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KLIMA/423: Einsatz des Globalen Südens gegen Treibhausgase erhöht Druck auf Industrienationen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Oktober 2015

Klima: Einsatz des Globalen Südens gegen Treibhausgase erhöht Druck auf Industrienationen

von Diego Arguedas Ortiz


Bild: © Diego Arguedas Ortiz/IPS

Windpark in der Bergregion La Paz y Casamata in Costa Rica
Bild: © Diego Arguedas Ortiz/IPS

SAN JOSÉ, COSTA RICA (IPS) - Mehr als hundert Länder des Globalen Südens, die jahrelang als passive Akteure im Kampf gegen die globale Erderwärmung betrachtet wurden, haben bei den Vereinten Nationen ihre angestrebten Beiträge zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen und zur Dekarbonisierung der Wirtschaft (INDCs) eingereicht.

Auch wenn die Ziele unterschiedlich hoch gesteckt sind und deren Erreichung teils von der Bereitstellung internationaler Finanzhilfen abhängig gemacht wird, setzt das Engagement von Entwicklungsländern die großen globalen Verursacher des Treibhauseffektes unter Druck. Wie Experten im Gespräch mit IPS erklären, erfordert der Kampf gegen die Folgen des Klimawandels Beiträge von allen Staaten.

"Wir erkennen, dass Länder des Globalen Südens ein starkes Engagement zeigen, obwohl sie selbst wenig zu diesem Problem beitragen", sagte Ellie Johnston von der Organisation Climate Interactive, die ihren Sitz in den USA hat.


49 Länder ohne Klimazusagen

Im Kampf gegen die Erderwärmung konzentrieren sich die Staaten auf nationaler Ebene auf saubere Energien, einen Stopp der Entwaldung, die Suche nach neuen Formen der Finanzierung und den Entwurf von Strategien zur Anpassung an den Klimawandel. 146 Regierungen haben wie vereinbart zum 1. Oktober dieses Jahres ihre INDCs eingereicht. 49 Staaten sind ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen. Die Zusagen reichen bislang nicht aus, um den globalen Temperaturanstieg unter zwei Grad Celsius zu halten.

Die Klimaversprechen der einzelnen Länder werden in ein neues, weltweit verbindliches Abkommen eingehen, das auf dem UN-Klimagipfel vom 30. November bis 11. Dezember in Paris verabschiedet werden soll. Laut einer Analyse von Climate Interactive reichen die bisher getroffenen Zusagen nur dazu aus, die globale Durchschnittstemperatur bis zum Jahr 2100 nicht über 3,5 Grad Celsius ansteigen zu lassen.

Eine andere Schätzung der Organisation 'Climate Action Tracker' geht davon aus, dass die Aktionspläne der Regierungen zusammengenommen die globale Erderwärmung auf 2,7 Grad Celsius begrenzen könnten. Die Differenz zwischen den Prognosen erklärt sich dadurch, dass verschiedene Methoden angewandt wurden, insbesondere hinsichtlich der ab 2030 in China und Indien erwarteten Emissionen. Die beiden Schwellenländer sind im Laufe der vergangenen zwei Jahrzehnte zum größten beziehungsweise drittgrößten Verursacher von Treibhausgasen geworden. An zweiter Stelle liegen die USA, während Russland und Japan jeweils auf dem vierten und fünften Platz folgen.


Experten fordern größeren Einsatz im Norden und Süden

"Unsere Analyse zeigt, dass im Globalen Süden und im Globalen Norden ehrgeizigere Beiträge vonnöten sind, damit die international vereinbarte Obergrenze von zwei Grad Celsius eingehalten werden kann" sagte Johnston. "Wir hoffen, dass in Paris ein Rahmen geschaffen wird, der eine solche Entwicklung garantieren kann."

Mehrere Regierungen haben allerdings ehrgeizige Ziele präsentiert, vor allem in Bezug auf Anpassungsstrategien, die für den Globalen Süden von zentraler Bedeutung sind. Johnston lobte die Zusagen der Schwellenländer und appellierte an die Industriestaaten, mehr Engagement zu zeigen, um die Kluft zwischen ihrer historischen Verantwortung und ihrem konkreten Handeln zu überbrücken.

