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KLIMA/148: Nach dem Klimagipfel in Durban - Die Konzerne dürfen der Welt weiter einheizen (Leo Mayer)


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Nach dem Klimagipfel in Durban: Die Konzerne dürfen der Welt weiter einheizen

von Leo Mayer, 5. Januar 2012


Vom 28. November bis 11. Dezember 2011 fand im klimatisierten Konferenzzentrum von Durban (Südafrika) die 17. Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (COP 17) und der 7. Vertragsstaatenkonferenz des Kyoto-Protokolls (CMP 7) statt. Dass diese UN-Klimakonferenz in Afrika stattfand - dem Kontinent mit den verwundbarsten Staaten und bereits jetzt existentiell vom Klimawandel betroffen - hätte den Delegierten die Augen für die Realitäten öffnen können.

Bereits im Vorfeld der Konferenz hatten die Internationale Energieagentur (IEA) [1] sowie die UN-Organisation für Meteorologie [2] verheerende Daten und Prognosen veröffentlicht: Es gebe wenig Anzeichen dafür, dass der dringend notwendige Kurswechsel bei den weltweiten Energietrends eingeleitet wurde. Im Gegenteil: Die CO2-Emissionen sind 2010 auf ein neues Rekordhoch gestiegen. Die Aussichten, die Erderwärmung auf 2°C beschränken zu können, sinken immer weiter. Werden die bereits vereinbarten Maßnahmen umgesetzt - was durchaus nicht sicher ist - dann steigt nach dem zentralen Szenario des Berichts der IEA die globale Durchschnittstemperatur um 3,5°C. Werden sie nicht umgesetzt, wird die Lage noch dramatischer. Die Durchschnittstemperatur könnte um sechs Grad steigen. Mit wachsender Geschwindigkeit. Die 13 wärmsten Jahre seit Beginn der Klimaerfassung im Jahr 1850 liegen in den zurückliegenden 15 Jahren. Das Jahr 2010 war das Jahr mit dem bisherigen Temperaturrekord. Mit der weiteren Klimaerwärmung sei mit immer mehr Stürmen, Dürren und Sturmfluten zu rechnen. Wetterphänomene, die bisher auf bestimmte Regionen begrenzt gewesen seien, würden sich jetzt in anderen Gebieten ausbreiten. Der Klimawandel verschärft zunehmend Armut und Hunger, und stets müssen die ärmsten Menschen am meisten darunter leiden, weil sie sich am wenigsten schützen und anpassen können.

Trotz dieser düsteren Aussichten endeten die Klimaverhandlungen in Durban wie sie begonnen hatten: ohne Erfolg. Die Regierungen haben lediglich einen Fahrplan zu einem Abkommen vereinbart, das im Jahr 2020 in Kraft treten soll. 2020: nach neun weiteren Jahren massiver Emissionen. Neun weitere Jahre in denen 85 Prozent aller globalen Emissionen keiner festen Begrenzung unterworfen sind. So geht auch nach diesem Klimagipfel die Fahrt in die Klimakatastrophe mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Dessen ungeachtet bezeichnete Bundesumweltminister Röttgen das vereinbarte "Durban-Paket" als "großen, wegweisenden Erfolg für den Klimaschutz" und "qualitativen Sprung nach vorne".


Das "Durban-Paket"

Dieses Paket von Entscheidungen (Durban Platform for Enhanced Action) beinhaltet im Wesentlichen:

• einen Fahrplan für ein neues Klimaschutzabkommen, das dann für alle Staaten gelten soll. Mit Beginn dieses Jahres wird eine neue Ad-hoc-Arbeitsgruppe damit beginnen, das neue Klimaschutzabkommen zu verhandeln. Es soll so schnell wie möglich, spätestens jedoch 2015 verabschiedet werden und 2020 in Kraft treten.

