Nach Fukushima wird Handel mit Nuklearmaterial forciert, Aktivisten warnen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Januar 2012

Japan: Nach Fukushima wird Handel mit Nuklearmaterial forciert - Aktivisten warnen

von Suvendrini Kakuchi


Tokio, 20. Januar (IPS) - Auch zehn Monate nach dem Supergau von Fukushima hat die japanische Regierung alle Hände voll zu tun, den Zorn der Bevölkerung zu beschwichtigen. Denn noch immer tritt verstrahltes Wasser aus dem havarierten Atommeiler aus. Zugleich setzt Tokio auf den verstärkten Export von Nuklearanlagen für die zivile Nutzung. Lukrative Vertragsabschlüsse erhofft man sich vor allem in energiehungrigen Schwellen- und Entwicklungsländern.

Im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit genehmigte der außenpolitische Ausschuss des Parlaments im letzten Monat den Export japanischer Atomanlagen nach Jordanien und Vietnam. Die Zustimmung zu ähnlichen Geschäften etwa mit Bangladesch, Indien und der Türkei steht noch aus. In diesen Ländern sollen japanische Unternehmen Atomkraftwerke bauen, betreiben und verwalten.

Dazu erklärte Japans Ministerpräsident Yoshihiko Noda: "Japans Spitzentechnologie wird in diesen Staaten dringend benötigt." Japan müsse dort allerdings auch die Sicherheit der Atomkraftwerke verstärken, betonte der Regierungschef.

"Von diesem gefährlichen Kurs verspricht sich Tokio neue Geschäftsverbindungen und mehr diplomatischen Einfluss in Entwicklungsländern", kritisierte Yuki Tanabe vom Japanischen Zentrum für eine nachhaltige Umwelt und Gesellschaft (JACSES).

Als Folge des Supergaus im März 2011 hatten 150.000 Menschen die Umgebung von Fukushima verlassen müssen. Auf Zehntausenden Hektar kontaminierten Agrarlands dürfen keine Nahrungsmittel mehr angebaut werden. Produkte aus den verseuchten Küstengewässern sind ungenießbar. Als Betreiberin des verwüsteten Atomkraftwerks von Fukushima stehen der Tokioter Elektrizitätsgesellschaft Schadenersatzforderungen von über 60 Milliarden US-Dollar ins Haus, die sie ohne öffentliche Mittel nicht aufbringen kann.


Exportpläne stoßen auf Widerstand

Japan deckt seinen Energiebedarf zu 30 Prozent aus Atomkraftwerken. Doch hier und in den von den Exportplänen betroffenen Ländern formiert sich inzwischen Widerstand. Auf einer Konferenz in Yokohama Mitte Januar machten japanische und internationale Umweltorganisationen gegen die japanischen Exportpläne mobil. Teilnehmer aus Südkorea, Kanada und der Europäischen Union ließen keinen Zweifel daran, dass die Atomenergie in ihren Ländern abgelehnt wird.

So betonte Praful Bidwai, ein international angesehener Kämpfer für sichere, erneuerbare Energien, Anwohner von Atomkraftwerken müssten ihre Ablehnung von Kernenergie immer wieder mit Protesten und Demonstrationen in die Öffentlichkeit tragen.

Bislang deckt Indien seinen Energiebedarf nur zu drei Prozent aus Atomkraftwerken und will diesen Anteil bis 2020 auf 20 Prozent erhöhen. Doch die Sicherheit der vorhandenen Anlagen gilt schon jetzt als bedenklich. Immer wieder ist von Unfällen, Explosionen und dem Austritt von verstrahltem Wasser die Rede. Zudem hat das südasiatische Schwellenland den Atomwaffensperrvertrag (NPT) nicht unterzeichnet.

Im Oktober 2011 hatten Noda und Indiens Außenminister Somanahalli Krishna ihre Gespräche über eine japanisch-indische Partnerschaft zur Förderung der friedlichen Nutzung von Atomenergie wieder aufgenommen. Man müsse die südkoreanische Konkurrenz aus dem Feld schlagen, betonten Regierungsbeamte und Wirtschaftsvertreter.

Seit der Katastrophe von Fukushima habe man auch in seinem Land die mit der Atomkraft verbundenen Gefahren erkannt, berichtete Kim Heyung von der südkoreanischen Umweltbewegung. Eine im Oktober durchgeführte Untersuchung hatte ergeben, dass 68 Prozent der Bevölkerung den Bau neuer Atomreaktoren ablehnen. Dennoch hat die Regierung in Seoul bereits die Standorte für sechs neue Atomkraftwerke vorgeschlagen.

Im vergangenen Jahr hatte Südkorea mit den Vereinigten Arabischen Emiraten einen neuen Vertrag über Atomexporte abgeschlossen. In Konkurrenz zu Japan bemüht sich Südkorea auch in Finnland um entsprechende Aufträge.


Pläne über eine Atommülldeponie in der Mongolei

Auch die von Japan und den USA geplante Anlage einer Atommülldeponie in der an Uranvorkommen reichen Mongolei sorgte auf der Konferenz der Anti-Atom-Aktivisten in Yokohama für Protest. Selnge Lkhagvajav, eine Sprecherin der mongolischen Grünen Partei, sagte IPS. "Wir werden gegen diese Pläne kämpfen, denn in der Mongolei ist die Abfallentsorgung sehr nachlässig."

Von der japanischen Ankündigung, in Zukunft werde es für den Betrieb von Atomkraftwerken, die ähnlich konstruiert sind wie die havarierte Anlage in Fukushima, strengere Betriebsvorschriften geben, hält Tanabe von JACSES nichts. "Solche Maßnahmen sind sinnlos", sagte er. Immerhin haben die noch andauernden Stresstests in japanischen Atomkraftwerken dazu geführt, dass dort inzwischen deutlich weniger Atomenergie produziert wird. (Ende/IPS/mp/2012)


Links:
http://www.jacses.org/en/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106477

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 20. Januar 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2012