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FRAGEN/001: Interview mit dem Gründer der Welttoilettenorganisation, Jack Sim (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. Dezember 2012

Entwicklung: Feldzug für sanitäre Grundversorgung - Interview mit Gründer der Welttoilettenorganisation

von Fatima Asmal-Motala


Der Gründer der Welttoilettenorganisation Jack Sim - Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von 'Meropa Communications'

Der Gründer der Welttoilettenorganisation Jack Sim
Bild: © Mit freundlicher Genehmigung von 'Meropa Communications'

Durban, Südafrika, 12. Dezember (IPS) - Als der Gründer der Welttoilettenorganisation, Jack Sim, 40 Jahre alt wurde, verspürte er den Drang, den Rest seines Lebens mit einer sinnvollen Beschäftigung zuzubringen. "Stellen Sie sich einen Menschen vor, der in diese Welt hineingeboren wird und sich dann sein ganzes Leben lang um die eigene Achse dreht. Wenn dieser Mensch stirbt, tritt er aus einem Leben, das bedeutungslos war. Warum dann die Mühe, auf die Welt zu kommen?"

Als erfolgreicher Geschäftsmann wandte sich Sim einem stark vernachlässigten Bereich zu: der sanitären Grundversorgung. In seiner Heimat Singapur habe sich kaum jemand mit dem Thema Toiletten beschäftigt. "Ich erkannte, dass dies eigentlich auf der ganzen Welt so war. Die Leute schämen sich. Wir haben das Tabu gebrochen und dem Thema in zwölf Jahren effizienter Lobby-Arbeit Legitimation verschafft", sagte er im Interview mit IPS. Es folgen Auszüge aus dem Gespräch.

IPS: Warum sind gute sanitäre Anlagen so wichtig?

Jack Sim: Um ein Land wachsen zu lassen, braucht man gesunde Menschen. Es ist besser, zu verhindern, dass sie krank werden, als sie später behandeln zu müssen. Toiletten sind das preiswerteste Vorbeugungsmittel der Welt.

Saubere Sanitäranlagen und Händewaschen mit Seife können die Ansteckung mit Krankheiten um 50 bis 80 Prozent senken. Durchfall, Wurmbefall und andere Krankheiten werden vor allem durch Keime verursacht, die in Fäkalien siedeln. Sie werden über Finger, Füße, Fliegen und Flüssigkeiten übertragen. Wenn man diese Kette unterbrechen kann, bleiben die Menschen gesund.

Wir brauchen Toiletten in Innenräumen, in die keine Fliegen hineinkommen und die nicht vom Regen weggespült werden. Außerdem benötigen wir einen Ort, an dem man sich die Hände waschen kann. Um dies zu erreichen, brauchen wir Bildung und das Bewusstsein, zu was eine gute Toilette zunutze ist. Wenn dies eine Mode ist, werden die Menschen ihr folgen.

Toiletten brauchen auch Eigentümer, ansonsten werden sie bald nicht mehr zu benutzen sein. Wenn jemand eine Toilette kauft, fühlt er sich als ihr Besitzer. Wenn er sie nicht besitzt, muss sein Sinn für Eigentum kultiviert werden. Menschen müssen darin ausgebildet werden, Toiletten sauber zu halten und sie zu bewachen.

Ohne Toiletten werden die Menschen unglücklich und krank. Infolgedessen sinken Produktivität und Einkommen. Krankheiten erfordern dann Ausgaben, und dies kann einen Kreislauf der Armut schaffen, der zum politischen Problem wird. Gute sanitäre Anlagen können diese Zeitbomben entschärfen.

IPS: Welcher Fortschritt bei der Hygiene ist in Afrika erreicht worden?

Sim: Die gute Nachricht besteht darin, dass Afrika gerade eine der friedlichsten Perioden in der jüngeren Geschichte erlebt. Deswegen verläuft das Wirtschaftswachstum schneller als selbst in Asien. Wenn die Menschen etwas mehr Geld haben, steigen die Erwartungen. Damit entsteht auch eine erhöhte Nachfrage nach Toiletten.

In Afrika hat es einige Fortschritte bei der Förderung der Hygiene auf lokaler Ebene gegeben. Die Menschen werden dazu ermutigt, Löcher zu graben und damit eigene rudimentäre Toiletten anzulegen. Dadurch sehen sie rasch ein, wie wichtig eine saubere Toilette ist. Sie graben ein Loch und suchen einen bestimmten Platz auf, um ihr Geschäft zu verrichten. Das ist bereits ein deutlicher Verhaltenswandel. Sie sind diszipliniert und verspüren das Bedürfnis nach Privatsphäre.

