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KLIMA/369: Plötzlich nur noch Entwicklungsländer? In Lima tagt die Klimakonferenz (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 50 vom 12. Dezember 2014
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Plötzlich nur noch Entwicklungsländer?
In Lima tagt die Klimakonferenz

von Bernd Müller



Heute, am Erscheinungstag dieser UZ, geht der Klimagipfel in der peruanischen Hauptstadt Lima zu Ende. Die Unterhändler aus fast 200 Ländern sind dort zusammengekommen, um einen neuen Weltklimavertrag vorzubereiten. Dieser soll im kommenden Jahr in Paris beschlossen werden und festschreiben, welche Verpflichtungen jedes Land eingehen will.

Beobachter schilderten eine optimistische Stimmung zu Beginn des Gipfeltreffens. Es dauerte aber nur wenige Tage bis alte Streitfragen wieder in den Vordergrund rückten. Die erste Woche verlief recht zufriedenstellend, sagten Konferenzteilnehmer gegenüber dem Online-Magazin klimaretter.info. Das solle aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass erst in der zweiten Woche über die wirklich strittigen Fragen diskutiert werden sollte.

Es sind sich zwar alle weitgehend einig, dass etwas getan werden sollte, nicht aber darüber, wer wie viel tun muss. So stritten die Diplomaten beispielsweise darüber, wie die freiwilligen Verpflichtungen gemeldet werden müssen. Die Industrieländer pochten darauf, dass alle Länder aufzeigen sollen, wie sie den Ausstoß von Klimagasen verringern wollen. Die "gemäßigten" Entwicklungsländer möchten darüber hinaus, dass gesondert festgehalten werden solle, was die Staaten zur Anpassung an den Klimawandel tun wollen und ob sie andere mit Geld und Technologie unterstützen wollen. Die "Gruppe der Gleichgesinnten", die sich rund um Saudi-Arabien, China, Indien und Venezuela gebildet hat, möchte, dass auch weiterhin zwischen Industrie- und Entwicklungsländern unterschieden wird.

Dieser Streit ist bedeutend, denn die freiwilligen Verpflichtungen sollen nicht rechtlich, sondern nur politisch verbindlich sein. Außerdem sind keine Sanktionen vorgesehen für den Fall, dass ein Land sich nicht an den Plan hält. Verbindlich wären dem Vernehmen nach nur finanzielle Zusagen für den Klimafonds, aus dem Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel bezahlt werden sollen.

Auf der Klimakonferenz in Warschau war Ende 2013 beschlossen worden, dass alle Staaten, "die dazu in der Lage sind", im März 2015 Vorschläge präsentieren sollen, was sie in den neuen Klimavertrag einbringen. Jedes Land solle selbst entscheiden, wie entwickelt es ist und welchen Beitrag es deswegen übernehmen will. Dieses Vorgehen gefällt manchen Ländern aus der "Gruppe der Gleichgesinnten" nicht. Kuba befürchtet zum Beispiel, dass es zu einem Rückschritt führt. Niemand wisse, ob sich nicht vielleicht alle Industrieländer plötzlich als Entwicklungsländer definieren, sagte ein Vertreter der kubanischen Delegation dem Online-Magazin klimaretter.info.

Der wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für Umweltfragen (WBGU) hat berechnet, dass bis 2050 nur noch 750 Milliarden Tonnen Treibhausgase emittiert werden dürften, um das international anerkannte Zwei-Grad-Ziel mit einer Zwei-Drittel-Chance einzuhalten. Dafür sind entschiedene Schritte notwendig, doch diese lassen auf sich warten. Immerhin wurden einem Bericht des UNUmweltprogramms Unep zufolge vor zwei Jahren noch 54 Milliarden Tonnen emittiert. Die Welt steuere auf ein Emissionsvolumen von 59 Mrd. Tonnen zu, heißt es dort. Selbst die bisherigen Zusagen würden nicht ausreichen. Mit ihnen würden die Emissionen bis 2020 vielleicht auf 52 Mrd. Tonnen sinken.

Die deutschen Leitmedien haben sich zu Beginn der Klimakonferenz redlich bemüht, die Verantwortung für die Emissionen vom Westen weg auf China zu schieben. China sei der größte Umweltsünder und von ihm hänge es ab, ob es zu einem neuen Klimavertrag komme. "Machen die Chinesen nicht mit, werden die Emissionen steigen, und der Plan wird scheitern", wusste Die Zeit. Aber das ist nicht einmal die halbe Wahrheit.

