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DESERTIFIKATION/001: UN-Dekade der "Wüsten und der Desertifikationsbekämpfung" (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2010


UN-Dekade der "Wüsten und der Desertifikationsbekämpfung"
Trockengebiete im politischen Fokus

Von Anneke Trux


"The Forgotten Billion" bezeichnet keine neue Finanzkrise. Es ist der Titel einer Studie, die anlässlich des Millenniumsgipfels in New York vorgestellt wurde. Bei der Erreichung der Millenniumsziele sind die 2 Milliarden Einwohner der Trockengebiete oft die Verlierer. Die Armutsrate, die Kindersterblichkeit und Analphabetismus der Frauen sind in den Trockengebieten der Welt deutlicher höher als in anderen Regionen.


Trockengebiete - marginale Regionen der Erde?

Trockengebiete sind in der politischen Wahrnehmung eher entfernte, marginale Standorte. Dies gilt, obwohl Statistiken, die sich mit dem Handlungsbedarf für Entwicklungsziele befassen, eher dagegen sprechen.

Trockengebiete (ohne die hyperariden Wüsten) umfassen 5,2 Mrd. ha, d.h. ca. 35 Prozent der Landoberfläche der Erde und sie beherbergen 2 Milliarden Menschen. Das Wohlstandsniveau ihrer Bevölkerung, mindestens 90% davon leben in Entwicklungsländern, liegt im Durchschnitt weit unter dem der restlichen Welt. Armut und Landdegradierung gehen oft einher. Knapp 1,2 Mrd. ha, d.h. 23,2 Prozent der Trockengebiete leiden unter Desertifikation. Konsequenz ist eine verminderte Produktivität von Acker- und Weideflächen bis hin zum Verlust der Nutzbarkeit.

Gleichzeitig haben diese Regionen aber auch Potentiale. Trockengebiete sind Quellen der Agrobiodiversität: Ca. 30 Prozent aller Kulturpflanzen kommen nur hier vor. Es ist wahrscheinlich, dass ein hoher Prozentsatz der bislang dokumentierten 7600 Nutztierarten aus Trockengebieten stammt. Trockengebiete beherbergen 50 Prozent des globalen Viehbestandes und sie umfassen große Getreideanbauflächen. Geschätzte 12 Mio. ha (ca. ein Drittel der Landesfläche der BRD) gehen jährlich der landwirtschaftlichen Produktion verloren. Der kalkulatorische Verlust an Getreideproduktion daraus beläuft sich auf 20 Mio. Tonnen Getreide pro Jahr. Angesichts des steigenden Nahrungsmittelbedarfs einer wachsenden Weltbevölkerung - laut FAO muss die Nahrungsmittelproduktion allein bis 2030 um 50 Prozent steigen - sind Maßnahmen gegen Landdegradierung zwingender Teil der Ernährungssicherung. Dies gilt umso mehr, als der globale Klimawandel durch höhere Variabilität der Niederschläge mehr Risiken für die Landwirtschaft mit sich bringt. Böden sind die größten Speicher im terrestrischen Kohlenstoffkreislauf. Sie enthalten fast dreimal so viel Kohlenstoff wie die Vegetation und doppelt so viel wie die Atmosphäre. Desertifikation setzt jährlich 300 Millionen Tonnen Kohlenstoff frei, etwa 1,3 mal so viel, wie Deutschland 2007 durch seine eigenen Emissionen in die Atmosphäre abgegeben hat. Einen Umkehr dieses Trends wäre ein Beitrag zum Klimaschutz.


Die ökonomische Dimension der Landdegradierung

Neben der wissenschaftlichen Diskussion um das Ausmaß der Landdegradierung in Trockengebieten und auch global, gewinnt die Frage nach ihren ökonomischen Konsequenzen an Bedeutung. Einheitliche Bewertungsmethoden und verlässliche globale Daten stehen noch aus. Einzelne nationale und sektorale Analysen legen allerdings beeindruckende Zahlen zur Belastung der Volkswirtschaften der Entwicklungsländer durch Landdegradierung vor. Eine Studie der französischen Entwicklungsbank AFD aus dem Jahr 2006 geht davon aus, dass in Sub-Sahara Afrika die jährlichen Kosten durch Landdegradierung dem Gegenwert der durchschnittlichen Wachstumsraten im Landwirtschaftssektor entsprechen. China verliert jährlich 4 Prozent seines BIP durch Landdegradierung, die Schätzungen für Äthiopien liegen in der gleichen Größenordnung. Die Liste der Beispiele ließe sich beliebig verlängern. Ihnen gemeinsam sind die Folgen: negative Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit und das Einkommen der Bevölkerung.