• Das Kyoto-Protokoll wird mit einer zweiten Verpflichtungsperiode weitergeführt. Offen ist, ob bis Ende 2017 oder Ende 2020. Bis zur nächsten UN-Klimakonferenz Ende 2012 in Katar sollen die Minderungszusagen, die Emissionsbudgets und andere Fragen geklärt werden. Die einzelnen Staaten sollen dazu bis Mai 2012 Vorschläge vorlegen.

Die Emissionsgrenzen aus dem Kyoto-Protokoll gelten allerdings nur für bislang 37 Industriestaaten, nicht aber zum Beispiel für die USA und China. Japan, Russland und Neuseeland haben zudem bereits angekündigt, sie wollten bei einer zweiten Verpflichtungsperiode nicht mehr dabei sein. Kanada hat kurz nach der Konferenz seinen Austritt aus dem Kyoto-Abkommen verkündet. Kanada tritt aus dem Kyoto-Abkommen aus, weil in dem Land die Emissionen durch die Ölgewinnung aus Ölsanden rasch ansteigen. Die kanadische Regierung hat in Abstimmung mit Unternehmen wie z.B. Shell eine "Strategie zur Befürwortung von Ölsanden" aufgestellt, mit der die globale Klimapolitik beeinflusst werden soll. Kanadas Austritt aus dem Kyoto-Abkommen und seine umweltschädliche Politik ist ein weiterer Schlag für das Abkommen und das Klima, denn es bleiben nur noch die EU-Staaten und wenige weitere Länder wie die Schweiz, Norwegen und Australien übrig. Sie verursachen zusammen ca. 16 Prozent der weltweiten Emissionen; mit abnehmender Tendenz.

• Die Arbeitsfähigkeit des bereits in Cancun beschlossenen Grünen Klimafonds (GCF) soll hergestellt werden. Der Fonds soll dazu beitragen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar (74 Milliarden Euro) für Entwicklungsländer bereitzustellen, damit sie sich an die Folgen des Klimawandels anpassen können. Zudem sollen klimafreundliche Projekte unterstützt werden. Woher die geplanten Milliardensummen für diesen Fond kommen sollen, wurde allerdings auch in Durban wieder nicht geklärt.

• Darüber hinaus wurde u.a. ein Arbeitsprogramm zum Umgang mit dem Problem durch Klimawandel eintretender Schäden beschlossen. Die unterirdische CO2-Speicherung (CCS) wird als Klimaschutzmaßnahme anerkannt.

Was die EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard und Umweltminister Röttgen als Durchbruch für einen Weltklimavertrag feiern, sehen Umweltschützer deutlich kritischer. "Die traurige Nachricht ist, dass die Blockierer - angeführt von den USA - einen Erfolg für sich verbuchen konnten, indem sie eine Revisionsklausel von vitaler Bedeutung einfügten, die es ihnen leicht machen wird, zu verhindern, dass das nächste Klimaabkommen rechtlich bindend wird. Wenn dieser Weg fortgesetzt wird, dann ist das desaströs", erklärte z.B. Kumi Naidoo, Exekutivdirektor von Greenpeace International. Mit der Formel, eine "Vereinbarung mit Rechtskraft" (outcome with legal force) - ein Ausdruck, den es in der internationalen Rechtsprechung gar nicht gibt - haben sich die USA und die fossilen Industriekonzerne unter Mithilfe von Indien in der letzten Verhandlungsnacht ein Schlupfloch geschaffen, um die rechtliche Form eines künftigen Abkommens zu verwässern.

Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbund Deutschland (NABU) kritisiert: "Die rechtlichen Vereinbarungen sind schwach und die Zusagen für die CO2-Reduzierung reichen nicht aus - so ist das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, nicht erreichbar. Ein schwaches Kyoto II und ein vages Mandat für ein neues Klima-Abkommen. Wer dieses Ergebnis als großen Erfolg verkauft, betreibt Greenwashing. Die Verantwortung für das unbefriedigende Ergebnis tragen in erster Linie Blockade-Staaten wie die USA und Kanada. Auch Schwellenländer wie China und Indien sind nicht bereit gewesen, sich auf das Ziel eines rechtsverbindlichen Abkommen einzulassen. Aber auch Deutschland und die EU haben eine Mitverantwortung".


