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GENTECHNIK/012: Argentinien - Kontroverse über geplantes Gesetz zur Förderung von Gensaaten (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Juli 2013

Argentinien:
Kontroverse über geplantes Gesetz zur Förderung von Gensaaten

Von Marcela Valente



Buenos Aires, 11. Juli (IPS) - In Argentinien wehren sich Sozialverbände, Wissenschaftler und kleinbäuerliche Organisationen gegen Pläne der Regierung, ein neues Gesetz zur Förderung von Gensaatgut zu verabschieden. Sie fürchten um die biologische Vielfalt der traditionellen einheimischen Sorten und die Ernährungssicherheit der Bevölkerung.

Das Landwirtschaftsministerium spricht bereits seit mehr als einem Jahr davon, ein 1973 erlassenes Gesetz zu reformieren, das seit den 1990er Jahren zugunsten genmanipulierter Monokulturen wie Soja mehrfach verändert worden ist.

Dem Parlament liegen zwei Entwürfe vor. Die Vereinigung der argentinischen Saatgutproduzenten, der die Biotechnologieunternehmen angehören, unterstützt beide Vorlagen für die Neuregelung, die nach Ansicht ihrer Gegner die traditionellen Anbaumethoden der Kleinbauern gefährdet.

Die Konzerne argumentieren, dass angesichts einer weltweit erhöhten Nahrungsmittelnachfrage die landwirtschaftlichen Erträge pro Hektar gesteigert werden müssten. Sie dringen auf ein Gesetz, das sie berechtigt, den Saatgutmarkt zu regulieren und zu kontrollieren, um sich auf diese Weise einen Teil ihrer Investitionen in Forschung und Entwicklung zurückzuholen.


Kleinbauern bedroht

Doch Kritikern zufolge wird das geplante Gesetz den kleinen Subsistenzbauern den Zugang zu sicherer, hochwertiger und bezahlbarer Nahrung versperren und den Fortbestand der traditionellen einheimischen Sorten gefährden. In der kleinbäuerlichen Landwirtschaft ist es üblich, einen Teil der Ernten für die kommende Aussaat aufzubewahren.

In Argentinien, einem der größten Sojaproduzenten der Welt, sind bereits 98 Prozent dieser Ölsaaten genetisch verändert. Diese stammen aus den Forschungslaboren des US-Biotechnologieunternehmens Monsanto und sind resistent gegen das ebenso von Monsanto entwickelte Herbizid Glyphosat. Auch der in Argentinien ausgebrachte Mais ist zu 80 Prozent genmodifiziert.

Im nächsten Jahr will der Multi in der zentralargentinischen Provinz Córdoba eine Fabrik bauen, die jährlich 60.000 Tonnen Gensaatgut produziert. Das Unternehmen spricht von einem Beitrag, die weltweite Nahrungsmittelproduktion bis 2050 zu verdoppeln. Gleichzeitig ist Monsanto offensichtlich bestrebt, die Produktionsweisen der Bauern stärker als bisher zu kontrollieren.

Carlos Carballo, Experte für Ernährungssouveränität an der agrarwissenschaftlichen Fakultät der staatlichen Universität von Buenos Aires, warnt vor der Ausweitung der Gensaat-Monokulturen. Auf dem Spiel stehe die Vielfalt einheimischer Sorten, die sich an die regional unterschiedlichen Boden- und Klimabedingungen angepasst hätten. "Saatgut ist keine Ware, sondern Teil des menschlichen Erbes", betont er im Gespräch mit IPS.

Die Ausweitung der Gensoja- und Genmais-Monokulturen zur Erhöhung der Nahrungsmittelproduktion werde zudem eine Massenvertreibung der kleinen Produzenten zur Folge haben", warnt der Experte.

Schon jetzt ist Argentinien Schauplatz zahlreicher Landkonflikte. Wie aus einer Untersuchung des Landwirtschaftsministeriums und der staatlichen Nationalen Universität San Martín hervorgeht, kam es im letzten Jahr zu 830 solcher Streitigkeiten, in die 60.000 Familien, mehrheitlich Subsistenzbauern verwickelt waren.

