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GLOBAL/053: Nagoya-Protokoll - Ratifizierungsprozess läuft schleppend (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012
Landwirtschaft - Da ist der Wurm drin?!

Themen & AGS
Ratifizierungsprozess läuft schleppend
Nagoya-Protokoll bislang von 92 Staaten unterzeichnet

von Christian Schwarzer



Trotz einiger Schönheitsfehler und vieler Schlupflöcher galt es als ein kleines Wunder, als nach jahrelangen Tauziehen und langem Verhandlungskrimi am Morgen des 30. Oktobers 2010 das Nagoya-Protokoll auf der 10. Vertragsstaatenkonferenz der CBD verabschiedet wurde. Delegierte lagen sich mit Tränen in den Augen in den Armen und auf dem Podium gab es Freudensprünge.

Anderthalb Jahre ist das jetzt her und mittlerweile wurde das Protokoll, welches den Zugang und gerechten Vorteilsausgleich bei der Nutzung genetischer Ressourcen regelt, von 92 Staaten gezeichnet. Doch nur zwei davon haben es auch ratifiziert. Warum zögern so viele Länder mit der Ratifizierung und wie stehen die Chancen, dass das ABS-Protokoll tatsächlich, so wie es die Staatengemeinschaft in Nagoya vereinbart hat, bis 2015 in Kraft ist?

Wie das Sekretariat der Biodiversitätskonvention (Convention on Biological Diversity - CBD) Anfang Februar bekannt gab, ist die Zeichnungsfrist für das Nagoya-Protokoll am 1. Februar abgelaufen.[1] Kurz vor Ende der Zeichnungsfrist haben noch einmal 17 Staaten ihre Unterschrift unter das Abkommen zu Zugang zu genetischen Ressourcen und gerechter Vorteilsausgleich (Access and Benefit-Sharing - ABS) gesetzt. Damit beläuft sich die Gesamtzahl der Unterzeichnerstaaten auf nunmehr 92. Gezeichnet und ratifiziert haben bislang jedoch nur zwei Staaten: Gabun und Jordanien.

Damit ist klar, dass die 1. MOP (Meeting of the Parties) des ABS-Protokolls frühestens zur übernächsten Vertragsstaatenkonferenz (Conference of the Parties - COP) der CBD im Jahre 2014 stattfinden kann. Für ein früheres Inkrafttreten des ABS-Protokolls hätten bis zum 1.‍ ‍Februar mindestens 50 Ratifizierungen zusammen kommen müssen. Im auf der COP10 verabschiedeten Strategischen Plan der CBD, welcher mit 20‍ ‍mittel- und langfristigen Zielen den Rahmen für den globalen Biodiversitätsschutz bis 2020 regelt, haben sich die Staaten darauf verständigt, dass das Nagoya-Protokoll bis 2015 in Kraft sein soll.[2]

Beitrittswillige Staaten können dem Nagoya-Protokoll aber auch nachträglich noch durch die sogenannte Akzession (das heißt durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde) beitreten. Dies wird völkerrechtlich dann mit einer direkten Ratifikation gleichgesetzt. Hierdurch erklärt sich auch die »Torschlusspanik« so vieler Staaten kurz vor Ablauf der Zeichnungsfrist. Diese wären ansonsten durch eine Ratifikation dazu verpflichtet gewesen das ABS-Protokoll unverzüglich umzusetzen, sprich in nationales Recht umzuwandeln. Die Unterzeichnung eines Protokolls drückt hingegen nur die Absicht eines Staates aus, Maßnahmen zu ergreifen um sich durch eine spätere Ratifikation rechtlich zu binden. Zu welchem Zeitpunkt die Ratifikation letztendlich erfolgt, bleibt dabei offen. Durch das Zeichnen eines Protokolls entsteht für den Unterzeichnerstaat jedoch auch die Verpflichtung, in der Zeit zwischen Zeichnung und Ratifikation nicht gegen Inhalt und Ziele des Protokolls zu verstoßen.

