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LANDWIRTSCHAFT/084: Climate-smart agriculture - Werbung oder Wirklichkeit? (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015
Ökosystem Boden
Die dünne Haut der Erde

Climate-smart agriculture
Werbung oder Wirklichkeit?

Von Helena Paul


Weil die Weltbevölkerung bis 2050 auf 9 Milliarden steigen wird, um ein Drittel gegenüber 2010, muss der Welternährungsorganisation FAO zufolge die Nahrungsmittelproduktion verdoppelt werden. Warum aber brauchen ein Drittel mehr Menschen doppelt soviel Nahrungsmittel? Die FAO geht schlicht - vor allem im Interesse der Agrarindustrie - davon aus, dass trotz Klimaerwärmung der Konsum tierischer Produkte im Norden nicht abnimmt und im Süden erheblich steigen wird. Sie will wenig unternehmen, um klima- und überdies gesundheits- und umweltschädliche Konsumvorstellungen zu verändern. Vielmehr versucht die FAO, den alten Wein der Produktivitätssteigerung in neue Schläuche namens "Climate-smart Agriculture" (CSA) zu füllen.


Mindestens ein Drittel der vom Menschen verursachten klimaschädlichen Gase kommen aus der Nahrungsmittelproduktion.(1) Manche Schätzungen gehen sogar weit darüber hinaus: GRAIN und der Kleinbauern- und Kleinbäuerinnenorganisation La Via Campesina zufolge sind es eher 44-57 % der Emissionen.(2) Vor allem tierische Produkte verursachen hohe Treibhausgasemissionen wie Methan (ca. 1/3 der Methanemissionen) und das besonders klimaschädliche Lachgas (ca. 2/3 der Lachgasemissionen). Höchste Zeit, Konsum- und Produktionsmuster klimaneutraler zu gestalten, möchte man meinen.

Aber "CSA" befasst sich nicht mit dem klimaschädlichen Konsum

Der Begriff "Climate-smart Agriculture" datiert auf etwa 2010/11 zurück, als er zum ersten Mal im Kontext verschiedener Konferenzen wie der African Conference on Agriculture, Food Security and Climate Change und der Vertragsstaatenkonferenz der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) eingeführt wurde. Das Problem bei CSA ist, dass es keine nähere, einheitliche Definition dieses Wunder-Instruments gibt, so dass praktisch alle, auch völlig konträre landwirtschaftliche Produktionsweisen climate-smart genannt werden dürfen. CSA wird beschrieben als nachhaltige Intensivierung der Produktion, die sowohl Anpassung an als auch Verringerung des Klimawandels bewirkt. CSA könne die Produktivität erhöhen und würde dadurch Landreserven für Wald- und Biodiversitätserhaltung schonen. Afrikanische Kleinbauern und -bäuerinnen werden als wichtigste Nutznießer genannt. Laut FAO erstreckt sich CSA außerdem auf Land- und Forstwirtschaft in einem "Integrierten Landschaftsansatz". Sie verbindet CSA mit REDD+ (Reducing emissions from deforestation and forest degradation), das den Wäldern einen ökonomischen Wert zuordnet, um marktbasierte Instrumente wie Offsets oder Bezahlung für Ökosystemleistungen zu ermöglichen. Außerdem wird der Begriff mittlerweile auch von der Weltbank und immer häufiger von führenden Unternehmen genutzt.

Wiederbelebung des Emissionsrechtehandels

Der Begriff CSA bleibt somit mehrdeutig, was dazu führt, dass das Konzept missbraucht werden kann. Zum Beispiel als Werbung für den Emissionsrechtehandel, auf deren Märkten derzeit Flaute herrscht. Der Weltbank zufolge umfasst der Gesamtwert dieser Märkte, die 2005 mit dem EU-Emissionsrechtehandel begannen, nur 30 Milliarden US Dollar.(3) Die Weltbank befürwortet dennoch weiterhin einen künftigen Ausbau dieser Märkte. Sie hat dazu mehrere Initiativen eingerichtet: Carbon Partnership Facility, Forest Carbon Partnership Facility, Partnership for Market Readiness (PMR) und Biocarbon Fund.(4)

Ziel ist es, Programme zur Emissionsminderung einzurichten und den Kauf von Verschmutzungsrechten aus diesen Programmen zu fördern.

