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FISCHEREI/072: Krill-Fabrikschiffe drängen Pinguine an den Rand ihrer Existenz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. April 2013

Krill-Fabrikschiffe drängen Pinguine an den Rand ihrer Existenz

Von Stephen Leahy


Bild: Mit freundlicher Genehmigung von George Torode

Antarctic Ocean Alliance-Aktivisten vor der russischen Botschaft in Berlin
Bild: Mit freundlicher Genehmigung von George Torode

Uxbridge, Kanada, 25. April (IPS) - Europäische und asiatische Krill-Fangschiffe gefährden das Überleben der im Südpolarmeer beheimateten Pinguine. Meeresbiologen und Umweltschützer hoffen nun, dass auf dem bevorstehenden Sondertreffen der Kommission für die Erhaltung der lebenden Meeresressourcen in der Antarktis (CCAMLR) in Bremerhaven die Einrichtung zweier Meeresschutzgebiete im Südlichen Eismeer beschlossen wird.

Pinguine sind eine geschützte Art, doch lassen ihnen die fabrikgroßen Trawler nur wenige von den kleinen garnelenartigen Lebewesen übrig, die sie zum Überleben brauchen. Hinzu kommt, dass das Südliche Eismeer durch die ansteigenden CO2-Emissionen übersäuert.

Es ist schon absurd. Wir fahren ans Ende der Welt, um das letzte bisschen Fisch zu finden, meinte dazu Thilo Maack von Greenpeace. Und die Bemühungen, in diesem Teil der Welt zwei Meeresschutzgebiete einzurichten, werden von China, Russland und Norwegen blockiert.

Schon im letzten Jahr hätte ein Netzwerk aus geschützten Gebieten beschlossen werden sollen, doch ist es der CCAMLR nicht gelungen, einen Konsens zu erreichen, wie Donna Mattfield von der Antarctic Ocean Alliance berichtet, einer Koalition aus 30 Forschungs- und Umweltorganisationen.

Alle 25 CCAMLR-Mitgliedsländer hatten sich zwar zugunsten des Netzwerks ausgesprochen. Doch Vorschläge, in der östlichen Antarktis und im Rossmeer jeweils ein Meeresschutzgebiet (MPA) einzurichten, hätten bislang keinen Zuspruch gefunden. Zuvor hatte man sich lediglich auf ein kleines MPA in Umfeld der Südorkney-Inseln geeinigt, so Mattfield gegenüber IPS.

Wissenschaftlich ist eine Aufschiebung der MPAs nicht zu rechtfertigen, sagte sie und wies darauf hin, dass noch nicht einmal zwei Prozent der Weltmeere unter Schutz stehen. Die vorgeschlagenen MPAs würden etliche Millionen Quadratkilometer Ozean umfassen, wobei sich vielfach nutzbare MPAs mit Schutzgebieten abwechseln würden, denen keine Meeresressourcen entnommen werden dürften. Die endgültige Entscheidung über die MPAs soll nun auf der CCAMLR-Sondersitzung im Juli in Bremerhaven fallen.


Letzte intakte Meeresgebiete in Gefahr

Das südliche Meer steht unter einem zunehmenden Doppeldruck von Klimawandel und Ressourcenabbau. Doch Gebiete wie das Rossmeer und die östliche Antarktis gehören zu den letzten noch nicht betroffenen, gesunden und schönsten Meeren der Welt, die von Wissenschaftlern als notwendiges lebendes Laboratorium bezeichnet werden, meinte Onno Gross, Meeersbiologe und Leiter der Meeresschutzorganisation Deepwave.

Von den weltweit 18 Pinguinarten sind 13 so sehr gefährdet, dass sie eines besonderen Schutzes bedürfen. Seit einigen Jahren legen europäische und asiatische Fabrikschiffe den weiten Weg in den Antarktischen Ozean zurück, um dort Krill für den anwachsenden Handel mit Fischmehl für die Lachszuchten zu fangen.

Neuerdings ist Krill auch auf den boomenden Nahrungsmittel- und Pharmaziemärkten gefragt. Die winzigen Garnelen sind reich an Omega-3-Fettsäuren, die Herzkrankheiten und Entzündungen wie Arthritis vorbeugen. Doch Omega-3-Fettsäuren lassen sich auch aus Pflanzen gewinnen, meint Thilo Maack von Greenpeace. Wir brauchen dafür keinen Fisch.

Europäische Staaten subventionieren den Bau der riesigen Fangflotten, die nach der Überfischung der eigenen Ressourcen und der Präsenz in den Küstengewässern Westafrikas nun auch zunehmend in den Südpolarmeeren anzutreffen sind. Maack weiß von mindestens zwei deutschen Fabrikschiffen, die Krill fangen. Wir haben aus unseren Fehlern nicht gelernt.

CCAMLR hat eine Krill-Fangquote von 400.000 Tonnen festgelegt. Rund 50 Trawler durchpflügen nun die kalten und gefährlichen Gewässer der Antarktis. Erst in der dritten Aprilwoche hatte ein chinesischer Supertrawler im Rossmeer Feuer gefangen. Die fast 100-köpfige Crew musste gerettet werden.

Über den antarktischen Krill ist wenig bekannt. Angenommen wird eine Gesamtmenge von hunderttausenden Tonnen. Doch das südliche Meer sieht sich zurzeit mit einer Vielzahl von Veränderungen konfrontiert. Krill ernährt sich von den Algen, die an den Eisschollen wachsen. Doch aufgrund der steigenden Temperaturen schmilzt das Eis.


Übersäuerung

Hinzu kommt, dass das Seewasser aufgrund der CO2-Emissionen in den letzten 50 Jahren um 30 Prozent übersäuert wurde. Für Schalentiere sind das schlechte Nachrichten, werden die Schalen zu weich oder lösen sich auf. Diese Entwicklung lässt sich bereits in einigen Teilen des südlichen Ozeans erkennen. Auch der Krill wird nach Ansicht von Maack zunehmend betroffen sein, nimmt der Anstieg der CO2-Emissionen immer weiter zu.

Ohne einen größeren Rückgang des CO2-Ausstoßes werden bis 2040 weite Teile des südlichen Ozeans für Schalentiere, Plankton und Krill zu sauer sein, um dort überleben zu können, warnte Carol Turley vom Meereslaboratorium im britischen Plymouth unlängst im IPS-Gespräch. Wir hoffen nun, dass Deutschland als Gastgeber der Sonder-CCAMLR-Sitzung im Juli China, Russland und Norwegen dazu bewegen wird, den beiden vorgeschlagenen Meeresschutzgebieten zuzustimmen.

Von dieser Entscheidung wird Mattfield zufolge viel abhängen: Wir stehen vor der historischen Chance, das größte Schutzareal aller Zeiten zu schaffen. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.ccamlr.org/
http://antarcticocean.org/
http://www.ipsnews.net/2013/04/krill-super-trawlers-pushing-penguins-toward-extinction/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. April 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2013