Die Unterscheidung zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ist ein wichtiger Bestandteil der Klimarahmenkonvention (UNFCCC), da sie nicht in gleichem Maß Verantwortung für den Klimawandel tragen. Zum Abschluss des Weltklimagipfels 2014 in Lima sagten alle Staaten zu, durch INDCs zur Reduzierung der globalen Erderwärmung beizutragen.

Auf der Pariser Konferenz, die von entscheidender Wichtigkeit ist, müssen die Unterhändler die von den einzelnen Ländern eingereichten INDCs in einem verbindlichen Klimaabkommen zusammenfassen. Das neue Abkommen soll 2020 in Kraft treten und dafür sorgen, dass der Temperaturanstieg bis zum Jahr 2100 unter zwei Grad Celsius bleibt.


Am geringsten entwickelte Länder zeigen großes Engagement

"Recht viele Staaten sind über ihren gerechten Anteil hinausgegangen, vor allem die kleineren, am wenigsten entwickelten Länder (LDCs), die die geringste Verantwortung für die Ursachen des Klimawandels tragen", sagte Tasneem Essop, Leiterin der Delegation der Umweltorganisation WWF bei den Klimagesprächen. Die südafrikanische Aktivistin kritisierte, dass in Lima keine eindeutigen Standards vereinbart worden seien.

Costa Rica sicherte zu, die Pro-Kopf-Emissionen bis zum Jahr 2050 auf 1,19 Tonnen zu senken. Experten hoffen, dass der globale Durchschnitt nicht über zwei Tonnen pro Einwohner liegen wird. Kamerun hat seinen CO2-Ausstoß um 32 Prozent verringert. Maßstab ist die Höhe der Emissionen, die das afrikanische Land im Jahr 2035 erreichen wird, wenn das Wirtschaftswachstum unverändert bleibt. Wie viele andere Staaten stellte aber auch Kamerun klar heraus, dass die Erreichung dieses Zieles vom Umfang der internationalen Finanzierung abhängig sei.

Papua-Neuguinea, wo die Holzindustrie großen Einfluss ausübt, wird sich auf die Bekämpfung der Entwaldung und auf Landnutzungsänderungen fokussieren. Brasilien schlug vor, seine Emissionen bis zum Jahr 2025 um 37 Prozent im Verhältnis zum Stand von 2005 zu reduzieren. Als eines der wenigen Länder des Südens legte Brasilien 'absolute Ziele' vor.

Auf globaler Ebene sieht Essop das größte Problem darin, dass die INDCs nicht innerhalb eines gemeinsamen Rahmens oder auf der Basis einheitlicher Standards entworfen worden sind. "Dies erschwert Vergleiche", kritisierte sie.


Erdölproduzierende Staaten halten sich zurück

Einigen Staaten, die das Datum 1. Oktober nicht eingehalten haben, fehlen laut Experten die technischen Voraussetzungen für die Ausarbeitung der Klimaziele. Bei anderen wird das Fristversäumnis auf mangelnde Handlungsbereitschaft zurückgeführt. Zu den Ländern, die keine INDCs eingereicht haben, zählen Bolivien, Iran, Malaysia, Pakistan, Saudi-Arabien, Sudan und Venezuela. Einige dieser Länder sind große Erdölproduzenten.

2009 hatten die Industrienationen bis zum Jahr 2020 jährlich hundert Milliarden US-Dollar zugesichert, um die globale Erderwärmung zu bekämpfen. Diese Zusagen werden aber nur zögerlich eingelöst.

"Das Problem der Finanzierung wird in Paris nicht vor dem letzten Abend des Gipfels gelöst werden", meint Katherine Watt von 'Carbon Market Watch'. Die Teilung der Verhandlungsgruppen in 'Annex I- und 'Annex-II'-Länder (Industriestaaten) und in den Rest der Welt lasse sich unter dem Druck der INDCs und anderer Aktionen kaum aufrechterhalten. Die britische Aktivistin sieht es als wichtig an, dass die Einreichung nationaler Klimazusagen und die Verabschiedung der 2030-Agenda auf dem UN-Nachhaltigkeitsgipfel zeitgleich erfolgten. (Ende/IPS/ck/09.10.2015)


Links:

http://www.ipsnews.net/2015/10/the-global-south-will-make-its-contribution-to-fighting-climate-change/
http://www.ipsnoticias.net/2015/10/el-sur-global-hara-su-contribucion-contra-el-cambio-climatico/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. Oktober 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2015

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