Zwar liegt China mit seinen Emissionen von 8,8 Mrd. Tonnen Treibhausgase im Jahr deutlich vor den USA (5,5 Mrd. Tonnen). Aber der durchschnittliche Chinese ist nur für 6,4 Tonnen Kohlendioxid verantwortlich, im Gegensatz zu 17,4 Tonnen CO2 eines durchschnittlichen US-Amerikaners oder Kanadiers. Jeder Deutsche verursacht im Durchschnitt mit 10 Tonnen CO2 auch deutlich mehr Emissionen als ein Chinese.

Während sich die EU verpflichte, die Emissionen bis 2030 um 40 Prozent zurückzufahren, schrecke China vor solchen absoluten Zahlen zurück, berichtete das Handelsblatt. Dabei werden allerdings die umweltpolitischen Bemühungen der chinesischen Regierung unterschlagen. So investierte China im vergangenen Jahr mit 56 Mrd. US-Dollar mehr in "grüne" Energien als alle europäischen Länder zusammen. Ende 2013 standen in China Windräder mit einer Leistung von 91.000 Megawatt, was mehr ist als in irgendeinem anderen Land. Im letzten Jahr wurde jede dritte weltweit gebaute Solaranlage in China errichtet. Ab 2016 soll es ein nationales Emissionshandelssystem geben und bis 2030 soll ein Fünftel des gesamten Stroms aus regenerativen Quellen, aber auch aus der Atomkraft stammen.

Das chinesische Industrieministerium hat im Oktober angekündigt, stärkeren Einfluss auf den Verkehrssektor zu nehmen. Autobauer, deren Neuwagen mehr verbrauchen als deklariert wurde, sollen in ihrer Entwicklung gebremst werden. Ebenso gibt es strengere Vorschriften für den Spritverbrauch von Neuwagen. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen, sagte dazu, China trete "deutlich entschiedener auf als die europäische und deutsche Umwelt- und Verbraucherpolitik."

Demgegenüber steht das Engagement der USA: Im vergangenen Jahr stellte die Obama-Administration einen umfassenden Klimaaktionsplan vor, aus dem eine Reihe von Initiativen hervorgegangen sind. So stellte die Umweltbehörde (EPA) neue Standards für den Neubau von Kraftwerken vor; im März 2014 veröffentlichte das Weiße Haus ein Strategiepapier zur Reduktion von Methanemissionen, die u. a. beim Fracking anfallen. Strengere Standards für Lastkraftwagen sind ebenso geplant. Besonderes Gewicht hat der Clean-Power-Plan, da die Kraftwerke für 40 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind. Der Plan legt CO2-Grenzen für die über 1000 Kohle- und Gaskraftwerke in den USA fest. Wird er komplett umgesetzt, sollen die Kraftwerke bis 2030 um 30 Prozent weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre pusten als 2005.

Ob der Plan allerdings die Präsidentschaft von Barack Obama überdauern wird, ist fraglich. Erst zwischen 2017 und 2019 soll in die Phase der Zustimmung und Überarbeitung des Plans eingetreten werden. Doch 2017 wird es einen neuen US-Präsidenten geben und ob dieser dem Plan folgt, steht in den Sternen. Die Republikaner bekämpfen ihn bereits jetzt und haben weiteren Widerstand angekündigt. Sie haben außerdem angekündigt, keinen internationalen Klimavertrag ratifizieren zu wollen, der den USA konkrete Verpflichtungen auferlegt.

Einen entscheidenden Beitrag wird der Clean-Power-Plan nicht leisten, auch wenn er umgesetzt würde, ist sich Susanne Dröge von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) sicher. Seit 2005 seien die CO2-Emissionen des Kraftwerksparks bereits um 13 Prozent gesunken. Für die restlichen Sektoren (z. B. Privathaushalte, Industrie) fehlen allerdings ähnliche Pläne. Die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern werde auch nicht grundlegend reduziert, sondern lediglich auf Erdgas verlagert. Mit dem Clean-Power-Plan werde lediglich ein Klimaziel für einen Sektor verkündet anstatt für die gesamte Volkswirtschaft. Dröge findet, Obama müsse mit seinen Instrumenten strikter vorgehen als bislang, sonst erreiche er nicht mal das geplante Reduktionsziel von 17 Prozent bis 2020. Das verkündete Klimaziel für 2025 sei deshalb auch ganz unrealistisch.


Bernd Müller, Dipl.-Ing., freier Journalist

Weitere Informationen unter:
www.bernd-mueller.org

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 46. Jahrgang, Nr. 50 vom 12.
Dezember 2014, Seite 6
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Dezember 2014