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KLIMA/067: Handel mit CO2-Emissionszertifikaten vermag den Planeten Erde nicht abzukühlen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Juni 2011

Klima: Handel mit CO2-Emissionszertifikaten vermag den Planeten Erde nicht abzukühlen

Von Stephen Leahy


Bonn, 24. Juni (IPS) - Die Emissionsmärkte werden oft als einzige Alternative angepriesen, um Staaten und Unternehmern die notwendigen finanziellen Mittel bereitzustellen, ihre klimaschädlichen Treibhausgasmissionen zu verringern. Problem ist nur, dass sich der bald 20-jährige Handel mit den CO2-Zertifikaten als wirkungslos aber als Goldgrube für Klimasünder und Kriminelle herausgestellt hat.

Warnungen der Weltpolizei Interpol zufolge hat das organisierte Verbrechen leichtes Spiel, um die Emissionsmärkte für ihre Zwecke zu missbrauchen. Anfang des Jahres gingen auf dem CO2-Markt der Europäischen Union Klimagutschriften oder Credits im Wert von 38 Millionen US-Dollar verloren. Bevor sie verschwanden, waren sie von tschechischen Computerhackern nach Polen, Estland und Liechtenstein transferiert worden. Das war das vierte Mal, dass Credits gestohlen oder verschoben wurden. Die Gutschriften berechtigen zum Ausstoß von einer Tonne CO2.

Wie Steve Suppan vom 'Institute for Agriculture and Trade Policy' (IATP), einer auf Landwirtschaft und Handel spezialisierten Denkfabrik mit Sitz in den USA, erklärte, "wird die Umwelt in große Schwierigkeiten geraten, sollte der Handel mit den Emissionszertifikaten in den nächsten zehn bis 15 Jahren weitergehen".

"CO2-Märkte sind für Betrügereien, Falschangaben und Fehlförderungen besonders anfällig", sagte Suppan gegenüber IPS am Rande der Klimakonferenz vom 6. bis 17. Juni am Sitz des UN-Klimasekretariats UNFCCC in Bonn. "Obwohl sie von den Regierungen intensiv gefördert werden, funktionieren sie nicht gut genug, um die klimaschädlichen Treibhausgasemissionen zu verringern."

Als die beiden wirksamsten Methoden, um das Problem des Klimawandels anzugehen, gelten die Verringerung der CO2-Emissionen gleich an ihrer Entstehungsquelle und die Bindung der Klimagase etwa durch Pflanzen, Bäume und Böden. Der Schutz solcher natürlichen Klimasenken macht eine besondere Förderung nachhaltiger Waldbewirtschaftungsmethoden, Agrar- und Weidepraktiken sowie Aufforstungs- und Wiederaufforstungsmaßnahmen erforderlich.


Einseitiger Lösungsansatz

Zu Unrecht werden nach Ansicht von Jutta Kill die Emissionsmärkte als einzige Alternative für die Beschaffung von Privatkapital zur Finanzierung von Klimaschutzprojekten dargestellt. Ebenso irrig sei die Annahme, Geld allein sei die Lösung des Problems, so die Vertreterin von 'SinksWatch', einer in Großbritannien ansässigen Nichtregierungsorganisation, die die Nachhaltigkeit von Kohlenstoffspeicherprojekten überprüft.

"Anfang der 1990er Jahre, als das Kioto-Protokoll Thema der UNFCCC-Verhandlungen war, wollte mit Ausnahme der USA niemand, dass die Märkte Teil des Klimaabkommens werden", erinnerte Payal Parekh, eine Energieexpertin aus der Schweiz. Doch am Ende hätten die europäischen und anderen Länder "einen Pakt mit dem Teufel geschlossen".

Das Kiotoprotokoll von 1997 verpflichtet die Industriestaaten dazu, ihren Ausstoß vom sechs Treibhausgasen - Kohlendioxid, Lachgas, Methan, perflourierte Kohlenwasserstoffe, Schwefelhexaflourid und teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe - im Zeitraum 2008 bis 2012 um mindestens fünf Prozent unter das Niveau von 1990 zu drücken. Die USA verweigerten ihre Unterschrift unter das Protokoll und stiegen aus dem gesamten Abkommen aus.

Das Kioto-Protokoll gestattet den reichen Staaten und Unternehmen des Nordens, die von ihnen verursachten Klimagase durch Investitionen in klimafreundliche Projekte in Entwicklungsländern auszugleichen. Dahinter steckt die Idee, dass der Klimawandel ein weltweites Problem ist und als solches dort bekämpft werden kann, wo die Kosten dafür am geringsten sind.

Damit Projekte zur Anrechnung kommen, müssen sie beim Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung (CDM) registriert werden, dem bedeutendsten der zur Verfügung stehenden Klimaschutzinstrumentarien. Dann wird für jede eingesparte Tonne CO2 ein Kreditpunkt vergeben. Die Punkte können direkt an Umweltverschmutzer verkauft und international gehandelt werden. Bisher wurden fast 3.200 Projekte in Afrika, Asien, der Pazifikregion, in Osteuropa, Lateinamerika und Karibik angemeldet.


CDM versagt

"Doch der CDM ist umstritten, denn unterschiedlichen Studien zufolge haben zwischen 20 und 90 Prozent seiner Projekte nicht zu einem weltweiten Rückgang der CO2-Emission geführt", sagte Parekh. "Die Industriestaaten", ist sie überzeugt, "hätten ihren Kioto-Verpflichtungen auch ohne die Emissionsmärkte nachkommen können".

Der größte CO2-Markt ist das EU-Emissionshandelssystem EU ETS, über das 95 Prozent des Transaktionsvolumens in Höhe von 144 Milliarden US-Dollar abgewickelt wird. Jutta Kill von SinksWatch zufolge kommt jedoch nur ein kleiner Bruchteil der Gelder tatsächlich dem Klimaschutz zugute.

Wie die Expertin Parekh betonte, gibt es durchaus sinnvolle Alternativen wie etwa Finanztransaktionssteuern. Eine Koalition von Arbeits-, Entwicklungs- und Umweltgruppen forderte die Unterhändler auf der Bonner Klimakonferenz dazu auf, die Einführung einer Steuer von unter einem US-Cent auf Finanztransaktionen in Erwägung zu ziehen. Auf diese Weise ließen sich nicht nur bis zu 600 Milliarden Dollar im Jahr für den Klimaschutz generieren, sagte Bob Baugh von der US-amerikanischen Gewerkschaft AFL-CIO. Auch werde den Marktspekulanten dadurch der Wind aus den Segeln genommen.

"Jeder spricht von der Notwendigkeit eines Grünen Klimafonds, doch niemand ist bereit, über die Finanzierung zu reden", kritisierte Baugh in Bonn. Ein Grüner Klimafonds soll den Entwicklungsländern dabei helfen, sich auf den Klimawandel einzustellen. "Frankreich und Deutschland und sogar der Internationale Währungsfonds halten eine Finanztransaktionssteuer für eine gute Idee. Es wird Zeit, dass die Finanzindustrie das Richtige tut." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.iatp.org/
http://www.sinkswatch.org/
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2011