Problematisch ist: Wenn CSA nicht sorgfältig definiert wird, könnte es zur Wiederbelebung des Emissionsrechtehandels genutzt werden, in dem die Landwirtschaft rechnerisch als riesige neue Kohlenstoffsenke für Industrieemissionen behandelt wird, anstatt die echten Probleme bei der Verhinderung solcher Emissionen anzugehen. Großbritannien hat bereits in Afrika ein solches Programm für Kleinbauern und -bäuerinnen eingerichtet. Dabei bestehen fundamentale Probleme mit dem Emissionsrechtehandel in der Landwirtschaft. Es ist extrem schwierig, in diesem Sektor die Emissionen zu messen und nachzuweisen. Denn Kohlenstoffspeicher in den Böden können aus unterschiedlichen Gründen abgebaut werden, seien es Nutzungsänderungen, Änderungen der Anbaupraktiken oder häufigere Klimaextreme.

"Climate-smart" ist beliebig

Problematisch ist des Weiteren, dass sich jede Technologie "climatesmart" nennen darf. Angesichts der Weltbank-Programme wird das Fehlen einer Definition nur noch problematischer. Keine landwirtschaftliche Produktionsweise ist von diesem Begriff ausgeschlossen. Großräumige industrielle Monokulturen mit hohen Agrarchemieanwendungen können ebenso wie agroökologische Ansätze, beispielsweise Ökolandbau oder Agroforstwirtschaft, dieses Prädikat für sich reklamieren. Auch "konservierende Bodenbearbeitung" gilt als CSA und umfasst den chemieintensiven Anbau von Gentechnikprodukten auf Millionen Hektar Land in Nord- und Südamerika einerseits ebenso wie bodendeckende Praktiken, Mulchen zum Erhalt der Bodenqualität, -fruchtbarkeit, -feuchtigkeit und zur Unkrautkontrolle in kleinen Ökobetrieben andererseits. Hinzukommt, dass keinerlei soziale oder ökologische Kriterien entwickelt wurden, auch wenn die Bedeutung von Kleinbauern und -bäuerinnen und ihre Verwundbarkeit durch den Klimawandel, insbesondere in Afrika, herausgestellt wird.

Unter diesen Bedingungen würde die Eingliederung der Böden in den Emissionsrechtehandel sehr wahrscheinlich die Landnahme und Verletzungen der traditionellen Landrechte weiter beschleunigen. Und das vor allem dort, wo völlig unterschiedliche gesellschaftliche Werte bezüglich Land herrschen, seien es die bei Landwechselwirtschaft oder im Pastoralismus üblichen kollektiven oder kommunalen Landrechte, oder die monetarisierte Kultur der Privatisierung von Land, Wasser und genetischer Ressourcen zur Erzielung privater Profite.

Global Alliance for Climate-smart Agriculture

Ungeachtet der nach wie vor fehlenden Definition wurde im September 2014 die Global Alliance for Climatesmart Agriculture gegründet. Sie besteht aus einer Zusammenwürfelung von 18 Staaten (darunter Malawi, Niger, die USA und Großbritannien), Konzernen (wie dem weltgrößten Düngemittelanbieter Yara und dem Nahrungsmittelhersteller Danone) und einem Sammelsurium von Nichtregierungsorganisationen, Universitäten und Netzwerken. Gleichzeitig unterzeichneten McDonalds, Kellogg Company und Walmart eine gemeinsame Erklärung über Landwirtschaft, Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung, die viele derselben Unterstützer hat wie die Globale Allianz.(5) Walmart verkündete außerdem eine Climate Smart Agriculture-Plattform.

