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ENERGIE/020: Ägypten - Sonnenreiches Land will Solarenergie ausbauen, Kosten noch zu hoch (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. Juni 2011

Ägypten: Sonnenreiches Land will Solarenergie ausbauen - Kosten noch zu hoch

Von Bibi-Aisha Wadvalla


Kairo, 27. Juni (IPS) - Vor mehr als 1.000 Jahren huldigten die alten Ägypter dem Sonnengott Ra. Doch erst Jahrhunderte später lernen ihre Nachfahren die Sonne als Energielieferant zu schätzen. Nach dem jüngsten Volksaufstand kommt nun langsam Bewegung in den Solarkraftsektor des nordafrikanischen Landes.

Wenn sich in Kairo die Temperaturen auf 36 Grad Celsius im Schatten einpendeln, laufen Klimaanlagen und Ventilatoren auf Hochtouren. Dann kommt es vor, dass das nationale Elektrizitätsnetz an seine Grenzen stößt und die Energieversorgung zusammenbricht. Im letzten Sommer, als der Stromverbrauch gegenüber 2009 um 2.600 Megawatt beziehungsweise 13,5 Prozent anstieg, war das sogar öfter der Fall.

Zeit, um sich nach alternativen Energiequellen umzusehen. 100 Kilometer südlich von Kairo steht Ägyptens erste Solaranlage. Das Kuraymat-Kraftwerk ist im Grunde ein Hybrid, das 20 Megawatt Solarenergie und 100 Megawatt Strom aus Erdgas produzieren soll. Ursprünglich sollte die Anlage im Dezember 2010 ihren Betrieb aufnehmen. Der Termin musste jedoch mehrfach verschoben werden.

Auch die Revolution vom 25. Januar sorgte dafür, dass sich der Projektstart immer weiter verschob. "Wir mussten die Arbeiten einstellen, weil unsere ausländischen Projektpartner unser Land verließen", berichtet Khaled Fekry, Forschungs- und Entwicklungsdirektor der staatlichen Behörde für neue und erneuerbare Energien (NREA). Die deutschen Unternehmen Ferrostaal und Flagsol, eine Niederlassung von Solar Millenium, liefern die Technologie. Kuraymat soll nun ab Juli Strom produzieren.


Großprojekte in Planung

In Kom Ombo nahe der Stadt Assuan soll eine 100-Megawatt-Anlage bis spätestens 2017 fertiggestellt sein. Geplant sind ferner eine 200-Megawatt- und eine 1.000-Megawattanlage, die Strom für die Industrie generieren sollen. Die Kraftwerke sind Teil eines ehrgeizigen Plans, bis 2020 ein Fünftel des nationalen Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen zu speisen. Fekry ist zuversichtlich, dass sich das Ziel erreichen lässt und Solarkraft sogar ein Drittel oder 7.200 Megawatt Strom generieren wird.

Während die Großprojekte bisher keinen Einfluss auf das Leben der Bevölkerung nehmen, konnten einige kleinere Vorhaben den Alltag zumindest einiger Menschen wesentlich verbessern. So brachte ein Projekt von NREA und dem italienischen Umweltministerium Licht in die Westliche Wüste. In den vom nationalen Elektrizitätsnetz abgeschnittenen Dörfern Ain Zahra und Umm al Saghir verfügen seit Dezember letzten Jahres die Wohnhäuser, Schulen, Moscheen und Krankenhäuser über Strom. NREA-Ingenieure sind vor Ort, um die Dorfbewohner mit Betrieb und Wartung der Anlagen vertraut zu machen. Seit dem Start der Initiative hat es noch keine Beschwerden gegeben.

Nach Ansicht von Mohab Hallouda, Energieexperte des Ägypten-Büros der Weltbank, ist die Photovoltaik gerade für die entlegenen Gebiete eine viel versprechende Alternative zu herkömmlichen Energieträgern. Allerdings müssten die Kosten der Technologie noch drastisch reduziert werden, betonte er.


