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ENERGIE/092: Fahren und fliegen mit Palmöl? (ROBIN WOOD magazin)


ROBIN WOOD magazin - Nr. 138/3.2018

Tropenwald
Fahren und fliegen mit Palmöl?

von Tina Lutz


Die Hoffnungen auf ein schnelles Aus für Palmöldiesel auf EU-Ebene wurden bitter enttäuscht. Statt bereits 2021, wie vom EU-Parlament gefordert, soll klimaschädlicher Diesel aus Palmöl nun erst 2030 vollständig aus den europäischen Autotanks verbannt werden. Neun zusätzliche Jahre, in denen weiter Tropenwald gerodet, das Klima angeheizt und Menschen ihrer Landrechte beraubt werden. ROBIN WOOD fordert die nationalen Regierungen auf, sich für ein schnelleres Ende in den einzelnen Mitgliedstaaten einzusetzen.


Die Verwendung von Palmöl als Kraftstoff ist ein Haupttreiber der Entwaldung in Südostasien. Besonders viel Palmöl landet in europäischen Autotanks. Seit Einführung der EU-Beimischungsquote in 2009 hat sich der Einsatz von Palmölkraftstoffen von 825.000 Tonnen auf 3,9 Mio. Tonnen in 2017 beinahe verfünffacht. Während sich die öffentliche Diskussion in den vergangenen Jahren vor allem auf die Verwendung von Palmöl in Lebensmitteln und Reinigungsmitteln konzentrierte, hat die verfehlte EU-Biokraftstoffpolitik dafür gesorgt, dass mittlerweile mehr als 50 Prozent des in die EU importierten Palmöls im Tank landet. Auch global gesehen ist der Palmöl-Hunger europäischer Kraftfahrzeuge enorm. Mittlerweile landet mehr als 16-mal so viel Palmöl in EU-Tanks als Unilever weltweit in seinen Lebensmitteln verarbeitet.

Das dafür verwendete Palmöl stammt größtenteils aus Indonesien und Malaysia, wo riesige Waldflächen den Ölplantagen weichen müssen. Die Entwaldungen betreffen dabei zunehmend auch bisher noch relativ intakte Waldgebiete, wie zum Beispiel in der indonesischen Region Papua, dem westlichen Teil der Insel Neuguinea. Die Entwaldung dort passiert zum großen Teil ganz legal. Fast 50 Unternehmen erhielten staatliche Konzessionen für Ölplantagen. Manche dieser Flächen sind größer als der Stadtstaat Bremen.

Die massive Förderung von Biokraftstoffen und damit auch von Palmöldiesel basierte auf der völlig falschen Annahme, dass Biokraftstoffe eine bessere Öko- und Klimabilanz hätten als fossile Kraftstoffe, weil es sich dabei um nachwachsende Rohstoffe handelt. Zudem wurden sie von Anfang an als kostengünstigere Alternative zu wirkungsvollen Klimaschutzmaßnahmen, wie etwa verbrauchsärmere Fahrzeuge, von der Autoindustrie und autofreundlichen Regierungen in der EU hofiert. Außen vorgelassen wird dabei die Tatsache, dass insbesondere für Agrokraftstoffe neue Flächen erschlossen werden müssen. Diese Flächen, egal ob es sich dabei um Wald oder Wiese handelt, speichern deutlich mehr Treibhausgase als eine Ackerfläche mit Pflanzen für die Kraftstoffproduktion. Das führt dazu, dass praktisch alle Biokraftstoffe aus Feldfrüchten eine schlechtere Klimabilanz aufweisen als fossile Kraftstoffe. Für Palmöl, das meist auf ehemaligen Waldflächen, oft auch auf besonders kohlenstoffreichen Torfböden angebaut wird, ist sie sogar dreimal schlechter. Viel zu langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass die Treibhausgasemissionen durch Landnutzungsveränderungen in die Ökobilanz von Kraftstoffen eingerechnet werden müssen.

Mittlerweile stecken durchschnittlich rund 1,3 Liter Palmöl in jedem EU-Dieseltank. Da Biokraftstoffe beigemischt werden müssen, haben Autofahrer*innen keine Wahl. Nur langsam wird ihnen bewusst, dass sie mit jeder Füllung ihres Dieseltanks auch ein Stück Regenwald durch ihren Tank jagen.

Umweltbewusste Akteure aus Politik und Wissenschaft bemühen sich daher seit langem, die europäische Förderpolitik für Agrokraftstoffe zu korrigieren. Der Zielwert für die Beimischung wurde in den letzten Jahren mehrmals nach unten korrigiert. Anfang des Jahres schien es fast so, als könnte die Umweltbewegung zumindest für den besonders klimaschädlichen Palmöldiesel ein baldiges Aus bewirken. Das EU-Parlament hatte beschlossen, den Einsatz von Palmölkraftstoffen bis 2021 zu unterbinden.

