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GENTECHNIK/008: Indien Ausschuss fordert Moratorium für Genfood-Anbautests - Zweifel an Sicherheit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Oktober 2012

Indien: Ausschuss fordert Moratorium für Genfood-Anbautests - Zweifel an Sicherheit

von Ranjit Devraj



Neu-Delhi, 30. Oktober (IPS) - In Indien hat der Oberste Gerichtshof ein zehnjähriges Moratorium für Freilandversuche mit genmanipulierten Pflanzen abgelehnt, wie von einem Expertenausschuss empfohlen, den das Tribunal selbst eingesetzt hatte. Allerdings wollen sich die Richter am 9. November mit dem Bericht der Fachleute befassen, bevor weitere Schritte beschlossen werden.

Neu-Delhi, 30. Oktober (IPS) - In Indien hat der Oberste Gerichtshof ein zehnjähriges Moratorium für Freilandversuche mit genmanipulierten Pflanzen abgelehnt, wie von einem Expertenausschuss empfohlen, den das Tribunal selbst eingesetzt hatte. Allerdings wollen sich die Richter am 9. November mit dem Bericht der Fachleute befassen, bevor weitere Schritte beschlossen werden.

Der im Mai eingesetzte Ausschuss sollte die Sicherheitsbedenken überprüfen, die in einer Petition der Umweltaktivistin Aruna Rodrigues aufgeführt sind. In einem am 18. Oktober veröffentlichten Zwischenbericht wies er bereits auf größere Lücken in dem in Indien geltenden Regulierungsrahmen für den Anbau genmanipulierter Nutzpflanzen hin. Doch der Oberste Gerichtshof lehnte es am 29. Oktober ab, der Regierung Vorschriften über die Freilandversuche für die Winteraussaat zu machen.

Der Expertenausschuss sollte vor allem die offenen Feldversuche mit Pflanzen untersuchen, die Gene aus dem Bodenbakterium 'Bacillus thurigiensis' (Bt) enthalten. Die Auswirkungen des Insektizids auf die menschliche Gesundheit sind bisher unbekannt. Es habe bereits mehrere Fälle gegeben, in denen "problematische Aspekte" der Daten in den Sicherheitsdossiers ignoriert worden seien, heißt es in dem Zwischenbericht. Empfohlen wurde daher eine erneute Untersuchung durch internationale Fachleute.


Widerstand

Im Februar 2010 hatte der damalige indische Umweltminister Jairam Ramesh angeordnet, den Anbau von 'Bt Brinjal', einer genveränderten Auberginenart, auszusetzen, nachdem es eine Reihe öffentlicher Anhörungen dazu gegeben hatte. Feldversuche mit anderen Bt-Pflanzen waren davon aber nicht betroffen.

Ein ständiger Parlamentsausschuss, der sich mit Gen-Anbau befasst, empfahl im August, alle Versuche mit Gen-Pflanzen zu verbieten und die künftigen Forschungen streng zu reglementieren. Ein Großteil der indischen Bevölkerung denkt offenbar ähnlich.

"Die Regierung sollte das Menetekel wahrnehmen. Es ist nun weitgehend klar, dass dieses Land mit 1,2 Milliarden Einwohnern, von denen 70 Prozent von der Landwirtschaft leben, vehement gegen die Einführung von Gen-Pflanzen ist", sagte Devinder Sharma, Vorsitzender des Forums für Biotechnologie- und Ernährungssicherheit, ein Kollektiv aus Agrar- und Wirtschaftswissenschaftlern, Biotechnologieexperten, Bauern und Umweltschützern.

Das Thema ist weiter in das Bewusstsein der indischen Öffentlichkeit gerückt, nachdem eine von französischen Forschern an der Universität Caen erstellte Studie nachgewiesen hat, dass mit Gen-Mais gefütterte Ratten an Krebs erkrankten. Der von dem Gericht eingesetzte Ausschuss hat daher angeraten, dass alle Tests von Gen-Pflanzen in Indien durch langfristige Untersuchungen von Nagetieren ergänzt werden sollten.