ALBA-Staaten für verbindliches Abkommen und Überwindung des Kapitalismus

Wie schon beim Klimagipfel in Kopenhagen im Dezember 2009 sind vor allem die Länder des linksgerichteten ALBA-Bündnisses auch in Durban sehr kritisch aufgetreten und haben auf ein verbindliches Abkommen mit konkreten Zielen zur Reduktion des CO2-Ausstoßes gedrängt. In der Abschlusssitzung sagte die Vertreterin Venezuelas Claudia Salerno: "Dieses Abkommen wird die ganze Welt töten."

Boliviens Vizepräsident Alvaro García Linera griff die entwickelten Länder scharf an und sagte, dass die "groteske Akkumulation" des Kapitals die Menschheit in ein ökologisches Desaster führe. Die kapitalistische Moderne führe zur Selbstzerstörung der Gesellschaft. Er kritisierte die Mechanismen, nach denen die weniger entwickelten Länder für die Industriestaaten die Rechnung zahlen müssten. Staaten wie Bolivien sorgen für den Schutz der Wälder oder des Wassers, während einige hochentwickelte kapitalistische Staaten Schuld am Klimawandel haben. Nur radikale und unverzügliche Verpflichtungen der Industriestaaten könnten das tragische Schicksal der Menschheit noch abwenden.

Die Regierung Ecuadors, die sich stark für die Einrichtung des "Grünen Klimafonds" einsetzte, wies darauf hin, dass das Yasuní-ITT-Projekt der einzige konkrete Vorschlag auf dem Weltklimagipfel im südafrikanischen Durban sei. Der Yasuní-Nationalpark in Ecuador ist einer der wertvollsten Gebiete für die biologische Vielfalt weltweit und in den letzen Jahren auch für die internationale Klimadebatte zentral geworden. Denn unter dem Regenwald schlummern geschätzte 846 Millionen Barrel Schweröl. Verbleiben die Ölvorkommen im Boden, würden Emissionen in Höhe von 407 Millionen Tonnen Kohlendioxid und 800 Millionen Tonnen Kohlendioxid durch die Abholzung des darüber liegenden Regenwaldes vermieden. Um den Erhalt des ökologisch einzigartigen Gebietes zu sichern, erklärte sich die ecuadorianische Regierung unter Präsident Rafael Correa bereit, die Vorkommen aus dem Ölfeld Ishpingo Tambococha Tiputini im Yasuní-Nationalpark im Boden zu belassen. Im Gegenzug hierzu sollen die für den Klimawandel verantwortlichen entwickelten Staaten für die Hälfte der entgangenen 7,2 Milliarden US-Dollar Erlöse aufkommen. Aus einem von den Vereinten Nationen verwalteten Treuhandfonds sollen jährlich 350 Millionen US-Dollar über einen Zeitraum von 13 Jahren für soziale und ökologische Projekte im Amazonasraum verwendet werden. Diese Zahlungen sind einerseits ein Ausgleich für den Ausfall der Einnahmen und gleichzeitig eine Kompensation für bereits ausgebeutete Umweltressourcen, bei denen die Gewinne stets dem Kapital vor allem in den entwickelten Ländern des Nordens zugute kamen.

Nach Abschluss der Konferenz gab Ecuador bekannt, dass die ersten 100 Millionen US-Dollar für das Klimaschutzprojekt Yasuní-ITT zugesagt worden seien. Damit ist das bis Ende des Jahres gesetzte Ziel erreicht und das Öl wird zumindest vorerst nicht ausgebeutet. Der deutsche Bundestag hatte sich allerdings Ende November mit der Mehrheit der Regierungskoalition gegen die Beteiligung an dem von der UNO verwalteten Treuhandfonds entschieden. Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hatte eine frühere Zusage der Großen Koalition zurückgezogen, jährliche Zahlung von 40-50 Millionen Dollar für das Yasuní-Projekt zu leisten.