Diese völkerrechtliche Unterscheidung zeigt beispielsweise wieso es überhaupt möglich ist, dass Präsident Clinton die CBD zwar im Juni 1993‍ ‍unterzeichnete, sie aber aus verschiedenen, innenpolitischen Gründen bis heute nicht von den USA ratifiziert wurde.


Warum zögern die Staaten mit der Ratifikation?

Ein Grund für das Zögern vieler Staaten bei der Ratifikation des Nagoya-Protokolls dürfte sein, dass eine Reihe von Industrienationen, so unter anderem die EU, schon kurz nach der COP10 angekündigt hatten, zunächst ihren aktuellen Rechtsbestand auf Kompatibilität mit den Regeln des ABS-Protokolls überprüfen zu wollen. Wie weit dieser Prozess mittlerweile voran geschritten ist, ist leider nicht bekannt. Außerdem bestehen auch weiterhin eine große Zahl an offenen Fragen hinsichtlich der Interpretation und Umsetzung verschiedener Regeln und Mechanismen des Nagoya-Protokolls. Um die Verabschiedung des sogenannten Nagoya-Packages (bestehend aus dem Strategischen Plan, der Strategie zur Ressourcenmobilisierung und dem ABS-Protokoll) zu ermöglichen, wurden verschiedene Aspekte des ABS-Protokolls, so zum Beispiel der Compliance-Mechanism (dient zur Überwachung der Einhaltung der Regeln des Protokolls) nicht abschließend geklärt beziehungsweise die jeweiligen Textstellen ganz bewusst äußerst vage formuliert. Dadurch wurde ein entsprechend großer Interpretationsspielraum geschaffen.

Mit der Ausgestaltung des weiteren Verhandlungsprozesses bis zum Inkrafttreten des Nagoya-Protokolls beschäftigt sich das »Intergovernmental Committee for the Nagoya-Protocol on ABS« (ICNP), welches auf Beschluss der COP10 eingerichtet wurde und als vorübergehendes Verwaltungsorgan des Protokolls fungiert.

Das ICNP wird vom 2. bis 6. Juli 2012 in Neu Delhi zu seiner 2. regulären Sitzung zusammen kommen. Im Rahmen dieses Treffens sollen unter anderem der Fahrplan und die Modalitäten bis zur MOP1 abgestimmt werden.


Lässt sich der Ratifizierungsprozess beschleunigen?

Der renommierte ABS-Experte Hartmut Meyer, hält einen schnelleren Ratifizierungsprozess beim Nagoya-Protokoll nicht für ausgeschlossen und verweist auf das Beispiel des Cartagena-Protokolls. Dieses wurde am 30. Januar 2000 beschlossen und trat schon am 9. November 2003 in Kraft.

Hartmut Meyer weist aber auch auf die unterschiedlichen Rahmenbedingungen hin: »Der zügige Ratifizierungsprozess war nur möglich, weil die GEF zur Unterstützung der Umsetzung des Cartagena-Protokolls einen speziellen Fonds im Umfang von 44 Millionen US Dollar aufgelegt hatte, ergänzt durch weitere Fonds und Projekte. Der Treuhandfonds für die Umsetzung des Nagoya-Protokolls (NPIF) [3] beinhaltet hingegen nur 15 Millionen US Dollar. Außerdem dürfen die Mittel nur für die Entwicklung und Umsetzung konkreter ABS-Verträge, möglichst unter Teilnahme eines Industriepartners, verwendet werden. Die werden aber erst auf den Zug aufspringen, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen da sind, also die Implementierung schon erfolgt ist.«

Es wäre wünschenswert, dass die GEF ihre Vergaberichtlinien ändert, also tatsächlich die Implementierung fördert, und mehr Staaten Gelder in den Treuhandfond einzahlen. Denn bis jetzt speist sich dieser nur aus Mitteln von Japan, Norwegen und der Schweiz.


