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ENERGIE/079: Bioenergie-Potenziale in Ostafrika (spektrum - Uni Bayreuth)


spektrum - Universität Bayreuth
10. Jahrgang · Ausgabe 2 · November 2014

Bioenergie-Potenziale in Ostafrika
Entwicklungsgeographische Perspektiven künftiger Energieversorgung

Von Fabian Schwarz


Entwicklung braucht Energie. Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen dem Fehlen von Energiedienstleistungen und vielen Armutsindikatoren, wie Analphabetismus, Kindersterblichkeit und Lebenserwartung. Dieser Zusammenhang ist anerkannt und unbestritten. Er macht die Bereitstellung einer flächendeckenden Energieversorgung in den Ländern des Südens notwendig, damit die Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen erreicht werden können. Eine flächendeckende Energieversorgung, wie sie in Europa selbstverständlich ist, ist in weiten Teilen Subsahara-Afrikas nicht vorhanden. In vielen Staaten werden nur die städtischen Zentren mit Elektrizität versorgt. Besonders in ländlichen Räumen ist der nicht vorhandene Zugang zu nationalen Stromnetzen ein zentrales Entwicklungshemmnis. Dies schwächt die wirtschaftliche Entwicklung und verstärkt die Migrationstendenzen arbeitssuchender Menschen in die Städte. Die schon bestehenden räumlichen Disparitäten zwischen Stadt und Land werden dadurch in vielen Regionen verschärft.

Der Bedarf an Energie und Treibstoffen steigt stetig an. Neben technologischem Fortschritt, Urbanisierung und einer anspruchsvollen, schnell wachsenden Mittelschicht sind dafür vor allem zwei Faktoren ausschlaggebend; das wirtschaftliche Wachstum und die stark wachsende Bevölkerung des Kontinents. Der Internationale Währungsfonds (IWF) geht von einem durchschnittlichen wirtschaftlichen Wachstum von 5,5 Prozent für das Jahr 2014 im subsaharischen Afrika aus. Gleichzeitig liegt das durchschnittliche Bevölkerungswachstum bei 2,7 Prozent. Trotz ihres Reichtums an fossilen Rohstoffen sind viele Staaten bisher auf den Import von Erdgas, Erdöl und bereits raffinierten Treibstoffen angewiesen.

Diese Abhängigkeit der Energieversorgung vom internationalen Rohstoffmarkt und den erdölexportierenden Ländern macht die Staaten anfällig für schwankende Energiepreise. Daher versuchen viele Regierungen nationale Energiepotenziale in Wert zu setzen, um ihren Bedarf zu decken. Dafür ist der Ausbau der Infrastruktur, der Bau von Kraftwerken, Stromnetzen und Raffinerien sowie die Erschließung neuer Erdgas- und Erdölvorkommen notwendig. Doch allein auf die fossilen Energiepotenziale zu setzen, ist in den vom Klimawandel stark betroffenen Ländern keine vernünftige Alternative, zumal viele Staaten in Subsahara-Afrika auch ein enormes Potenzial im Bereich der erneuerbaren Energien besitzen. Der Ausbau von Wasser- und Windkraft, Solarenergie und Geothermie sowie die Energiegewinnung aus Biomasse wurden daher in vielen Staaten als wichtiger Bestandteil nationaler Energiepolitik formuliert und mit sehr ambitionierten Zielen verknüpft.

Vor allem die Energiegewinnung aus agrarischen Reststoffen ist vielversprechend. Denn dadurch können vorhandene Potenziale genutzt werden, ohne dass daraus negative soziale oder ökologische Auswirkungen resultieren.


Energieversorgung in Tansania und Uganda

Konkrete Beispiele lassen sich u.a. in Tansania und Uganda finden. Beide Staaten haben aktuell ein Bevölkerungswachstum von über 3 Prozent, ihre Einwohnerzahl wird sich bei gleichbleibendem Wachstum in weniger als 25 Jahren verdoppelt haben. Das wirtschaftliche Wachstum, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, liegt in beiden Staaten deutlich über dem durchschnittlichen Wachstum in Subsahara-Afrika (Abb. 1). Die Versorgung mit Elektrizität aus dem nationalen Stromnetz ist in Tansania und Uganda auf die städtischen Zentren konzentriert. In den ländlichen Regionen haben mehr als 90 Prozent der Bewohner keinen Zugang zu Strom. In beiden Staaten arbeitet der größte Teil der Bevölkerung in der Landwirtschaft. Die Landwirtschaft ist geprägt von kleinbäuerlichem Anbau, der hauptsächlich auf die Selbstversorgung ausgerichtet ist. Daneben gibt es wenige marktorientierte Großbetriebe, die Flächen von mehreren tausend Hektar bewirtschaften. Auf diesen großen Farmen werden vor allem Cash Crops wie Reis, Mais, Zuckerrohr, Ölpalmen oder Sisal angebaut. Beim Anbau und dessen Weiterverarbeitung fallen verschiedene energiereiche Nebenprodukte an. Diese "Abfallprodukte" wie Maiskolben, Reishülsen (Abb. 2) oder Molasse und Bagasse (Abb. 3) eignen sich sehr gut für die Erzeugung von Elektrizität oder Treibstoff.