Carballo zufolge arbeitet der Agrarchemiekonzern an Strategien, um sich den argentinischen Agrarmarkt zu sichern. So kündigte Monsanto an, nur noch diejenigen Produzenten mit seinen Produkten zu beliefern, die sich schriftlich dazu verpflichten, Kontrollen über die Verwendung des Saatguts zuzulassen. Wenig später gab die Firma bekannt, dass bereits 80 Prozent der Sojaproduzenten das Abkommen unterzeichnet hätten. Diese müssen nun nicht nur Lizenzgebühren zahlen, sondern mit Gerichtsverfahren rechnen, sollten sie das Saatgut des Konzerns ein zweites Mal verwenden.

Monsanto, der größte Produzent von transgenem Saatgut in Argentinien, habe mit der Forderung von Lizenzgebühren die Ausweitung von Gensoja in den 1990er Jahren zu verantworten, erläutert der Agraringenieur Javier Souza Casadinho, Regionalkoordinator des Aktionsnetzwerks zum Thema Schädlingsbekämpfungsmittel und deren Alternativen (RAP-AL).

"Auf diese Weise ist es Monsanto gelungen, sich in allen Ländern im Südkegel Südamerikas breitzumachen", erläutert er. Schon jetzt produziert die Firma nach Erkenntnissen des Interamerikanischen Instituts für die Zusammenarbeit in der Landwirtschaft jedes Jahr 47 Prozent des weltweit verkauften Sojas und 28 Prozent des Maises. "Die neue Strategie zielt darauf ab, mit den Bauern verbindliche Verträge einzugehen. Die Produzenten haben keine andere Wahl und keine Möglichkeit, das Saatgut nach Gebrauch ein weiteres Mal zu verwenden", kritisiert er.


Gesetz zum Schutz der kleinbäuerlichen Landwirtschaft gefordert

Er weist ferner darauf hin, dass transgenes Soja bereits in kleine Dörfer vorgedrungen sei und die einheimischen Sorten in ihrer Existenz bedrohe. "Wir brauchen ein Gesetz, das die Produktionsweisen und das Recht der Gemeinschaften respektiert, Saatgut zu bewahren, zu verbessern, zu vermehren und zu tauschen", fordert er.

Die Akteure dieser Bewegung wollen an der Diskussion über das neue Saatgutgesetz beteiligt werden. Sie sind der Meinung, dass Argentinien einen ähnlichen Weg einschlagen könnte wie Brasilien und Bolivien, wo transgene Kulturen erlaubt sind, sofern sie die einheimischen Saaten nicht in ihrer Existenz bedrohen.

Carballo schlägt vor, dem Beispiel Kolumbiens, Boliviens, Perus und Paraguays zu folgen, wo mit Hilfe von Staat oder Nichtregierungsorganisationen sogenannte Saatgutwächter ('guardianes de semillas') mit der Aufgabe betraut worden sind, die natürlichen Saaten zu sammeln und in öffentlich zugänglichen Saatgutbanken zu deponieren.

Auch in Argentinien gibt es Programme zum Schutz von indigenen Saatkörnern. In der Provinz Misiones im Westen des Landes leisten die Lokal- und die Zentralregierung finanzielle und technische Hilfe bei der Auswahl, Sicherung und Vermehrung von traditionellem einheimischem Mais.

"Dort werden qualitativ hochwertige Saatkörner produziert und vom Staat gekauft und verteilt, weil Mais die Grundlage für die Produktion von Proteinen für die kleinbäuerliche Wirtschaft ist, die auch die Geflügel- und Schweinezucht beinhaltet", betont Carballo. "Ein solches Modell schafft Arbeitsplätze im ländlichen Raum und verbessert die Qualität der Nahrungsmittelversorgung."

Dem Experten zufolge zeigt das Beispiel Misiones, das es durchaus Möglichkeiten gibt, um den natürlichen biologischen Reichtum des Landes zu schützen und zu bewahren. (Ende/IPS/kb/2013)

Links:
http://www.asa.org.ar/
http://www.rap-al.org/
http://www.ipsnoticias.net/2013/07/la-batalla-por-las-semillas-se-intensifica-en-argentina/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juli 2013