Ein Vergleich mit dem Kyoto-Protokoll

Würde das Nagoya-Protokoll tatsächlich nach einer Ratifizierungsphase von vier Jahren in 2014 in Kraft treten, wäre diese im Vergleich zum Kyoto-Protokoll immer noch ein bemerkenswert kurzer Zeitraum. Nach der Verabschiedung auf der COP3 der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) im Dezember 1997, vergingen allein vier Jahre bis die wichtigsten offenen Fragen, zum Beispiel die Anrechnung von Senken, in den sog. Marakkesh-Accords von 2001 geregelt werden konnten. Weitere vier Jahre dauerte es um 55 Staaten, die zusammen mindestens 55 Prozent der Treibhausgasemission von 1990 darstellen mussten, zusammen zu bekommen. Erst nach einem sehr kontroversen Deal mit Russland über den Handel mit »Hot Air« konnte diese Bedingung erfüllt werden, wodurch das Kyoto-Protokoll erst im Februar 2005 in Kraft treten konnte.

Zugegeben, der Vergleich zwischen dem Nagoya-Protokoll und dem Kyoto-Protokoll hinkt. Zwar haben sie gemeinsam, dass beide völkerrechtlich bindend und für die Umsetzung der Kernziele ihrer jeweiligen UN-Konventionen von ähnlich großer Bedeutung sind. Doch ihr Inhalt, ihre Ziele und (wirtschaftlichen) Konsequenzen für die Mitgliedsländer sind grundverschieden.

Eines hat das Nagoya-Protokoll aber dem Kyoto-Protokoll voraus: Auch Staaten, die das ABS-Abkommen nicht unterzeichnet haben, werden sich daran halten müssen.

Denn man darf davon ausgehen, dass die Staaten des globalen Südens, die durch ihren Reichtum an biologischer Vielfalt den Großteil an genetischen Ressourcen zur Verfügung stellen, das Nagoya-Protokoll auch in nationales Recht umwandeln werden. Will nun ein ausländischer Konzern, beispielsweise ein Pharmaunternehmen aus den USA, diese genetischen Ressourcen weiterhin zur Entwicklung von Produkten nutzen, muss es die Gesetze des Geberlandes befolgen und dieses nach den Regeln des Nagoya-Protokolls in fairer Weise an den Profiten beteiligen.

Einziges Manko: Der Definition des Begriffs »fair« wird im ABS-Protokoll ein sehr großzügiger Interpretationsspielraum eingeräumt.

Der Autor ist Mitglied im Bundesvorstand der Naturschutzjugend (NAJU) und Jugendbotschafter für die UN-Dekade der biologischen Vielfalt.

Der EED hat eine sehr lesenswerte Analyse des Nagoya-Protokolls aus NGO-Sicht veröffentlich:
http://www.eed.de/de/de.col/de.col.d/de.sub.41/de.sub.pub/de.pub.de.494/index.html
Hintergrundinformationen zu ABS stellt das BfN unter
http://www.abs.bfn.de/ zur Verfügung.
Eine Liste aller Unterzeichnerstaaten des Nagoya-Protokolls kann unter
http://www.cbd.int/abs/nagoya-protocol/signatories/ abgerufen werden.
Zur Arbeit des Intergovernmental Comittee for the Nagoya-Protocol finden sich unter folgendem Link weitere Informationen:
http://www.cbd.int/abs/icnp/

[1]‍ ‍Vgl.: http://www.cbd.int/doc/press/2012/pr2012-02-03-abs-en.pdf
[2]‍ ‍http://www.cbd.int/sp/targets/ siehe Ziel 16.
[3]‍ ‍Informationen zum «Nagoya Protocol Implementation Fund« finden sich auf www.thegef.org/gef/trust_funds

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Die südafrikanische Umweltministerin beim Unterzeichnen des ABS-Protokolls am 11. Mai 2011


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2012, Seite 39-40
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Mai 2012