Sharma erinnerte zudem an den mit Sicherheitsbedenken begründeten Widerstand gegen Gen-Anbau in Europa. Spanien ist derzeit das einzige Land in der Europäischen Union, in dem Gen-Anbau gestattet ist, allerdings nur im Fall von Mais, der als Tierfutter verwendet wird.

Kavita Kuruganti, die als Beraterin für das Zentrum für nachhaltige Landwirtschaft in Hyderabad arbeitet, hält es für bezeichnend, dass der Ausschuss eine erneute Untersuchung aller Sicherheitsdaten von bereits bewilligten und für den Anbau vorgesehenen Gen-Produkten fordert.

Der Bericht des Ausschusses widerspricht der Meinung des wissenschaftlichen Rats des indischen Ministerpräsidenten für Biotechnologie und Landwirtschaft (SAC), der Anfang Oktober kritisierte, dass in der derzeitigen Gen-Debatte "ein wissenschaftlich fundierter und auf Fakten basierender Ansatz fehlt". Kuruganti erinnerte jedoch daran, dass der vom Gericht bestimmte Ausschuss aus anerkannten Wissenschaftlern besteht.


Genanbau-Befürworter pochen auf Nahrungssicherheit

Als Argument für den Gen-Anbau in Indien führte SAC die Nahrungssicherung an. "Die Verfügbarkeit und Qualität von Land, Wasser, niedrige Produktivität, Dürre und Versalzung, biotische Stressfaktoren und Verluste nach den Ernten sind ernsthafte Gefahren für die Nahrung und ihre Sicherung. Hinzu kommen potenziell bedrohliche Auswirkungen des Klimawandels." SAC gab allerdings auch zu bedenken, dass die von multinationalen Patentinhabern verkauften Gen-Saaten insbesondere für arme Bauern zu teuer sein könnten.

"Die Erfahrung mit nicht zum Verzehr bestimmten Gen-Pflanzen, vor allem Bt-Baumwolle, hat gezeigt, dass normale Bauern aufgrund der hohen Kosten für Saaten und andere landwirtschaftliche Inputs nicht davon profitieren", sagte Ramachandra Pillai, Präsident des 'All India Farmers Forum' mit etwa 14 Millionen Mitgliedern, das mit der Marxistischen Partei Indiens verbunden ist.

Seine Partei sei nicht gegen moderne landwirtschaftliche Biotechnologie, erklärte Pillai. Er wünsche sich aber eine Beteiligung des öffentlichen Sektors. "Denn momentan scheint vor allem die Aussicht auf Profit die treibende Kraft hinter dem Gen-Anbau zu sein", betonte er. "Wichtige Fragen wie Nahrungssicherheit, Unterernährung, Armutsbekämpfung und Arbeitslosigkeit könnten dadurch umgangen werden." Pillai hält es für wichtig, dass die Regierung die Aufsicht über den Gen-Anbau ausübt, um Befürchtungen zu zerstreuen, der private Sektor achte nicht auf den Schutz der Bevölkerung.

Der Ausschuss fordert zertifizierte Orte für die Feldversuche, angemessene vorangehende Tests und die Einsetzung eines unabhängigen wissenschaftlichen Ausschusses, der bei jeder geplanten Gen-Pflanze die Biosicherheit überprüft.

Suman Sahai von der in Neu-Delhi ansässigen Organisation 'Gene Campaign' ist der Ansicht, dass der Zwischenbericht große Schwächen des in Indien bestehenden Regulierungssystems für den Import von Gen-Pflanzen aufgedeckt hat. So hätten die Behörden beispielsweise die Interessen von Biobauern missachtet, denen der Ruin drohen würde, wenn sich ihre Pflanzen mit genmanipulierten Sorten mischten. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:

http://www.csa-india.org/
http://www.genecampaign.org/
http://www.ipsnews.net/2012/10/india-puts-gm-food-crops-under-microscope/

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vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

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IPS-Tagesdienst vom 30. Oktober 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. November 2012