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GENTECHNIK/248: Patente-Kartell für große Konzerne (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 2/2019
Neue Gentechnik: Zwischen Labor, Konzernmacht und bäuerlicher Zukunft

Neue Gentechnikverfahren und Pflanzenzucht
Patente-Kartell für große Konzerne

von Christoph Then


In der Diskussion um die neuen Gentechnikverfahren wird immer wieder das Argument vorgebracht, dass die neuen Technologien billiger seien als die bisherige Gentechnik und deswegen auch von kleineren Unternehmen eingesetzt werden könnten. Dabei wird übersehen, dass die neuen Verfahren, bei denen u. a. Nukleasen wie CRISPR-Cas9 eingesetzt werden, ebenso patentiert werden, wie die damit manipulierten Pflanzen und Tiere. Schon die Erfahrungen mit der bisherigen Gentechnik zeigen, dass das Patentrecht der eigentliche Motor der Entwicklung war: Mit Patenten können die Konzerne Kontrolle über die Grundlagen der Ernährung erlangen. Schon jetzt kontrollieren Konzerne wie DowDuPont und Bayer/Monsanto große Teile des Saatgutmarktes. Mit dem Einzug der neuen Gentechnik droht jetzt die Entwicklung eines regelrechten Patent-Kartells.


Patente sind Monopolrechte: PatentinhaberInnen haben für 20 Jahre lang das Recht, allen anderen die wirtschaftliche Verwertung der patentierten Erfindung zu verbieten oder für deren Nutzung Lizenzgebühren zu verlangen. Mit der Gentechnik wurde das Patentrecht auch erstmals systematisch auf die Pflanzenzucht angewendet. Große Konzerne aus dem Bereich der Agrochemie, die zuvor schon ihre Pestizide mit Patenten geschützt hatten, beantragten jetzt auch Patente auf Gentechnik-Saaten und kauften gleichzeitig viele traditionelle Züchter auf. Durch diese Strategie wurde Monsanto und später Bayer zur Nummer 1 im Saatgutmarkt. Mit der neuen Gentechnik wird diese Entwicklung konsequent fortgesetzt und sogar noch ausgeweitet.

Das Broad Institute (in Kooperation mit dem Massachusetts Institute of Technology, MIT & Harvard) und die Universität von Kalifornien gelten als die "ErfinderInnen" der CRISPR-Technologie. Sie haben bereits Hunderte Patente angemeldet, einige davon sind in Europa auch bereits erteilt. Eine der Erfinderinnen der CRISPR-Technologie, Emmanuelle Charpentier, arbeitet inzwischen in Deutschland und ist dort nicht nur an der Gründung neuer Firmen beteiligt (ERS Genomics und CRISPR Therapeutics), sondern kooperiert auch eng mit der Firma Bayer.

Konzerne wie Bayer (Monsanto) und DowDuPont (deren Agrarsparte in Corteva umbenannt wurde) haben längst Verträge mit verschiedenen ErfinderInnen der DNA-Schere geschlossen. Einige dieser Lizenzverträge sind exklusiv, andere nicht. Nur wenn die Nutzungsrechte an den Patenten nicht exklusiv vergeben werden, können auch andere Firmen Verträge abschließen. Eine Übersicht wurde 2018 in Science publiziert.(1) Im Bereich Pflanzenzucht sind dabei Verträge des Broad Institutes und der University of California (bzw. deren Ausgründung Caribou) mit Bayer/Monsanto und DowDuPont besonders wichtig.