Konzern-Lobby hat sich durchgesetzt

So kompliziert die vereinbarten Punkte im Einzelnen sein mögen, so einfach ist die Wahrheit über das Ganze: Die umweltverschmutzenden und ressourcenverschlingenden Multis haben auch diese Runde der Klimaverhandlungen gewonnen; vertreten durch eine Gruppe Politiker, denen nichts an einem Fortschritt zu einem globalen und verbindlichen Abkommen zu einer schnellen und drastischen Reduzierung der Schadstoffemissionen liegt. Angeführt von den USA, die nach dem Scheitern der Umweltinitiativen Barak Obamas und im beginnenden Wahlkampf politisch bis auf weiteres gelähmt sind durch eine Mafia aus Öl-, Kohle-, Automobil- und Rüstungsindustrie in Verbindung mit ultrakonservativen Hardlinern, die Millionen in Anti-Klimaschutz-Kampagnen stecken.

CO2-intensive Konzerne und ihre Netzwerke aus Wirtschaftsverbänden, Medien, Denkfabriken und Politik blockieren mit ihrem Einfluss den Klimaschutz. Sektorspezifische Wirtschaftsverbände, wie zum Beispiel das American Petroleum Institute, die Canadian Association of Petroleum Producers, aber auch die Verbände der europäischen Chemie- und Stahlindustrie, Cefic, BusinessEurope, Eurofer oder die "Alliance for a Competitive European Industry" bekämpfen mit allen Mitteln verbindliche Vereinbarungen und Maßnahmen, die den Treibhausgasausstoß senken würden, oder bewerben die ungebremste Nutzung fossiler Energiequellen. Die geplante Anhebung des Emissionsminderungsziels der Europäischen Union für 2020 von 20 auf 30 Prozent wurde durch die massive Lobby-Arbeit dieser europäischen Verbände und CO2-intensiver Unternehmen, darunter v.a. BASF, ArcelorMittal hintertrieben.


Klimagerechtigkeit

Nach Durban werden nun auch China, Brasilien, Südafrika und Indien verbindliche Ziele akzeptieren und umsetzen. Die Regierung der VR China hatte eine Woche vor Beginn der Konferenz ein Weißbuch über "Chinas Politik und Vorgehen zur Bekämpfung des Klimawandels 2011" veröffentlicht. "China darf die Fehler, die Industriestaaten bei der Industrialisierung und Urbanisierung gemacht haben, auf keinen Fall wiederholen. Parallel zur Entwicklung muss China die Emission der Treibhausgase effektiv eindämmen", sagte Xie Zhenhua, Vizedirektor der chinesischen staatlichen Kommission für Entwicklung und Reform bei der Vorstellung des Weißbuches. Er verwies auf Erfolge im Bemühen um die Eindämmung der Emissionen und auf die verbindliche Festsetzung, dass bis 2015 die CO2-Emission und der Energieverbrauch pro BIP3 Einheit gegenüber 2010 jeweils um 17 und 16 Prozent sinken sollen. Gleichzeitig bekräftigte er die Position Chinas, dass gemäß der UN-Rahmenkonvention über Klimawandel und dem Kyoto-Protokoll, das das Prinzip "gemeinsame aber unterschiedliche Verantwortung" einfordert, zuerst die entwickelten Industriestaaten die Schadstoffemission in großem Maße senken müssen.

Damit bleibt der grundlegende Konflikt ungelöst: Die Schwellenländer verlangen von den Industrieländern und v.a. den USA einen verbindlichen Beitrag zum internationalen Klimaschutz. Sie wollen, dass bei einem Abkommen die historische Verantwortung der industrialisierten Länder ebenso berücksichtigt wird wie das Recht der armen Länder auf Entwicklung und erwarten, dass die entwickelten Industrieländer vorangehen müssen bei einem grundlegenden Wandel der Produktions- und Konsumtionsweise zur einschneidenden Reduzierung der Emissionen. Die USA halten dagegen, dass die Schwellenländer das wahre Problem seien und sich v.a. China verpflichten müsste, weniger Treibhausgase auszustoßen.