Gleichzeitig verschärft die zunehmende Nachfrage nach Nahrungs- und Futtermitteln sowie Agrartreibstoffen die Konkurrenz um die knappen Ressourcen Boden und Wasser. Produktives Land, auch in Trockengebieten, erfährt eine enorme Wertsteigerung. Ein Indikator dafür ist die gegenwärtige drastische Zunahme von Landverkäufen und -verpachtungen in Entwicklungsländern (Land Grabbing). Zwischen 22 und 50 Mio. ha Ackerland in Afrika, Asien und Lateinamerika sind seit 2006 verkauft oder für mehrere Jahrzehnte verpachtet worden (zum Vergleich: Ackerfläche der gesamten Europäischen Union beträgt 97 Millionen Hektar).


Herausforderungen der UN Dekade

Die Dekade der Vereinten Nationen zu Wüsten und Desertifikationsbekämpfung wurde durch den Beschluss der 62. UN Generalversammlung ins Leben gerufen. Beginnend mit dem Jahr 2010 und endend mit dem Jahr 2020 ist sie genau genommen eine "Dekade plus 1", mit Bonusjahr. Sie ist ein Aufruf an die Weltgemeinschaft, sich des Themas anzunehmen und Ursachen, Folgen und Handlungsbedarfe der fortschreitenden Landdegradierung in das öffentliche und vor allem das politische Bewusstsein zu bringen. Eine Gruppe von UN-Organisationen, darunter das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP), das UN-Umweltprogramm (UNEP) und der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD), mit dem Sekretariat der UN Konvention zur Desertifikationsbekämpfung als Koordinator, ist für die Konzeption einer Strategie für die Dekade befasst.

Gefragt sind allerdings nicht nur Medienereignisse und Sachstandberichte an die UN Generalversammlung, sondern zukunftsweisende Initiativen und klare Botschaften zum Handlungsbedarf sowie dem globalen Nutzen der Desertifikationsbekämpfung.

• Kosten und Folgen des Nicht-Handeln darlegen: Der "Stern-Report" hat, bei allen möglichen Unzulänglichkeiten, den Blickwinkel auf den Klimawandel verändert und nachgewiesen, dass Klimawandel nicht nur ein Umweltproblem, sondern ein Weltwirtschaftsproblem darstellt. Dies hat Nachdenken jenseits internationaler Umweltpolitikzirkel ausgelöst. Die UN-Dekade zu Desertifikationsbekämpfung sollte für eine länder- und Institutionenübergreifende Initiative zu den "Economics of Desertification, Land Degradation and Drought" genutzt werden.

• Investition in die nachhaltige Landnutzung fördern: Die OECD stellt insgesamt einen deutlichen Rückgang der in den Umweltbereich investierten ODA Mittel fest. Dies sei, so Stimmen aus dem Geberlager, eine konsequente Folge des Alignment mit den Prioritäten der Partnerländer, die sich eben für andere Schwerpunkte der Kooperation entschieden hätten. Dass dies nicht uneingeschränkt gelten kann, zeigt eine jüngst erschienene Studie der Weltbank. Sie stellt einen deutlichen Rückgang der Bereitstellung von Gebermitteln für die nachhaltige Landnutzung seit 2007 fest. Gleichzeitig hat z.B. die malische Regierung ihre eigenen Investitionen in diesem Bereich verstärkt und weist damit ihre politische Prioritätensetzung nach. Mehr Investitionen in nachhaltige Landnutzung wären nicht nur in malischem, sondern auch in globalem Interesse. Allerdings geht es nicht nur um Finanzvolumina: Investitionen sind nur bei förderlichen Rahmenbedingungen wirksam. Dazu gehören gesicherter Zugang zu Land und sichere Eigentums- und Nutzungsrechte für alle Landnutzer, die Abkehr von immer neuen Planungszyklen zugunsten eines systematischen "upscaling" und bekannter, erfolgreicher Ansätze und die Beteiligung der Bevölkerung und der Gebietskörperschaften an der Planung von Investitionen. Der Privatsektor, so "The Forgotten Billion" spielt hierbei ebenfalls eine Schlüsselrolle: Er braucht weniger Subventionen, als öffentliche Investitionen in Transport- und Kommunikationsinfrastruktur, Technologietransfer. Die Initiative "Business and Biodiversity" engagiert die Privatwirtschaft für die Erhaltung der Artenvielfalt und der Ökosysteme. Eine vergleichbare Initiative für die nachhaltige Landnutzung ins Leben zu rufen, könnte eine Aktion der UN-Dekade sein.

Nachhaltige Landnutzung ist der Nexus zwischen den globalen Umwelt- und Entwicklungszielen Klimaschutz, Ernährungssicherung und Erhaltung der Artenvielfalt. Ihn gilt es, in der UN-Dekade im politischen Handeln zu verankern

Die Autorin ist Projektleiterin des "Konventionsprojekt Desertifikationsbekämpfung" bei der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) GmbH. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung der Autorin wieder.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2010, S. 33-34
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Januar 2011