Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

CHEMIE/017: Geplantes Quecksilberabkommen zahnlos (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Januar 2013

Gesundheit: Geplantes Quecksilberabkommen zahnlos

von Carey L. Biron


Jeremy Keith/cc by 2.0

In 84 Prozent der für eine Studie untersuchten Fische war der Quecksilbergehalt so hoch, dass es in den USA als nicht sicher gelten würde, sie häufiger als einmal pro Monat zu essen
Bild: Jeremy Keith/cc by 2.0

Washington, 11. Januar (IPS) - In der kommenden Woche wollen Vertreter von mehr als 100 Staaten ein internationales Abkommen zur Beschränkung des Gebrauchs von Quecksilber aushandeln. Sowohl Aktivisten als auch Wissenschaftler warnen jedoch, dass der bisher auf der Agenda stehende Entwurf viel zu schwach formuliert sei.

"Wir zweifeln stark daran, dass ein Abkommen auf der Grundlage dieser Vorlage den Gehalt an Quecksilber in Fischen und Meeresfrüchten tatsächlich reduzieren wird", sagte Joe DiGangi, Politikberater des Internationalen Netzwerks für die Beseitigung langlebiger organischer Schadstoffe (IPEN) in Genf, wo Regierungsvertreter vom 13. bis 18. Januar verhandeln werden. "Es besteht eine große Diskrepanz zwischen der Schwere des Problems und dem politischen Willen, dieses mit Hilfe des geplanten Vertragswerkes zu lösen."

Quecksilber greift das menschliche Nervensystem an und schadet vor allem Föten und kleinen Kindern. Das Metall ist besonders langlebig und wird auf natürlichem Wege nur sehr schwer abgebaut.

Während die meisten Industrieländer den Gebrauch von Quecksilber in den vergangenen Jahren stark reduziert haben - Quecksilber ist beispielsweise aus Thermometern so gut wie verschwunden - ist der Gebrauch in sogenannten Entwicklungsländern immens gestiegen. Hauptverursacher für Quecksilberemissionen sind kleine Goldminen sowie die Kohleverbrennung, da das chemische Element in der Kohle gebunden ist und bei deren Verbrennung freigesetzt wird.


Quecksilberemissionen von Bergbauprojekten verdoppelt

Am 10. Januar veröffentlichte das UN-Umweltprogramm einen Bericht, demzufolge sich Quecksilberemissionen kleiner Bergbauprojekte in Afrika, Asien und Südamerika seit 2005 verdoppelt haben. Heutzutage sind Ost- und Südostasien allein für die Hälfte der weltweiten Quecksilberemissionen verantwortlich. Grund ist die rapide wirtschaftliche Entwicklung der Region in den vergangenen Jahren.

"Die Hauptlast der Quecksilberemissionen ist in die Entwicklungsländer abgewandert", schreibt UNEP-Chef Achim Steiner im Vorwort der Studie. Er fügte weiter an, dass sich die Untersuchung speziell an die Verhandlungsführer für das neue internationale Abkommen richtet und erinnert daran, dass es der Weltgesundheitsorganisation WHO zufolge keine sicheren Emissionsgrenzen für Quecksilber gibt.

Die UNEP ist Gastgeber der bevorstehenden Konferenz, die bereits die fünfte Verhandlungsrunde für das globale Vertragswerk ist. Darin sollen Richtlinien zum Gebrauch des Metalls festgelegt werden, und die Nachfrage nach Quecksilber soll bis 2015 drastisch reduziert werden.

Doch für viele Beobachter ist der Entwurf lediglich ein Papiertiger. IPEN-Mitarbeiter DiGangi beispielsweise kritisiert, dass die Vorlage zwar anerkenne, dass kleine Goldminen zu den größten Quecksilberverursachern zählen. Doch das Säubern verschmutzter Gebiete solle freiwillig bleiben.

Darüber hinaus soll es zwar vage Richtlinien für Quecksilberemissionen von Kohlekraftwerken geben. Doch über die Vielzahl der weltweit neu geplanten Kohlekraftwerke schweige sich der Vertragstext aus.

DiGangi ist Hauptautor einer am 9. Januar veröffentlichten Studie zum Quecksilbergehalt in Fischen und Rückständen im menschlichen Haar. Die Daten wurden an Standorten potenziell hoher Quecksilberbelastungen erhoben. "Die Ergebnisse waren eine große Überraschung für alle Beteiligten, da der Quecksilbergehalt vor allem in Entwicklungsländern besonders hoch war."

In 84 Prozent der Fische, die für die Studie untersucht worden waren, war der Quecksilbergehalt so hoch, dass es in den USA als nicht sicher gelten würde, sie häufiger als einmal pro Monat zu essen. Und 82 Prozent der Studienteilnehmer wiesen Rückstände auf, die als gesundheitsgefährdend gelten.

"Das Problem ist ernst, und wir brauchen dafür eine ambitionierte Lösung", so DiGangi. In vielen Entwicklungsländern sei der Quecksilbergehalt zum ersten Mal untersucht worden. Insgesamt fehle es an Wissen über die Gefahren, die von dem chemischen Element ausgehen. Und schließlich mangele es auch an politischen Lösungen.


Gesundheitsgefahren werden übergangen

Obwohl die Gesundheitsgefahren offensichtlich erscheinen, drehten sich die Verhandlungen für das internationale Abkommen vor allem zu Beginn hauptsächlich um die Umweltgefahren. Doch weil die lateinamerikanischen und afrikanischen Länder dazu drängten, wurden schließlich auch gesundheitliche Aspekte in den Entwurf aufgenommen.

"Möglicherweise wollten die Industrieländer absichtlich Gesundheitsaspekte unter den Tisch kehren", sagte Joseph Amon von 'Human Rights Watch' gegenüber IPS. "Ich kann mir vorstellen, dass sie sich von ihrer Verantwortung lossagen wollten, da die Fonds für gesundheitliche Aufklärung und Entwicklung sowieso schon unterfinanziert sind." Aus anderen Ländern, die groß im Goldgeschäft seien, habe sich Widerstand gegen explizite Warnungen vor Gesundheitsgefahren geregt.

Amon verwies insbesondere auf die fehlende Bereitschaft der USA, der Europäischen Union und Kanadas, Gesundheitsaspekte in das neue Abkommen aufzunehmen. Erklären könne er das nicht, da diese Länder in der Regel eine progressive internationale Gesundheitspolitik führten. (Ende/IPS/jt/2013)


Links:

http://www.unep.org/PDF/PressReleases/Mercury_TimeToAct.pdf
http://www.briloon.org/uploads/documents/hgcenter/gmh/gmhFullReport.pdf
http://www.ipsnews.net/2013/01/treaty-insufficient-to-reduce-global-mercury-levels/

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Januar 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Januar 2013