In Durban hat die indische Umweltministerin mit ihrer Zustimmung zum Verhandlungspaket das Thema "globale Gerechtigkeit beim Klimaschutz" stark betont. Diese Frage - die gerechte Verteilung der Verpflichtung zur Emissionsminderung und die Hilfe für die schwach entwickelten Länder - wird ein zentrales Thema der Verhandlungen in den nächsten Jahren werden. Die Kommunistische Partei Indiens (Marxisten) hatte bereits beim Klimagipfel in Kopenhagen erklärt: "Indien sollte zur Reduzierung der Emissionen Mittel und Technologietransfer von den industrialisierten Ländern fordern. Und dass das ganz klar ist: diese Mittel sind kein »Geschenk« von einigen der reichsten Länder der Welt, sondern es ist ein kleiner Versuch ihrer Seite die Millionen von Armen in den Entwicklungsländern für die massive Krise zu entschädigen, in die sie die Welt getrieben haben, mit ihrem stumpfsinnigen, profitgetriebenen, ökologisch wahnsinnigen »Entwicklungsparadigma«, das sie seit Jahrhunderten verfolgen. Diese Mittel können für eine totale Erneuerung der Energiepolitik genutzt werden, um von der fossilen Energiepolitik zu einer ökologisch vernünftigeren zu kommen, die auf erneuerbare Energieressourcen setzt."[3]


Neue Allianzen

Angesichts dieses grundsätzlichen Konfliktes wird das gemeinsame Handeln der Schwellen- und Entwicklungsländer zu einem ausschlaggebenden Faktor für die Frage der "Klimagerechtigkeit" in den kommenden Verhandlungen. Aber auch in dieser Hinsicht ist nach Durban Skepsis angebracht. In der Vergangenheit hatten die Schwellenländer mit den Entwicklungsländern und Inselstaaten gemeinsame Positionen in den Klimaverhandlungen gegenüber den Industriestaaten vertreten. Aber bereits in Kopenhagen war es zu einem Riss gekommen, als die Schwellenländer dem Abschlussdokument zustimmten. "Mit einem äußerst schmachvollen Verrat an der Einheit der Dritten Welt haben Indien und China auf die Erpressung durch die USA geantwortet, in dem sie die Gruppe der 77 (G-77) [4] beiseite legten und einen US-diktierten »Deal« unterzeichneten. Es ist schockierend und beschämend, dass Indien und China, zusammen mit Brasilien und Südafrika, sich entschieden haben, diesen »Deal« zu unterzeichnen - ein Abkommen, welches den Abschied von der langjährigen Position der Entwicklungsländer zu den Klimaverhandlungen bedeutet", erklärte damals die KP Indiens (Marxisten).

In Durban kam es jetzt zum Schulterschluss zwischen der EU, den kleinen Inselstaaten, einer Gruppe afrikanischer Länder sowie den am wenigsten entwickelten Ländern; geeint durch die Position, dass mächtige Schwellenländer wie Indien, China und Brasilien mehr für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen tun müssten. Entwicklungsminister Dirk Niebel deutete dies sofort als Spaltung des früheren Lagers, das China mit den ärmsten Ländern gebildet hat. Bundesumweltminister Röttgen erklärte: "Durch ein starkes Bündnis zwischen der EU, den am schwächsten entwickelten Staaten und den kleinen Inselstaaten, die am meisten vom Klimawandel bedroht sind, ist es gelungen, ein Paket von Maßnahmen zu schnüren, das langfristig alle und vor allem auch die großen Emittenten verpflichten wird. Dieses Bündnis werden wir auch über die Konferenz hinaus weiter fortsetzen."[5] Selbst der Naturschutzbund Deutschland begrüßt, "dass Deutschland und die EU Führungsstärke gezeigt und neue, zukunftsträchtige Allianzen geformt haben."[6]

"Zukunftsträchtige Allianzen" für den Schutz des Klimas und der Menschen sowie für die Durchsetzung von "Klimagerechtigkeit" können jedoch nur aus der Zusammenarbeit der Schwellen- und Entwicklungsländer mit den fortschrittlichen Bewegungen in aller Welt erwachsen. Die Losung von Kopenhagen - Verändert das System, nicht das Klima - hat nichts von ihrer Bedeutung eingebüßt.


