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CHEMIE/046: OECD-Nano-Dossiers taugen nicht zur Risikobewertung (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen e.V.
EU-Koordination

EU-News - 28.02.2017 / Chemie & Nanotechnologie

OECD-Nano-Dossiers taugen nicht zur Risikobewertung


Nur von geringem oder gar keinem Nutzen für die Risikobewertung sind die bisher zusammengetragenen Daten über elf Nanomaterialien von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development, OECD). Das ist das Ergebnis einer Studie, die die Umweltorganisationen CIEL, ECOS und Öko-Institut beim Institut für Arbeitsmedizin (Institute of Occupational Medicine, IOM) in Auftrag gegeben haben.

Das IOM wertete 11.500 Seiten Rohdaten der OECD über elf Nanomaterialien aus und analysierte vertieft die Daten zu Fullerenen (kugelförmige Moleküle aus Kohlenstoffatomen), einwandigen Kohlenstoffnanoröhrchen und Zinkoxiden.

"EU-Entscheidungsträger und die Industrie nutzen allein die Existenz von Daten, um Bedenken über die möglichen Gesundheits- und Umweltrisiken von hergestellten Nanomaterialien zu zerstreuen", sagte David Azoulay, Rechtsanwalt des Zentrums für internationales Umweltrecht CIEL. "Wenn man die Daten analysiert, ist es in den meisten Fällen unmöglich zu beurteilen, welches Material tatsächlich getestet wurde. Die Tatsache, dass Daten über ein Nanomaterial existieren, bedeutet nicht, dass die Informationen zuverlässig sind, um die Gefahren oder Risiken des Materials zu beurteilen."

Die Dossiers wurden 2015 von der OECD-Arbeitsgruppe für hergestellte Nanomaterialien (WPMN) veröffentlicht, allerdings gibt es bisher noch keine Schlussfolgerungen zur Datenqualität. Trotz dieser fehlenden Analyse hätten einige politische Interessengruppen und Institutionen wie die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) und die Gemeinsame Forschungsstelle der Europäischen Kommission (JRC) die Dossiers als Informationen über nanospezifische Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt aufgeführt. Branchenverbände und einzelne Unternehmen hätten dies als Anlass genommen, dass genügend Informationen zur Verfügung stünden, um die meisten Bedenken über mögliche Gesundheits- oder Umweltrisiken von hergestellten Nanomaterialien zu verwerfen.

"Unsere Studie zeigt, dass die Behauptungen, es gebe genügend Daten über Nanomaterialien, nicht nur falsch, sondern gefährlich sind", sagte Doreen Fedrigo von ECOS, einer Umweltorganisation, die sich im Bereich Normung für zivilgesellschaftliche Belagen einsetzt. Fehlende nanospezifische Informationen könnten nicht als Beweis für "keine Nano-Effekte" herangezogen werden. Derartige Informationen seien aber entscheidend für Regulierungsbehörden und Produzenten, die das Gefahrenprofil dieser Materialien kennen müssen.

Die Umweltorganisationen fordern, dass die Lücken in aktuellen Dossiers mit Charakterisierungsinformationen, Vorbereitungsprotokollen und Expositionsdaten aufgefüllt werden müssen. Entscheidungen über die Sicherheit von Nanomaterialien könnten nicht auf der Grundlage fehlerhafter und unvollständiger Daten getroffen werden, kritisierte Andreas Hermann vom Öko-Institut.

Laut dem Umweltinformationsdienst ENDS Europe Daily plant die EU-Kommission im März, ExpertInnen aus den Mitgliedstaaten einen Entwurf zur Regelung von Nanomaterialien im Rahmen der EU-Chemikalienverordnung REACH vorzulegen. [jg]


Hintergrund
http://www.ciel.org/reports/analysis-oecd-wpmn-dossiers/

Vollständiger IOM-Report
http://www.ciel.org/wp-content/uploads/2017/02/IOM-Analysis-of-OECD-dossiers_Full.pdf

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Quelle:
EU-News, 28.02.2017
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2017

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