Abb. 1 und Tabelle 1: Bevölkerungsentwicklung und Zugang zu Elektrizität in Tansania und Uganda (Daten: REA 2014, UNEP 2013, The World Bank 2013, eigene Daten, alle Werte für 2013.)

Tansania
Uganda
Einwohnerzahl
Bevölkerungswachstum (pro Jahr)
Wirtschaftswachstum (pro Jahr)
Zugang zu Elektrizität
Zugang zu Elektrizität
in ländlichen Gebieten
49,25 Mio.
3,1 %
7,0 %
15 %
5-6%

37,58 Mio.
3,5 %
6,0 %
24 %
7%


Politisch haben sich beide Staaten hohe Ziele gesetzt. Tansania möchte den Beitrag erneuerbarer Energien von 4 Prozent im Jahr 2011 auf 10 Prozent bis zum Jahr 2016 steigern. Uganda hat noch ambitioniertere Ziele ausgegeben: 2007 lag der Beitrag erneuerbarer Energien bei 4 Prozent; bis 2017 soll er auf 61 Prozent ansteigen. Beide Ziele werden nicht erreicht werden. Warum dies trotz politischer Willensbekundungen und des enormen Potenzials in den letzten Jahren nicht gelungen ist, soll im Folgenden näher untersucht werden.

"Viele Staaten in Subsahara-Afrika haben ein enormes Potenzial im Bereich der erneuerbaren Energien."


Zuckerindustrie - eine Grundlage für die Bioenergie-Erzeugung

Die Zuckerindustrie ist in Tansania und Uganda traditionell der flächenmäßig bedeutendste Cash Crop Produzent. Allein die sieben größten Plantagen mit ihren zugehörigen Vertragsbauern bauen Zuckerrohr auf einer Fläche von mehr als 110.000 ha an. Dies entspricht mehr als der doppelten Fläche des Bodensees. Während der Verarbeitung von Zuckerrohr fallen zwei wesentliche energetische Nebenprodukte an, Bagasse und Molasse.

Nach der Ernte werden die Zuckerrohrstangen in eine Presse geworfen, um den zuckerhaltigen Saft zu extrahieren. Die feste Biomasse, die nach diesem Prozess übrig bleibt, wird als Bagasse bezeichnet. Sie wird in den Zuckerrohrfabriken als Brennstoff für die zur Weiterverarbeitung benötigte Wärme und Elektrizität verwendet. Unter modernen Produktionsbedingungen werden dabei etwa 40 Prozent für den eigenen Betrieb benötigt, die restliche Energie kann in das nationale Stromnetz exportiert werden.

Der zweite hoch energetische Reststoff, der bei der Zuckerproduktion anfällt, ist Molasse. Molasse ist die übrigbleibende flüssige Biomasse nach der Extraktion des Zuckers. Sie kann zu verschiedenen Produkten weiterverarbeitet werden, u.a. auch zu Ethanol, das dann als Treibstoffbeimischung in Ottomotoren verwendet werden kann. In Deutschland werden dem normalen Super-Benzin (E5) 5 Prozent Ethanol beigemischt; E10 besteht aus einem Benzin-Alkoholgemisch im Verhältnis von 90:10. In Brasilien, dem weltgrößten Zuckerrohrproduzenten, hatte Ethanol in den letzten 5 Jahren einen Anteil von 30 bis 50 Prozent des Gesamtverbrauchs. Dies liegt auch daran, dass viele Motoren moderner Fahrzeuge in Brasilien einen deutlich höheren Anteil von Ethanol (E85) in ihrem Treibstoff vertragen.

Selbst durch eine geringe Beimischung von 5 bis 10 Prozent Ethanol würden die Importkosten für Treibstoff deutlich verringert und gleichzeitig nationale Wirtschaftskreisläufe gestärkt werden. In Tansania und Uganda bleibt dieses Potenzial bisher ungenutzt. Trotz des in beiden Staaten bekundeten politischen Willens ist bisher kein Gesetz, das die Beimischung von Ethanol regelt, verabschiedet worden. Ähnlich verhält es sich mit dem Export von Elektrizität. Mit einer Ausnahme wird das Potenzial zur Erzeugung von Elektrizität bisher nicht oder nur marginal genutzt. Diese Ausnahme ist Kakira Sugar, der größte Zuckerproduzent Ugandas. Kakira Sugar produziert 52 Megawatt Elektrizität. Davon werden 20 Megawatt zum Betrieb der eigenen Zuckerfabrik verbraucht, die überschüssigen 32 Megawatt werden in das nationale Stromnetz exportiert. Allein dieser Export entspricht etwa 4 Prozent der Elektrizität, die insgesamt durch das nationale Stromnetz zur Verfügung gestellt wird, und verdeutlicht das enorme Potenzial der Nutzung von Reststoffen.