Kapitalismus untergräbt die "Springquellen alles Reichtums"

"Offensichtlich gibt es keinen Weg, um im Rahmen der kapitalistischen Weltwirtschaftsordnung die globale Klimakatastrophe abzuwenden", hatte die DKP nach dem Scheitern des Kopenhagener Klimagipfels erklärt.[7] Die Ergebnisse von Durban bestätigen diese Wertung.

Der Anteil der Klimagase in der Atmosphäre steigt immer schneller, stellt die UN-Organisation für Meteorologie fest und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zieht daraus den Schluss, dass alle Befürchtungen des Weltklimarates übertroffen werden. Die Internationale Energieagentur (IEA) stellt fest, dass es wenig Anzeichen dafür gibt, dass der dringend notwendige Kurswechsel bei den weltweiten Energietrends eingeleitet wurde. Eine Trendwende ist auch angesichts des wachsenden Energiehungers und des rasant zunehmenden Gütertransports und Personenverkehrs nicht in Sicht. Damit werden auch die klimaschädlichen CO2-Emissionen weiter steigen. Trotz dieser katastrophalen Aussichten kommt bei den Klimaverhandlungen ein Ergebnis zustande, mit dem das Ziel, die Erderwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen, nicht erreichbar ist. Dabei bleiben nur noch wenige Jahre, um das Zwei-Grad-Ziel zu realisieren.

Der gesellschaftliche und politische Block an der Macht kann bisher noch jede Alternative blockieren. Das "Handelsblatt" hat in bemerkenswerter Offenheit zugegeben, dass es für "Unternehmen, die für den größten Teil der klimaschädlichen Emissionen verantwortlich sind", ... ökonomisch sinnvoll (ist), ihre Klimaschutzbemühungen auf einem Minimum zu halten. Kosten zu externalisieren, also auszulagern, wo immer es legal ist, und damit den eigenen, wenn auch nur kurzfristigen, Gewinn zu maximieren, ist das natürlichste der Welt für sie. Es ist rational, die Luft zu verschmutzen, sie kostet ja nichts."[8] Dass das vielgepriesene Modell der EU für den Handel mit Verschmutzungsrechten hier keine Abhilfe schafft, zeigt sich gegenwärtig. Die großzügige Zuteilung von Verschmutzungsrechten zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit hat diese so billig gemacht, dass es sich für Unternehmen nicht lohnt, in klimafreundliche Technologie zu investieren. Der Handel mit Klimazertifikaten erweist sich als eine noch tiefer in die Logik der kapitalistischen Marktwirtschaft hineinführende klimapolitische Sackgasse.

Zwar setzen sich im Kapitalismus umweltschonende Technologien tendenziell durch, weil höhere Ressourcenproduktivität - wenn z.B. aus einer Tonne Stahl etc. mehr Gebrauchsgüter als vorher hergestellt werden - zu höherer Arbeitsproduktivität führt. Aber deren ressourcenschonender Effekt wird durch das kapitalistische Produktionswachstum zunichte gemacht: Da die Verwertung des Werts der Selbstzweck des Kapitals und die wachsende Aneignung des abstrakten Reichtums das treibende Motiv kapitalistischer Produktion ist, kennt das Kapital kein Maß außer sich selbst und leugnet jegliche Grenzen. Die Folge ist die unaufhaltsam voranschreitende Zerstörung der Natur.

