Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

KLIMA/056: Reicht der EU ein Ziel von 30% Treibhausgasreduktionen für 2020? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 4/2010


Auf halbem Weg
Reicht der EU ein Ziel von 30% Treibhausgasreduktionen für 2020 oder sind 25% schon zu viel?

Von Dietrich v. Tengg-Kobligk


Während der englische Umweltminister Chris Huhne von höheren EU-Klimazielen wirtschaftliche Vorteile erwartet, warnt Kommissar Oettinger vor der Gefahr eine De-Industrialisierung Europas.

Momentan gilt für die Staaten der EU die griffige Formel 20% weniger CO2 mit 20% Erneuerbaren Energien und 20% Einsparungen durch Energieeffizienz bis 2020. Das klingt nur solange gut, bis man einmal ausrechnet, dass auf dem Weg von 100% Emissionen im Jahr 1990 zu 80- 95% Einsparungen im Jahr 2050, bis 2020 die Hälfte der Zeit abgelaufen ist und die Mitte im besten Fall 40% heißen kann.

Die internationale Klimapolitik kann nicht scheitern, denn sie ist unverzichtbar. Ohne eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls fehlt allerdings die Grundlage für einen weltweiten CO2 Handel, einstmals gefeiert als ein wirkungsvolles marktwirtschaftliches Instrument im Kampf gegen den Klimawandel. Für den Erfolg der UN-Klimaverhandlungen in Durban wäre ein mögliches Anheben der EU Reduktionsziele auf 30% bis 2020 ein wichtiges Signal. Doch in vielen Mitgliedsstaaten der EU wird befürchtet, dass ambitioniertere Ziele im Klimaschutz Wettbewerbsnachteile auf dem Weltmarkt bedeuten.

Mit der Klimaroadmap 2050 für eine kohlenstoffarme Wirtschaft und der Energieroadmap 2050 hat die EU-Kommission gleich zwei strategische Kommunikationspapiere auf den Weg gebracht, die fast 40 Jahre in die Zukunft planen. Für einen Abgeordneten, der bis zu seiner Wiederwahl denkt, ein deutlich zu langer Zeitraum. Für die Handlungsfähigkeit der EU, besonders bei schmerzlichen Einschnitten für den Klimaschutz, könnten die auf Grundlage der Roadmaps entstehenden Gesetzgebungen jedoch genauso notwendig werden, wie die in Deutschland eingeführte Schuldenbremse für die Durchsetzung von Sparmaßnahmen ist.

Die am 8. März von der Generaldirektion Klima veröffentlichte Klimaroadmap 2050 fokussiert auf der Vereinbarkeit von Klimazielen und wirtschaftlicher Entwicklung. Sie macht zwei wichtige Feststellungen: 25% EU-interne (!) Emissionsreduktionen können bis 2020 ohne nennenswerte wirtschaftliche Einbußen erreicht werden können und alternativ zu einem geänderten EU-Klimaziel mit komplizierten Gesetzesänderungen im ETS besteht auch die Möglichkeit ETSZertifikate vom Markt zu nehmen und auf diese Weise einen EU-CO2-Markt mit höheren Emissionszielen zu simulieren.

Obwohl mit den bisherigen Energieeffizienzmaßnahmen das zurzeit freiwillige Ziel maximal zur Hälfte erreicht werden könnte, enthält der gleichzeitig veröffentlichte Energieeffizienzplan keine neuen Impulse, sondern schlägt lediglich vor, 2013 ein weiteres Mal zu überprüfen, ob die Ziele erreicht werden.

Doch mit dieser zurückhaltenden Position zu höheren Emissionszielen steht die Kommission wissenschaftlich auf sehr wackeligen Füßen. Nicht nur, dass die EU mit 20% in 2020 die notwendige Begrenzung der maximalen Erderwärmung auf 2°C nicht erreichen kann, auch wirtschaftlich können die bestehenden Ziele nicht überzeugen. Das hat mehrere Gründe:

• Die bisherigen EU-Klimaschutzziele lassen sich aufgrund des Wirtschaftseinbruchs während der Finanzkrise so einfach erreichen, dass sie keine Anreizwirkung für klimafreundliche Investitionen mehr haben.

• Die benutzten Berechnungsmodelle berücksichtigten die Kosten des Klimaschutzes, aber nicht ausreichend die ökonomischen Vorteile von Klimaschutzmaßnahmen.

• Für die meisten ökonomischen Prognosen wurden aus heutiger Sicht unrealistisch niedrige Energiepreise angenommen. Das Modell der Kommission erwartet einen Preis von $ 90 Dollar im Jahr 2020 und maximal $ 115 im Jahr 2035.

Mehrere kürzlich veröffentlichte Studien bestätigen dies: "A new Growth Path for Europe"[1] , von PIK und BMU erststellt, kommt zu dem Ergebnis, dass ein EU-Einsparziel von 30% bis 2020 jährlich 0,6% zusätzliches Wachstum und insgesamt 6 Millionen neue Jobs anregen würde. Die CAN-Europe Studie "30%, Warum die EU ihre Klimaziele für 2020 höher stecken sollte"[2] stellt zudem fest, dass mit einem 30%-Ziel allein in Deutschland jährlich über 8 Mrd. EUR Gesundheitskosten eingespart werden könnten.

Der Autor ist seit November 2010 Europabeauftragter des Forum Umwelt & Entwicklung in Brüssel und arbeitet schwerpunktmäßig zu den Themen Klimaschutz und Energie.

[1] PIK/BMU "A new Growth Path for Europe":
http://www.european-climate-forum.net/fileadmin/ecfdocuments/Press/A_New_Growth_Path_for_Europe__Synthesis_Report.pdf

[2] CAN-Europe/FUE/KA "30%, Warum die EU ihre Klimaziele für 2020 höher stecken sollte":
http://www.die-klima-allianz.de/wp-content/uploads/2011/03/30Prozent.pdf


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


*


Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2011, S. 23
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Koblenzer Str. 65 53173 Bonn
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 0228/35 97 04, Fax: 0228/923 993 56
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Mai 2011