Ende 2014 hatte die Allianz insgesamt 71 Mitglieder. In einem gemeinsamen Schreiben kritisieren mehr als 100 zivilgesellschaftliche Organisationen: "Leider verfehlt die Allianz völlig ihr selbstgestecktes Ziel. Echte Lösungen des Klimaproblems existieren bereits auf den Feldern der Kleinbauern und -bäuerinnen, nämlich agroökologische Praktiken und lokale Ernährungssysteme, die den Hunger effizient bekämpfen. Anstatt eine weitere Einrichtung für business-as-usual zu schaffen, müssen Regierungen, Geldgeber und internationale Organisationen entschlossen umdenken und entsprechend agieren. Sie müssen ihre Ressourcen weg von den klimaschädlichen Praktiken der chemieintensiven Landwirtschaft und Tierproduktion hin zu Investitionen und Politikzusagen in Agroökologie, Ernährungssouveränität und der Unterstützung kleinbäuerlicher Produzenten umlenken."Fokus auf kleinbäuerliche Familienbetriebe im Jahr der Böden Dieses Schreiben stellt unmissverständlich klar: Kleinbäuerliche Familienbetriebe erzeugen nach wie vor den größten Teil unserer Nahrungsmittel und müssen daher im Zentrum des nötigen Systemwandels stehen. 2015 ist das UN Jahr der Böden. Gesunde Böden sind für die Nahrungsmittelerzeugung grundlegend notwendig; der Klimawandel kommt als weitere Belastung zur Übernutzung hinzu. La Via Campesina, das die Globale Allianz ablehnt, stellt fest: "Kleinbauern auf der ganzen Welt besitzen weiterhin das Wissen und die Vielfalt an Pflanzensorten und Tierrassen, um chemiefrei produzieren zu können. Sie nutzen vielfältige Anbausysteme, die Tier- und Pflanzenproduktion integrieren, und auch Bäume und Wildvegetation berücksichtigen. Ihre Praktiken verbessern das Potenzial der Böden, weil sie seine Fruchtbarkeit sichern und Erosion vorbeugen."(7) Weiter erklärt La Via Campesina, dass Kleinbauern und -bäuerinnen den Planeten kühlten, indem sie sorgfältige, oft arbeitsintensive Praktiken anwendeten, die die Böden schützten und fruchtbar hielten sowie kostbare Wasserreserven bewahrten, und die für unberechenbare Klimaveränderungen notwendige genetische Vielfalt auf ihren Feldern pflegten. Dieser Ansatz erfordere jedoch grundlegende Änderungen des industriellen Produktionssystems.

Die Befürworter der CSA müssen endlich eine eindeutige Definition des CSA liefern, die auf den richtigen Weg der notwendigen Veränderungen führt. Andernfalls entlarven sie das Konzept als eine Vernebelungsstrategie, um die industrielle Landwirtschaft weiter fördern zu können, obwohl sie massiv zum Klimawandel beiträgt.(8)


Autorin Helana Paul arbeitet für die zivilgesellschaftliche Organisation Econexus in London.


Anmerkungen

(1) Vermeulen, S.J., Campbell, B.M. & Ingram, J.S.I. Annu. Rev. Environ. Resour. 37, 195222 (2012)
http://www.annualreviews.org/doi/abs/10.1146/annurev-environ-020411-130608

(2) http://viacampesina.org/en/index.php/actions-and-events-mainmenu-26/climate-change-and-agrofuels-mainmenu75/1717-food-sovereignty-5-steps-to-cool-the-planet-and-feed-its-people

(3) State and Trends of Carbon Pricing, World Bank, 2014.
http://www-wds.worldbank.org/external/default/WDSContentServer/WDSP/IB/2014/05/27/000456286_20140527095323/Rendered/PDF/882840AR0Carbo040Box385232B00OUO090.pdf

(4) http://cpf.wbcarbonfinance.org/cpf/content/what-cpf

(5) http://www.arcworld.org/downloads/Joint_Action_Statement_for_Agriculture.pdf

(6) http://www.climatesmartagconcerns.info/rejection-letter.html

(7) http://viacampesina.org/en/index.php/actions-and-events-mainmenu-26/climate-change-and-agrofuels-mainmenu75/1717-food-sovereignty-5-steps-to-cool-the-planet-and-feed-its-people.

(8) Für eine zusätzliche Bewertung von CSA siehe auch: Ursula Gröhn-Wittern (2015). Die Grüne Revolution heißt jetzt CSA "climate smart agriculture". Agrar Info Januar/ Februar 2015.

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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2015, S. 10-11
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Marienstr. 19-20, 10117 Berlin
Telefon: 030/678 1775 93, Fax: 030/678 1775 80
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. April 2015

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