Im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise haben umweltschonendere Technologien bisher nicht dazu geführt - und werden auch nicht dazu führen -, dass der Verbrauch von Ressourcen und der Ausstoß von Abfall gesunken wäre. Die Steigerung der Ressourcenproduktivität hat die Naturzerstörung nicht gestoppt, weil die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Produktionsweise die wirtschaftlichen Prozesse bestimmen und jeden einzelnen Kapitalisten zwingen, sein Kapital fortwährend auszudehnen, den maximalen Profit zu erzielen und seine Produktion auf ständig erweiterter Stufenleiter fortzusetzen, um sein Kapital zu erhalten. Das Kapital ignoriert - und muss in seinem systemimmanenten Streben nach Maximalprofit ignorieren -, dass wir auf unserem Planeten in einer endlichen Welt mit ihren objektiven Grenzen leben. Die Natur ist weder in der Lage, in ständig wachsendem Maße der Produktion die Rohstoffe zu liefern noch deren Abfälle aufzunehmen. Wie Marx prognostiziert hat: "Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter."[9]

Und so geht es nicht darum, den Wachstumszwang des Kapitalismus zu bekämpfen, sondern sein immanenter Wachstumszwang ist ein Grund mehr, für die Überwindung des Kapitalismus zu kämpfen. Wenn es früher möglich war, links oder Kommunist zu sein, ohne ökologisch zu sein, so kann heute eine linke Perspektive nur eine ökologische sein. Heutzutage ist die soziale Frage untrennbar mit dem ökologischen Umbau der Produktions- und Konsumtionsweise verbunden. Soll das Klima stabilisiert werden, dann muss bis zum Jahr 2050 der Verbrauch von fossilen Energieträgern und anderen wichtigen Rohstoffen im Vergleich zu 1990 auf 20 Prozent gesenkt werden. Selbst bei einem jährlichen Nullwachstum würde dies eine Steigerung der Materialeffizienz auf das Fünffache erfordern. Schon ein Wachstum von einem Prozent würde eine Steigerung auf das Achtfache erfordern. Auch unter Berücksichtigung aller umwelttechnologischen Innovationen erscheint dies unmöglich zu sein. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes ist die Materialeffizienz unter Berücksichtigung des importierten Rohstoffverbrauchs im Zeitraum von 2000 bis 2008 lediglich um sieben Prozent gestiegen. Deshalb steht die Entwicklung an einer Gabelung: Festhalten an der profitgetrieben kapitalistischen Produktionsweise und Zerstörung der Biosphäre oder Einstieg in den ökologischen Umbau der Produktions- und Konsumtionsweise.


"Verändert das System, nicht das Klima"

Wenn davon ausgegangen werden muss, dass der "europäische" oder "US-amerikanische" Lebensstil nicht für die gesamte Menschheit verallgemeinerbar ist und wir die gegenwärtige Krise auch als eine Krise der kapitalistischen Lebensform verstehen, dann müssen die Linken und Kommunisten den Kampf um die Verteidigung des Lebensstandards und des Sozialstaats mit der kulturellen und psychologischen Anpassung der arbeitenden Klasse an die veränderten globalen Realitäten verbinden und so zur Formierung einer wirklich "zukunftsträchtigen Allianz" beitragen, die die gesellschaftlichen und politischen Kräfte gemäß den grundlegenden und langfristigen Entwicklungserfordernissen mobilisiert. Die Kampagne der Partei der Europäischen Linken für einen "Fonds für Soziale Entwicklung und Solidarität" ist ein Versuch die Themen Schuldenkrise, Macht der Finanzmärkte, Arbeitsplätze, sozialer und ökologischer Umbau und eine solidarische Entwicklung Europas zusammenzuführen.