In der ersten Phase geht man zu einem bestimmten Ort, defäkiert und bedeckt dann das Loch. Das ist zwar sehr rudimentär, aber besser als dort zu sein, wo sich Frauen belästigt fühlen könnten. In einer zweiten Phase werden die Menschen dazu ermutigt, sich Toiletten zu kaufen, die zwischen 50 und 100 US-Dollar kosten. Sobald sie sie besitzen, regt sich Neid und Vergleiche werden angestellt. Niemand will, dass andere auf ihn herabsehen.

IPS: Wie groß ist die Nachfrage zurzeit in Afrika?

Sim: Wir müssen erreichen, dass die Toilette auf der Liste der persönlichen Prioritäten höher rückt, etwa auf den Rang eines Mobiltelefons. Für die meisten Menschen auf dem Kontinent ist es am wichtigsten, einen Fernseher und ein Handy zu besitzen. Wir müssen dafür sorgen, dass eine eigene Toilette zum Trend wird und die Nachricht verbreiten, dass man ansonsten wie ein Tier lebt. Denn das wollen sich die Menschen nicht nachsagen lassen.

IPS: Wie leicht erhält in Afrika jemand Zugang zu einer Toilette?

Sim: Toiletten müssen entweder von der Regierungen bereitgestellt werden oder so preisgünstig sein, dass die Menschen sie kaufen können. Man braucht eine sichere Hygiene und Reinigungspersonal, das auch mit der Technik vertraut gemacht wird. Und wir müssen die Allgemeinheit dazu erziehen, Toiletten in einem sauberen Zustand zu erhalten. Es sind also Anstrengungen seitens der Bevölkerung, der Regierung und des privaten Sektors nötig.

IPS: Hat es auch in Südafrika einen Fortschritt gegeben?

Sim: Nur wenig. Die Zunahme der Elendsviertel schafft viele Probleme, nicht nur bei der Beschaffung von Toiletten, sondern auch bei ihrer Aufstellung. Man kann keine ständige Einrichtung auf illegal bewohntem Land schaffen. Und trotzdem brauchen die Menschen Toiletten. Wir brauchen politische Reformen, die dafür sorgen, dass es ständige Toiletten geben kann.

Was nützen schon mobile Toiletten? Manchmal sind sie so weit entfernt, dass es für die Leute unbequem wird und sie also wieder im Freien ihr Geschäft verrichten. Sie könnten sich außerdem die Frage stellen, warum sie Toiletten benutzen sollten, die schlecht gewartet werden, schmutzig sind und stinken.

Die Regierung ist bei der Bereitstellung nicht schnell genug. Ich denke aber, dass sie daran Interesse hat, das Programm beschleunigt voranzutreiben, weil sie weiß, dass die Bevölkerung nicht krank werden darf.

IPS: Inwieweit trägt die Welttoilettenorganisation dazu bei, die Hygiene in Afrika zu verbessern?

Sim: In Partnerschaft mit dem Konzern 'Unilever' haben wir eine Akademie ins Leben gerufen. Wir gehen in die Schulen und ermuntern die Kinder, früher als bisher Toiletten zu benutzen. Wenn sie in der Schule auf die Toilette gehen, werden sie das auch zu Hause tun wollen.

Der Nachschub an Toiletten in Afrika hat mit der Nachfrage nicht Schritt gehalten. Die Akademie wird die Leute darin ausbilden, in kleinen Fabriken Toiletten herzustellen. Dadurch werden sie zu Unternehmern, die bezahlbare Toiletten an ihre Nachbarn verkaufen und daran verdienen.

In Kambodscha sind wir gut vorangekommen. In drei Jahren wurden dort 24.000 Toiletten produziert, die den Verkäufern etwa 48.000 Dollar einbrachten. Wir freuen uns auf den Tag, an dem jeder Mensch jederzeit Zugang zu einer sauberen Toilette haben wird. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://worldtoilet.org/wto/
http://www.ipsnews.net/2012/12/qa-making-toilets-fashionable/

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IPS-Tagesdienst vom 12. Dezember 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Dezember 2012