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GLOBAL/025: Nagoya - Konferenz der Tiere & Pflanzen, konkrete Maßnahmen Fehlanzeige (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 107/4.2010
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

Die Konferenz der Tiere und der Pflanzen

Von Kathrin Blaufuss


Das Ziel, den Verlust der biologischen Vielfalt bis 2010 zu stoppen, hat die Weltgemeinschaft klar verfehlt. Auf der 10. Vertragsstaatenkonferenz Ende Oktober im japanischen Nagoya wurde wieder verhandelt: konkrete Maßnahmen - Fehlanzeige!

Das Jahr 2010 sollte für den Schutz der biologischen Vielfalt ein entscheidendes Jahr werden. Im Internationalen Jahr der Biologischen Vielfalt sollte Bilanz gezogen werden, ob die Weichen richtig gestellt wurden, um die Zukunft unserer Lebensgrundlagen zu sichern. Gerade in diesem Jahr musste sich die Weltgemeinschaft jedoch eingestehen, dass sie an dem eigenen Ziel, den Verlust der Biodiversität zu stoppen bzw. signifikant zu verlangsamen, eklatant gescheitert ist. Da halfen auch die vielen Bekenntnisse dieses Jahres zum Schutz der Biodiversität nichts.

Ein Bericht des Sekretariats der Konvention über die Biodiversität, der Global Biodiversity Outlook 3, der im Mai dieses Jahres veröffentlicht wurde, bestätigt das Versagen schwarz auf weiß: So nehmen die Flächen der meisten natürlichen Habitate weltweit ab. Terrestrische und aquatische Ökosysteme werden durch Straßenbau und andere Eingriffe weiter zerschnitten. Viele Arten mit bereits begrenzter Populationsgröße nehmen weiter ab. In der Landwirtschaft werden weniger Sorten genutzt und so schrumpft auch dort die genetische Vielfalt weiter. Der Global Biodiversity Outlook machte zudem deutlich, dass wir uns noch nicht einmal auf dem richtigen Weg befinden, sondern die Treiber für den Biodiversitätsverlust wie Veränderung des Lebensraums, Übernutzung, Umweltverschmutzung, invasive gebietsfremde Arten und Klimawandel sogar noch stärker werden. Im Oktober hat die Weltgemeinschaft bei der 10. Vertragsstaatenkonferenz zur Biodiversitätskonvention (Convention on Biodiversity, CBD) im japanischen Nagoya erneut verhandelt, doch der Erhalt der Biodiversität bleibt weiter offen und den gemachten Zusagen müssten Taten folgen.


Knackpunkte der Biodiversitätsverhandlungen

Bereits die Vorverhandlungen in Nairobi im Mai 2010 machten deutlich, dass für den Erhalt der Biodiversität wichtige Fortschritte in drei Schlüsselthemen nötig sind: ein richtungweisender Strategischer Plan bis 2020, eine Finanzierungsstrategie und das Protokoll zum gerechten Zugang und Vorteilsausgleich bei der Nutzung von Biodiversität. Hierzu mussten in Nagoya Schritte auf den Weg gebracht werden.

Die Ausgestaltung des Strategischen Plans mit konkreten Zielvorgaben, um bis 2020 den Biodiversitätsverlust zu stoppen, war allerdings heftig umstritten. Denn die Entwicklungsländer machten deutlich, dass ohne deutlich mehr finanzielle Unterstützung der Verlust an biologischer Vielfalt bis 2020 nicht aufzuhalten sei. Zudem drängten die Entwicklungsländer auf eine längst überfällige befriedigende Regelung für den gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung ihrer genetischen Ressourcen, wobei es darum geht, Biopiraterie zu verhindern. Ohne eine Lösung bei Finanzen und ABS (Access and Benefit Sharing) wird es keinen zukunftsweisenden Strategischen Plan geben. Dieser Nord-Süd Konflikt beherrschte die Vorbereitung der 10. Vertragsstaatenkonferenz.