Besonders erfolgreich beim Abschluss der Verträge war DowDuPont. Der Konzern hat nicht nur mit einem der Inhaber der Grundlagenpatente einen Vertrag abgeschlossen, sondern angeblich mit allen relevanten Institutionen:(2) Genannt werden das Broad Institute, die Firmen Caribou und ERS Genomics sowie die Vilnius-Universität. Jean Donnenwirth von Pioneer/DowDuPont (Corteva) stellte das Vertragswerk am 5. November 2018 bei einem Treffen von EU-Kommission und verschiedenen Interessensgruppen vor, bei dem der Autor auch zugegen war. Demnach gelang es DowDuPont, 48 Grundlagenpatente in einen gemeinsamen Patente-Pool zu vereinen (35 Patente vom Broad Institute, 4 Patente der University of California, 2 Patente der Vilnius-Universität und 7 Patente von DowDuPont). Zu dieser Anzahl von Patenten muss man laut Donnenwirth Zugang haben, um die Technologie vollumfänglich in der Pflanzenzucht einsetzen zu können. Der Clou: DowDuPont kann gebündelte, nicht-exklusive Lizenzen zu diesem Patente-Pool anbieten. Bedingungen dafür sind laut Donnenwirth u. a. entsprechende Gebühren, Berichtspflicht, die Einhaltung von Leitlinien und Vertraulichkeit. Die erste Firma, die 2018 zu diesen Bedingungen entsprechende Verträge abgeschlossen hat, ist die US-Firma Simplot,(3) die gentechnisch veränderte Kartoffeln entwickelt. DowDuPont hat dank der Möglichkeit, Zugang zu diesem Patente-Pool zu gewähren, eine bisher nicht dagewesene Marktmacht: Was auf der einen Seite als eine "Demokratisierung" des Patentrechtes angepriesen wird,(2) entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ein Mittel zur Kontrolle der WettbewerberInnen und zur Absicherung einer marktbeherrschenden Stellung. DowDuPont wird sozusagen zum Türwächter eines internationalen Patent-Kartells. Auch wenn es für Konzerne wie Bayer nach wie vor möglich ist, eigene, direkte Verträge abzuschließen, kommt das für kleinere ZüchterInnen wohl kaum in Frage. Allein schon die hohe Anzahl von relevanten Grundlagenpatenten zeigt, dass die mittelständischen Züchter bereits in diesem frühen Stadium der Technologieentwicklung weitgehend abgehängt sind, beziehungsweise in neue Abhängigkeit von übermächtigen Konkurrenten kommen werden.

Patente der einzelnen Firmen
Für spezielle Anwendungen beantragen die Konzerne jeweils weitere Patente, zusätzlich zu den bereits erwähnten Grundlagenpatenten. So haben u. a. Bayer und DowDuPont eigene Patente auf Nukleasen, deren Anwendung und entsprechend manipulierte Pflanzen angemeldet. In vielen Fällen dienen die neuen Verfahren dabei allerdings nur als Mittel zur Verfolgung alter Strategien. Sie werden in den Patenten oft nur als technische Hilfsmittel zur Erzeugung weiterer herbizidresistenter und insektengiftiger Pflanzen eingesetzt. Mit Hilfe der neuen Gentechnikverfahren werden so alte Konzepte wieder zu innovativen Erfindungen: Sowohl Bayer/Monsanto als auch DowDuPont haben Patente auf glyphosatresistente Pflanzen angemeldet, die mit dem CRISPR-Verfahren hergestellt werden. So kann auch in Zukunft das Kerngeschäft - die Vermarktung herbizidresistenter Pflanzen wie Soja, Mais, Raps und Baumwolle - durch neue Patentmonopole geschützt werden.

Es gibt aber auch Patente, die sich auf Anwendungen beziehen, die für die neuen Gentechnikverfahren spezifisch sind: So melden DowDuPont und auch Monsanto Patente auf natürlicherweise vorkommende DNA-Sequenzen im Erbgut von Pflanzen an, die besonders für den Einsatz von Nukleasen geeignet sein sollen. Andere Patentanmeldungen, bei denen neue und alte Gentechnik zum Einsatz kommen, beziehen sich auf Pflanzen mit verändertem Wachstum und Ertrag, veränderten Inhaltsstoffen, Resistenzen gegen Krankheiten oder technischen Veränderungen an den Nukleasen. In der Regel erstrecken sich die Patente auf Methoden, Saatgut, Pflanzen und oft auch auf deren Ernte.