Kleinprojekte mit großer Wirkung

Fernab von der Bürokratie der staatlich geförderten Solarprojekte verhilft SolarCITIES in den Kairoer Armenvierteln Darb el Ahmar und Manshiet Nasser den Menschen zum Zugang zu Energie. Hier, wo sich renovierungsbedürftige Häuser dicht aneinanderdrängen und Autos, Menschen und Tiere durch die engen Gassen drängen, verwenden die Menschen zum Kochen und Heizen Kerosinöfen, die vor allem im Winter immer wieder Unfälle auslösen.

Mustafa Hussein ist in Darb el Ahmar zu Hause. Er ist einer der ersten der Ortschaft, der sich auf das von Thomas Culhane gegründete Projekt SolarCITIES eingelassen hat und für das Konzept in seiner Nachbarschaft die Werbetrommel rührt. Mit 25.000 Dollar der US-Entwicklungsagentur USAID konnten 35 Solareinheiten auf den lokalen Häuserdächern installiert werden.

Amm Hassain gehörte zu den ersten, auf dessen Haus Solarpanelen angebracht wurde. Seither muss die Familie ihr Badewasser nicht länger umständlich auf einem Kerosinkocher erhitzen. 200 Liter heißes Wasser stehen der Familie pro Tag zur Verfügung. Die Menge reicht bequem für zehn Personen. Auf dem Dach installiert wurde ferner ein 200-Liter-Tank, der das Regenwasser auffängt. So verfügt die Familie auch dann noch über eine eiserne Wasserreserve, wenn in Trockenzeiten die Wasserversorgung unterbrochen wird.

Mustafa Hussein weiß um den Wert solcher Projekte. "Hier wird die Gemeinde direkt eingebunden. Die offiziellen Energieprojekte sind für uns außer Reichweite." Doch ohne neue Finanzierungsquellen kann SolarCITIES nicht wachsen. Mit einem Durchschnittseinkommen von jährlich 610 US-Dollar im Jahr in den entlegenen Gebieten sind die Anschaffungskosten für eine kleine Photovoltaikanlage in Höhe von 678 Dollar unerschwinglich.

Hussein ist dennoch vom Siegeszug der Solarkraft überzeugt. Nur noch wenige Jahre und spätestens dann sei allen Ägyptern klar, dass ein Umschwenken auf Sonnenkraft dringend erforderlich sei. "Wir werden immer mehr Stromunterbrechungen erleben", warnt der Experte. Der Bedarf an Solarkraft werde steigen.


Subventionen gefordert

Fekry zufolge wäre Ägypten am besten beraten, wenn es den tunesischen Weg gehen würde. Dort subventioniert die Regierung Solarwassererhitzer und vergibt zinsgünstige Darlehen für den Umstieg auf erneuerbare Energien.

Doch für den Energiesektor müssen neue Regeln gelten, will die Regierung der Solarkraft zum Durchbruch verhelfen. Trotz auslaufender Gassubventionen sind fossile Brennstoffe nach wie vor die preiswerteste Alternative, und ohne Wettbewerb werden sich die Kosten für Sonnenenergieprojekte kaum verringern.

Kuraymat kostet 360 Millionen Dollar und für die Anlage in Kom Ombo werden 270 Millionen Dollar veranschlagt. Die ägyptische Regierung will bis 2027 die Stromproduktionskapazitäten der Anlagen verdreifachen. Dafür sind zwischen 100 und 120 Milliarden Dollar vorgesehen.

Fekry zufolge sind es vor allem die Steuern auf importierte Solarkomponenten, die den Preis für den Energieträger Sonne in die Höhe treiben. Um den Sektor ausbauen zu können, seien zudem zusätzliche Finanzmittel erforderlich, unterstreicht er. "Ausländische Investoren sollten jetzt in Ägypten investieren und nicht warten, bis sich das Land stabilisiert hat." (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2011