Biopiraterie: Keine Fortschritte

Verwunderlich ist das nicht: Beim dritten Ziel der Konvention über die biologische Vielfalt, der gerechten Aufteilung der Vorteile aus der Nutzung genetischer Ressourcen, stocken die Verhandlungen seit Jahren. Ein ABS-Protokoll soll dafür sorgen, dass Entwicklungsländer mitprofitieren, wenn Biotech-Firmen Produkte herstellen und verkaufen, die aus Ressourcen ihrer Länder hergestellt werden, wie zum Beispiel Diätmittel aus Wüstenpflanzen oder Hustensaft aus Kapland-Perlagonien. Die Biotechnologie-Unternehmen der Industriestaaten lehnen ein solches Protokoll jedoch ab und deshalb blockieren es auch ihre Regierungen. Bisher konnte kein völkerrechtlich verbindliches Protokoll verabschiedet werden, um der Biopiraterie einen Riegel vorzuschieben. In Nagoya stand somit die Verabschiedung eines ABS-Protokolls ganz oben auf der Tagungsordnung. Ein Beschluss darüber ist auch für die weitere Bedeutung der Konvention wegweisend. Denn wenn die Entwicklungsländer erneut vertröstet werden, lassen sie sich nur schwer für weitere Verhandlungen zum Erhalt der Biodiversität unter dem Schirm der CBD mobilisieren.


Money, money, money

Seit dem Inkrafttreten der Konvention ist es nicht gelungen, die weltweiten Ausgaben für die biologische Vielfalt als globales öffentliches Gut auch nur annähernd auf ein Niveau zu steigern, das dem Schutz und der nachhaltigen Nutzung gerecht würde. Das Finanzierungsinstrument der CBD, die Global Environment Facility (GEF), hat im Jahr 2010 über 50 Prozent mehr Geld erhalten (jetzt rund 1,2 Milliarden US-Dollar). Trotzdem bleiben die finanziellen Mittel weit hinter dem zurück, was nötig wäre, um die Ziele und Beschlüsse der CBD zu realisieren. Bisher ist das Herzstück der CBD, auf 20 Prozent der Fläche ein weltweites Schutzgebietsnetz zu Land und auf den Meeren einzurichten, nicht realisierbar. Dafür würden schätzungsweise rund 45 Milliarden US-Dollar jährlich benötigt. Ein Großteil der natürlichen Vielfalt befindet sich in den Ländern des Südens, die nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, um die Biodiversität aus eigener Kraft zu schützen. Im Sinne einer gemeinsamen aber geteilten Verantwortung für den Erhalt der biologischen Vielfalt und der Ökosystemleistungen sind daher die reichen Nationen gefordert. Die Industriestaaten kommen aber bisher ihrer Verpflichtung aus der CBD, den Entwicklungsländern »neue und zusätzliche Finanzmittel« zur Umsetzung der Konvention bereit zu stellen, nicht nach.

Nachdem das 2010-Ziel, den Verlust an biologischer Vielfalt zu stoppen, weltweit und in der EU gescheitert ist, müssen neue Ziele mit hohem Anspruch für die kommende Dekade 2011 2020 festgelegt werden, damit uns die biologische Vielfalt und intakte Ökosysteme erhalten bleiben. Grundlage dafür ist der Strategische Plan mit konkreten Zielen, die bis zum Jahr 2020 erreicht werden sollen, z.B. Stopp des Verlustes an Wäldern und natürlichen Lebensräumen, Stopp von Überdüngung und Überfischung, Vergrößerung der Schutzgebietsfläche auf 20 Prozent, nachhaltige Bewirtschaftung aller Landwirtschaftsflächen, Beendigung aller umweltschädlichen Subventionen. Die einzelnen Ziele müssen ambitioniert und durch entsprechende Indikatoren und Meilensteine messbar sein.

Es bleibt zu hoffen, dass die biologische Vielfalt auch nach dem Internationalen Jahr der Biodiversität und der deutschen Präsidentschaft über die Konvention, weiterhin auf der politischen Tagungsordnung bleibt und entsprechende Taten folgen.

Kathrin Blaufuss, NGO-Focal Point des gemeinsamen Projektes zu COP10 von DNR und Forum Umwelt und Entwicklung, k.blaufuss@forumue.de.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Dezember 2010