Bei den neuen Gentechnikverfahren im Bereich Nutzpflanzen führt DowDuPont mit rund 60 internationalen Patentanmeldungen, Bayer/Monsanto folgt mit über 30 auf Platz 2. Die Firma Calyxt, die die erste Sojabohne vermarkten will, die mit neuer Gentechnik verändert wurde, kommt auf mehr als 20. Weiterhin mit dabei sind Syngenta und BASF, einige wenige Patente wurden auch von klassischen Züchtungsunternehmen wie Rijk Zwaan und der KWS angemeldet.

Folgen für den Saatgutmarkt
Über die Patente wird der Einfluss der großen Saatgutkonzerne weiterwachsen und der Konzentrationsprozess in der Branche weiter vorangetrieben. Schon jetzt verfügen nur 3 Unternehmen, "Baysanto", DowDuPont und Syngenta, über einen Anteil von über 50 Prozent am internationalen Saatgutmarkt.

Die Erfahrung zeigt, dass sich kleine und mittelständische Züchter in einer von Patenten geprägten Züchtungslandschaft nicht durchsetzen können. Die Folgen dieser knallharten Patentstrategie waren bereits in den 1990er Jahren absehbar, überlebt haben aber nur die Konzerne, die sich die besten PatentanwältInnen leisten können und nicht nur einige, sondern sehr viele Patente angemeldet haben. Die Einführung der neuen Gentechnik wird diese Entwicklung noch forcieren und auf den Bereich der Tierzucht ausweiten.

Der Konzern Genus, einer der größten im Bereich der Zucht landwirtschaftlicher Nutztiere, hat bereits angekündigt, Tiere nutzen zu wollen, die aus Genome Editing hervorgehen, und kooperiert dabei insbesondere mit der Firma Recombinetics, die bereits über ein Dutzend Patente auf Schweine und Rinder in Europa angemeldet hat.

Diese Entwicklung kann sogar erhebliche Auswirkungen auf die herkömmliche Züchtung haben: Patentiert werden nicht nur technische Verfahren, sondern auch die jeweiligen Pflanzen und Tiere mit ihren Eigenschaften. Dabei gilt der sogenannte "absolute Stoffschutz": Die Patente erstrecken sich auf alle Pflanzen und Tiere, die die beschriebenen Eigenschaften haben, unabhängig davon, wie sie gezüchtet oder gentechnisch verändert wurden. Ist also ein Salat z. B. resistent gegen Blattläuse, gilt ein entsprechendes Patent sowohl auf den mit CRISPR veränderten als auch den konventionell gezüchteten Salat. So wird das gesetzliche Verbot der Patentierung konventioneller Züchtung unterlaufen.

Autor Christoph Then ist Geschäftsführer des Vereins Testbiotech.


(1) Jorge L. Contreras/Jacob Sherkow (2017): CRISPR, surrogate licensing, and scientific discovery. Science, Bd. 355 Nr. 6326, S. 698-700. http://www.law.nyu.edu/sites/default/files/upload_documents/Contreras%20Sherkow%20-%202017%20-%20CRISPR%20Surrogate%20Licensing%20and%20Scientific%20Discovery.pdf.

(2) http://www.broadinstitute.org/news/ dupont-pioneer-and-broad-institute-join-forces-enable-democratic-crispr-licensing-agriculture.

(3) https://markets.businessinsider.com/news/stocks/j-r-simplot-company-secures-agricultural-research-and-commercial-license-from-corteva-agriscience-and-broad-institute-of-mit-and-harvard-1027434426.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NROs in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V.

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Quelle:
Rundbrief 2/2019, Seite 10 - 11
Herausgeber:
Forum Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 920
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Oktober 2019

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