Hindernisse für eine verstärkte Nutzung von Biomasse

Warum haben sich diese Technologien bisher kaum durchsetzen können? Forschungsergebnisse zeigen, dass die Technologien selbst keine Barriere darstellen, da sie weitverbreitet und in anderen Staaten wie Mauritius, Indien oder Brasilien seit Jahrzehnten erfolgreich eingesetzt werden. Die Ursachen liegen in dem schleppenden Gesetzgebungsprozess, der den Export von Elektrizität in die nationalen Stromnetze durch Privatfirmen nicht detailliert genug regelt. Darüber hinaus müsste die Regierung durch garantierte Abnahmepreise pro kW/h Investitionssicherheit für die Unternehmen schaffen. Die Gesetzgebungsverfahren für die Beimischung von Ethanol werden in beiden Staaten durch eine starke Lobby der Öl- und Treibstoffimporteure, die Gewinneinbußen durch die Beimischung von Ethanol befürchten, blockiert.

Es gibt aber auch Biomassetechnologie, die in weit kleinerem Maßstab geeignet und wirtschaftlich tragfähig ist, um in ländlichen Regionen Elektrizität zu erzeugen. Eine Technologie, die für die Bedingungen in Tansania und Uganda geeignet ist, ist der Einsatz von Holzvergasern (Abb. 4). Diese ermöglichen die Verstromung von fester Biomasse wie Reishülsen oder leeren Maiskolben, die in großen Mengen anfallen und bei den Kleinbauern keiner weiteren Nutzung zukommen. Besonders in entlegenen Regionen, in denen kein Zugang zum nationalen Stromnetz besteht, kann so nicht nur der teure Diesel für den Betrieb der Generatoren an den Mais- oder Reismühlen ersetzt werden. Es kann darüber hinaus auch ein "mini grid" - ein kleines dezentrales Stromnetz - für mehrere hundert Haushalte betrieben werden.

Trotz ihres erheblichen Einsparpotenzials gegenüber den Dieselgeneratoren setzt sich diese Technologie nur langsam durch. Für kleine Unternehmen, die in beiden Staaten diese Technologie einzuführen versuchen, gilt es viele Barrieren zu überwinden. Auch hier sind es weniger die technologischen Barrieren, die einen Erfolg der Holzvergaser verhindern. Hauptproblem der kleineren Unternehmen ist die Finanzierung. Auch wenn sich diese Kleinstkraftwerke innerhalb weniger Jahre amortisieren und verhältnismäßig kleine Beträge für deren Anschaffung nötig sind, sind der Zugang zu Krediten und hohe Zinsen (häufig mehr als 20 Prozent jährlich) die Hauptbarrieren. Auch Korruption innerhalb von Behörden und im Zoll bereitet Unternehmern, die nicht bereit sind Bestechungsgelder zu zahlen, erhebliche Schwierigkeiten.

Bisher wird im subsaharischen Afrika ein sehr geringer Prozentsatz des zur Verfügung stehenden Biomasse-Potenzials für die Energieerzeugung genutzt. Institutionelle Rahmenbedingungen, Finanzierung, Gesetzgebung und Korruption, sowie die Lobby der Erdölimporteure verhindern einen schnelleren Erfolg von Biomassetechnologien. Diese Barrieren müssen schrittweise abgebaut werden, damit eine nachhaltige Energieversorgung unter Nutzung heimischer Ressourcen möglich wird.


Autor

Fabian Schwarz, M.A., arbeitet am Lehrstuhl für Geographische Entwicklungsforschung der Universität Bayreuth. Er ist Doktorand der Bayreuth International Graduate School of African Studies (BIGSAS) und untersucht in seiner Dissertation die Erzeugung und Nutzung von Bioenergien in Tansania und Uganda.


Literaturhinweise

• Johnson, Francis X. & Seebaluck, Vikram (eds.) (2013), Bioenergy for Sustainable Development and International Competitiveness: The Role of Sugar Cane in Africa. Routledge

• Mitchell, Donald. 2011: Biofuels in Africa: Opportunities, Prospects, and Challenges. New York

• Tenenbaum, Bernard et al. (2013), From the Bottom Up: How Small Power Producers and Mini-Grids Can Deliver Electrification and Renewable Energy in Africa. New York


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. 2: Reishülsen einer Reismühle, Mngeta, Tansania
Abb. 3: Bagasse einer Zuckerfabrik, Moshi, Tansania
Abb. 4: 32 kW-Holzvergaser in Tiribogo, Uganda


Sie finden das Magazin als PDF-Datei mit Abbildungen unter:
http://www.uni-bayreuth.de/presse/spektrum/spektrum-pdf/ausgabe_02_14.pdf

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Quelle:
spektrum - Magazin der Universität Bayreuth
Ausgabe 2, November 2014, S. 50 - 53
Herausgeber: Universität Bayreuth
Stabsstelle Presse, Marketing und Kommunikation
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Telefon: 0921/55-53 56, -53 24, Fax: 0921/55-53 25
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2015

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