Leider erfolgte darauf bald ein Rückschritt, denn der Beschluss löste eine beispiellose Lobby-Kampagne der beiden wichtigsten palmölproduzierenden Länder, Indonesien und Malaysia, aus. Indonesien drohte, künftig keine Flugzeuge des europäischen Produzenten Airbus mehr zu erwerben. Außerdem wurden Sanktionen seitens der Welthandelsorganisation (WTO) befürchtet, da ein einseitiges Verbot von Palmöl klar den Wettbewerbsregeln widersprechen würde.

Schließlich setzten sich in den Verhandlungen von EU-Parlament, -Kommission und -Mitgliedstaaten die Kritiker*innen eines baldigen Palmölverbots durch. Das endgültige Aus von Palmöldiesel auf EU-Ebene soll nun erst 2030 kommen.

Die EU hat enttäuscht. Jetzt sind die Mitgliedstaaten gefragt. Mit klimaschutzpolitischen Begründungen ließe sich auch in Deutschland ein schnelles Ende von Palmöldiesel begründen. Und der EU-Kompromiss lässt noch eine andere Tür für die Reduzierung von Palmöldiesel offen: Derzeit müssen sieben Prozent der Kraftstoffe aus Agrokraftstoffen (zum Beispiel Raps-, Sonnenblumen-, Sojaöl) bestehen. Da diese Zielquote nun 2020 entfällt, könnten die Mitgliedstaaten den Agrokraftstoffanteil insgesamt senken. Zwar ist dann mit Widerstand auch aus der Rapslobby zu rechnen, aber Agrokraftstoffe sind keine bessere Alternative zu fossilen Kraftstoffen und haben im Tank nichts verloren!

All diese Diskussionen lenken nur vom einzig möglichen Weg ab, wie Mobilität in Zukunft nachhaltig gestaltet werden muss, nämlich mit einer Kombination aus Verkehrsvermeidung, Verringerung des individuell-motorisierten Verkehrs, mit besseren öffentlichen Verkehrssystemen und der Nutzung hoch effizienter Fahrzeuge. Die Palmölbefürworter haben sich mit dem EU-Kompromiss erfolgreich Zeit erkauft. Aber auch ihnen ist klar, dass Palmöl auf lange Sicht aus den EU-Tanks verschwinden wird. Sie sind deshalb bereits hektisch bemüht, neue Absatzmärkte zu erschließen. Neben der gezielten Förderung von Palmölkraftstoffen beispielsweise in Indonesien, haben sie bereits vor einigen Jahren den Flugverkehr als Einsatzfeld von Palmöl ins Visier genommen.

Da kommen die Pläne der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO, einer Sonderorganisation der UN), der rasend schnell wachsenden Luftfahrtindustrie mit dem Einsatz von Biokraftstoffen ein grünes Image zu verpassen, gerade recht. Aufgrund der Weltmarktpreise und der physikalischen Eigenschaften kommt bisher vor allem Palmöltreibstoff als Biokraftstoff für die Luftfahrt in Frage. Das heißt: Biokraftstoffe in der Luftfahrt wären fast ausschließlich aus Palmöl. Eine Katastrophe für das Klima und die Tropenwälder Asiens.

Bis 2050 plante die ICAO 40 Prozent des Flugbenzins durch Biodiesel zu ersetzen. Durch den vereinten Protest von ROBIN WOOD mit anderen Umwelt- und Entwicklungsverbänden konnte zumindest die Festschreibung dieses Ziels abgewendet werden. Diesen Herbst sollen Standards für den Einsatz von Biokraftstoffen im Luftverkehr formuliert werden. Bisher deutet jedoch nichts darauf hin, dass damit das massenhafte Verheizen von Tropenwald in Flugzeugtanks verhindert wird. Die deutsche Regierung müsste sich nun vehement für den Kimaschutz einsetzen und damit gegen die Bemühungen der internationalen Luftfahrt, Klimaschutzziele mit Biokraftstoffen erreichen zu wollen. Agrokraftstoffe gehören weder in den Auto- noch in den Flugzeugtank!

Biotreibstoffe sind der Versuch, einer Industrie ein grünes Mäntelchen umzuhängen, deren Emissionen am schnellsten wachsen. Das ist Betrug an den Konsument*innen und gefährlich für die gesamte Weltbevölkerung. Nur mit weniger Flugverkehr haben wir eine Chance, das 1,5 Grad-Ziel von Paris zu erreichen.


Tina Lutz, Hamburg, Tropenwaldreferentin ROBIN WOOD

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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 138/3.2018, Seite 32 - 34
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
Verlag:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2018

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