Die Strategie von Konservativen und Sozialdemokraten, mit mehr Wettbewerb und Wachstum der Finanzkrise und der beginnenden Rezession zu begegnen, ist zum Scheitern verurteilt. Zum einen, weil die Regierungen mit ihrer Sparpolitik zur Konsolidierung der Haushalte das Wachstum abwürgen, aber auch weil die bisherige Wachstumsrichtung zur beschleunigten Zerstörung der Umwelt und zu immer höheren Kosten für die Reparatur der Umwelt führen würden. Eine Lösung kann es nur durch einen Richtungswechsel geben: massive öffentliche Investitionen für den ökologischen Umbau und die Schaffung sinnvoller Arbeit und humaner Arbeitsbedingungen; bezahlt durch die Besteuerung großer Einkommen und Vermögen, der Banken und Konzerne. Deshalb ist die Botschaft von Durban, noch entschiedener für die Eindämmung der Macht der Multis und die Überwindung des Kapitalismus zu kämpfen. Das Klimathema muss als Teil der gegenwärtigen Krisenproblematik wieder stärker und im Zusammenhang mit der sozialen Krise auf die Tagesordnung gesetzt werden. Während die Regierungen bis 2015 verhandeln und die Konzerne dabei im Hintergrund die Strippen ziehen, müssen die gesellschaftlichen Kräfte handeln und in der EU eine Reduzierung der CO2-Emissionen bis 2020 um 40 Prozent verglichen mit 1990 durchsetzen. Derzeit liegt das Ziel bei 20 Prozent. Es gilt, die Energiewende voranzubringen und die Macht der Energiemultis einzudämmen. Die Blockadepolitik der Bundesregierung gegenüber dem Fond für das Yasuní-ITT-Projekt muss gebrochen und es müssen viel mehr Gelder für die internationale Finanzierung von Klimaschutzmaßnahmen bereitgestellt werden. Es müssen alle Schlupflöcher geschlossen werden, in denen reale Treibhausgas-Emissionen unentdeckt bleiben oder mit der Begründung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit toleriert werden. Das alles hat Durban nicht erreicht.

Es gilt die Aufforderung des US-amerikanischen Umweltaktivisten und Autoren Bill McKibben: "Macht Euch nicht zu viele Gedanken darüber, wie Ihr den Einfluss auf die Umwelt runterfahren könnt. Ihr wisst was zu tun ist, und Ihr werdet davon das machen, was Ihr könnt. Macht Euch lieber Gedanken darüber, wie Ihr euren Einfluss auf die Klimapolitik steigern könnt."

Leo Mayer, stellv. Vorsitzender der DKP, Mitarbeiter beim Institut für sozial-ökologische Wirtschaftsforschung isw, München


[1] http://www.worldenergyoutlook.org/docs/weo2011/es_german.pdf

[2] http://www.wmo.int/pages/mediacentre/press_releases/gcs_2011_en.html

[3] http://cpim.org/content/copenhagen-agreement

[4] Die Gruppe der 77 (G 77) ist ein loser Zusammenschluss von Staaten, die überwiegend zu den Schwellenund Entwicklungsländern gezählt werden. Die Vereinigung wurde 1964 im Verlauf der ersten Welthandelskonferenz (UNCTAD) gegründet und hat mittlerweile 130 Mitglieder. Hauptziel der G 77 ist es, durch Koordinierung die Position der Entwicklungsländer auf dem Weltmarkt und bei internationalen Verhandlungen zu verbessern.

[5] http://www.bmu.de/pressemitteilungen/aktuelle_pressemitteilungen/pm/48145.php

[6] NABU Pressedienst 11.12.2011, http://www.nabu.de/presse/pressemitteilungen/index.php?popup=true&show=3821&db=presseservice

[7] DKP Presseerklärung 21.12.2009, http://www.kommunisten.de/index.php?option=com_content&view=article&id=1106:ewrtrwt&catid=49:pressemitteilungen&Itemid=113

[8] "Keine Märchen mehr übers Klima!", www.handelsblatt.com, 30.11.2011 http://www.handelsblatt.com/unternehmen/management/strategie/keine- maerchen-mehr-uebersklima/5887902.html

[9] Marx/Engels, MEW Bd. 23, S. 529


Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Vorabdruck aus den Marxistischen Blättern Nr. 1/2012, erschienen auf www.kommunisten.de
URL: http://www.kommunisten.de/attachments/3182_Nach%20dem%20Klimagipfel%20in%20Durban.pdf


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Quelle:
www.kommunisten.de
mit freundlicher Genehmigung des Autors und der Redaktion der Marxistischen Blätter


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Januar 2012