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GLOBAL/044: Green Economy? - Nein Danke! Sozialforum Porto Alegre - Vorbereitung auf Rio+20 (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012

Green Economy? - Nein Danke! Das Sozialforum in Porto Alegre und die Vorbereitung auf Rio+20

von Michael Frein



Ziel des Forums war es, den zivilgesellschaftlichen Vorbereitungsprozess für die Rio+20-Konferenz, die vom 20. bis 22. Juni unter dem Zuckerhut stattfinden soll, zu starten. Daher war es auch kein Weltsozialforum, sondern ein thematisches Sozialforum. Eine Auswirkung dessen war: es gab weniger Teilnehmende als sonst. Eine andere Auswirkung war: Die Inhalte der Veranstaltungen waren weniger beliebig, sie fokussierten stärker auf die Rio+20-Konferenz. Und das Ergebnis war eindeutig: Die Green Economy taugt als Lösung für die globalen Probleme nicht.

Man spricht portugiesisch, Übersetzung findet eher sporadisch statt. Auch sonst ist mit Blick auf das thematische Sozialforum Ende Januar in Porto Alegre von dem organisatorischen Chaos zu berichten, das schon vorangegangene Sozialforen kennzeichnete. Viele Veranstaltungen fanden nicht zur vorgesehenen Zeit statt, oder der Ort hatte sich kurzfristig geändert.

Kern der inhaltlichen Auseinandersetzungen in Porto Alegre war die Diskussion um Green Economy. Diese wurde von der überwiegenden Mehrzahl der NGOs rundweg abgelehnt. Einige europäische NGOs waren davon, gelinde gesagt, überrascht. Hatte man sich nicht seit Langem für eine grüne Wirtschaft eingesetzt, für den Schutz der Umwelt und soziale Gerechtigkeit? Nun, wo ein sozial-ökologisches Wirtschaften endlich am Horizont des Möglichen erscheine, wäre es da, bei allen Unwägbarkeiten, die dem Konzept der Green Economy noch anhaften mögen, nicht fahrlässig, es einfach pauschal zurückzuweisen anstatt in konstruktiver Weise mitzugestalten?


»Nein« zur Green Economy à la Rio+20

Die Antwort aus Porto Alegre ist ein entschiedenes »Nein!« Nicht, dass die dort versammelten NGOs etwas gegen Umweltschutz, gegen soziale Gerechtigkeit, gegen grüne Investitionen oder allgemein gegen Grünes Wirtschaften hätten. Aber, so war immer wieder zu hören, wenn man den Zero Draft, den ersten Entwurf für die Abschlusserklärung der Rio+2O-Konferenz analysiere, so werde dort das Bild einer Green Economy gezeichnet, die im Wesentlichen auf Greenwashing, eine weitere Kommerzialisierung der Natur und einen Freifahrtschein mit eingebauter Vorfahrt für den privaten Sektor hinauslaufe. Der Zero Draft enthalte keinen durchgängigen Menschenrechtsansatz, das Ziel ökologischer und sozialer Gerechtigkeit tauche noch nicht einmal auf, und die Rio+2O-Green-Economy setze nach wie vor auf wirtschaftliches Wachstum. Weder würden die Begrenzungen der natürlichen Ressourcen und die Tragekapazitäten von Ökosystemen als absolute Grenzen des Wirtschaftens respektiert, noch gelinge es, ökologische und soziale Fragen aufeinander zu beziehen.

In der Tat kann sich der Zero Draft dem Vorwurf nicht entziehen, das Konzept nachhaltiger Entwicklung darauf zu reduzieren, im Rahmen des herrschenden Wirtschaftssystems den Ressourcenverbrauch und die Emissionen verringern zu wollen. Zentrale Gerechtigkeitsfragen, wie die ungerechten Handelsbedingungen werden gar nicht erst angegangen. Im Gegenteil: Der Welthandel soll weiter liberalisiert werden, zum Nachteil der ärmeren Länder. Die Intensivierung der Landwirtschaft soll trotz ihrer negativen Folgen fortgesetzt werden, in Zukunft soll sie nachhaltig intensiviert werden. Und die Frage von Corporate Accountability wird auf freiwillige Aktivitäten der Unternehmen für eine Green Economy reduziert, so als ob es in den vergangen Jahren keinen einzigen Öko-Skandal gegeben hätte, der Anlass geben könnte, Unternehmen bindende Regeln aufzuerlegen.


Der Wirtschaft kommt eine Schlüsselrolle zu

Bleibt die Frage nach den Alternativen. Zunächst einmal muss es darum gehen, eine Green Economy tatsächlich, wie es im offiziellen Mandat für Rio+2O heißt, in den Kontext von nachhaltiger Entwicklung und Armutsbekämpfung einzubetten. Dabei kann es nicht darum gehen, das alte (und überkommene) Drei-Säulen-Modell ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit wieder zu beleben oder mit Hilfe von Dreiecken Balanceakte zu vollziehen, die letztlich in Symbolik stecken bleiben. Die Frage muss auf den Tisch, wie Wirtschaft dienstbar gemacht werden kann für eine nachhaltige Entwicklung, die Armutsbekämpfung und soziale Gerechtigkeit einschließt. Welche Rolle muss Wirtschaft spielen, welche Aufgaben muss sie erfüllen, damit angesichts der Begrenzungen des Planeten ein Leben in Würde für alle möglich ist?

Darüber hinaus war in Porto Alegre festzustellen, dass die Commons in der Debatte um Alternativen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Damit sind neue Perspektiven verbunden, die geeignet sind, den kritischen Blick für den bisherigen Verlauf des Vorbereitungsprozesses für Rio+2O zu schärfen. Während der noch auf Wachstum und weitere Globalisierung setzt, bildet sich in der Commons-Debatte eine Diskussion ab, die das Verhältnis von Staat, Markt und Gesellschaft noch einmal anders sieht. Die Welt einmal durch diese Brille zu betrachten, das wäre für die Staats- und Regierungschefs in Rio fraglos eine interessante Erfahrung.

Der Autor ist Mitglied im Leitungskreis des Forums Umwelt und Entwicklung und Referent für Welthandel und Umwelt beim Evangelischen Entwicklungsdienst (EED).

Weitere Informationen: www.eed.de/rio


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012, Seite 28
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2012