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LATEINAMERIKA/187: Ölförderung am Amazonas - Lecks, marode Pipelines und Proteste (ARA Magazin)


ARA Magazin 24, 2018/19 - Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.

Ölförderung am Amazonas

Lecks, marode Pipelines und Proteste


In Ecuador konnten indigene Organisationen einen wichtigen Erfolg im Kampf gegen die Ölförderung im Regenwald Amazoniens erringen (siehe unten).

In Peru werden indigene Gemeinschaften mit den Auswirkungen von ölverseuchtem Wasser allein gelassen. ARAs Partner Leonardo Tello von Radio Ucamara berichtet von der Situation der Kukama am Rio Marañon.


Seit den 1970er Jahren wird im Regenwald Perus Öl gefördert. Über eine 1100 km lange Pipeline wird es aus dem Tiefland Amazoniens über die Anden bis an die Küste transportiert. Als die Pipeline gebaut wurde, ging man von einer Lebensdauer von 20 bis 30 Jahren aus. Mittlerweile sind es fast 40 und sie ist so marode, dass der Betrieb 2016 für ein Jahr eingestellt werden musste. Nach offiziellen Statistiken kam es seit 2011 zu 23 Lecks und Rohrbrüchen - die genaue Zahl wird wohl deutlich höher sein.

Eine besonders gravierende Havarie ereignete sich am 30. Januar 2014: In unmittelbarer Nähe des Flusses Cuninico brach die Pipeline und nach offiziellen Angaben des Betreibers Petroperú liefen in den folgenden Tagen über 370.000 Liter Öl aus. Nach nur etwa 10 km mündet der Cuninico in den Rio Marañon, einem der wichtigsten Zuflüsse des Amazonas. Auf mehrere Dörfer verteilt leben hier etwa 600 Kukama, Angehörige eines indigenen Volkes, dessen Leben eng mit dem Fluss verbunden ist. Im Fluss wird gebadet und gewaschen, er liefert Trinkwasser und vor allem Fische. Sie sind nicht nur ein Hauptnahrungsmittel für alle Dorfbewohner, sondern auch ihre wichtigste Einkommensquelle.

Öl verseucht Wasser und Fische

Wochen später wurde das Leck repariert, aber das ausgelaufene Öl wurde nie beseitigt. Die Kukama berichten, dass das Flusswasser seither schlecht schmeckt. Seit etwa drei Jahren treten Krankheiten auf, die es vorher nicht gab. Viele berichten von Krämpfen, Koliken und Hautausschlag. Auch die Zahl der Fehlgeburten hat sich deutlich erhöht.

Untersuchungen der regionalen Gesundheitsbehörde stellten einige Monate nach der Havarie überhöhte Schwermetallwerte im Flusswasser fest. Im darauffolgenden Jahr wurden weitere Untersuchungen durchgeführt, deren Ergebnisse aber bis heute nicht veröffentlicht wurden. 2016 kamen Mitarbeiter des staatlichen Gesundheitsinstituts, um Blut- und Urinproben von über 100 Menschen zu nehmen. Mehr als die Hälfte der Proben zeigte erhöhte Werte von Quecksilber und Cadmium, bei fast allen wurde eine hohe Belastung mit Blei festgestellt.

Was diese Werte bedeuten, wurde den Kukama nicht mitgeteilt. Auch zu den Ursachen wurden keine Aussagen gemacht. Sie erhielten die Empfehlung, in Zukunft besser nur noch "sauberes" Wasser zu trinken und wenn möglich weniger Fisch zu essen. Seither versuchen die Dorfbewohner, Regenwasser zu sammeln, das zum Trinken und Kochen verwendet wird. Wenn es aber zu wenig regnet, muss doch wieder Flusswasser verwendet werden.

Mittlerweile hat sich auch das Gesundheitsministerium mit dem Fall befasst, doch bisher ist wenig passiert, um die Situation der Menschen vor Ort zu verbessern. 2017 wurde zwar eine Gesundheitsstation gebaut, doch bis heute gibt es weder eine medizinische Einrichtung noch Medikamente. Auf Nachfrage gab die regionale Gesundheitsbehörde an, dass dafür kein Geld mehr da sei.

Gericht verurteilt Gesundheitsministerium

Mit der Unterstützung durch ARAs Partnerorganisationen wurde der Fall schließlich vor dem Zivilgericht der Provinzstadt Nauta verhandelt. Im Mai 2018 erging ein Urteil, das den Kukama in allen Punkten Recht gibt. Das Gesundheitsministerium wurde angewiesen, innerhalb von 30 Tagen eine Notfallstrategie zu entwickeln, wie eine Gesundheitsversorgung der betroffenen Dörfer sichergestellt werden kann, die Schadstoffe im Wasser untersucht und eine Versorgung mit sauberem Trinkwasser gewährleistet. Eine Revision wurde nicht zugelassen.

Was zuerst als großer Erfolg gefeiert wurde, hat aber bisher noch nicht zu einer nennenswerten Verbesserung der Lage geführt. Auch ein halbes Jahr später versucht das Gesundheitsministerium, allgemeine Programmaktivitäten als ihren Beitrag zur Umsetzung des Urteils zu verkaufen. Die geforderten konkreten Maßnahmen wurden immer noch nicht durchgeführt. So sieht es auch der zuständige Richter, der sich erneut mit dem Fall befassen will.

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Erfolg in Ecuador

Überraschend teilte der ecuadorianische Ölminister Carlos Pérez im Oktober 2018 mit, dass die für Ende des Jahres geplante Auktion von Ölförderkonzessionen deutlich reduziert wird. Statt 16 sollen jetzt nur noch zwei Blöcke angeboten werden.

Als Anfang 2018 bekannt wurde, dass Förderlizenzen für große Teile des ecuadorianischen Amazonas-Tieflandes vergeben werden sollen, kündigten die hier lebenden indigenen Völker ihren Widerstand an und forderten eine umfassende Beteiligung ihrer Gemeinschaften. Derartige Proteste haben in den vergangenen Jahren bereits zum Rückzug verschiedener Ölfirmen geführt.

Auch Minister Pérez nennt die Konflikte mit den Gemeinschaften als Grund für die Verringerung der zu versteigernden Fläche. Bei den verbleibenden Blöcken 86 und 87 gäbe es keine Probleme, "weil dort keine Indigenen leben." Dabei überlappen die beiden Blöcke (Flächen) mit den ausgewiesenen Territorien der Sapara, Shiwiar und Kichwa.

Ein Grund für den vermeintlichen Sinneswandel des Ministers wird aber wohl das geringe Interesse möglicher Bieter gewesen sein, das im letzten Jahr deutlich wurde. Zu groß sind die logistischen Probleme, das Öl aus der entlegenen Region abzutransportieren. Bei den beiden Blöcken, die unmittelbar an der peruanischen Grenze liegen, könnte dies durch eine Kooperation mit der staatlichen Ölfirma des Nachbarlandes gelöst werden. Petroperú hat bereits angekündigt, ihre bestehende Pipeline bis zur Grenze zu verlängern.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

  • Über hunderte von Kilometern verläuft die Ölpipeline ungeschützt durch den Regenwald.
  • Mitarbeiter der staatlichen Ölfima Petroperú versuchen, die Schäden eines Öllecks zu beseitigen.
  • Ohne Schutzkleidung müssen die Kukama ihr Land vom Öl säubern.

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Quelle:
ARA Magazin 24, 2018/19, Seite 7 - 9
Arbeitsgemeinschaft Regenwald und Artenschutz e.V.
August Bebel Str. 16-18, 33602 Bielefeld
E-Mail: ara@araonline.de
Internet: www.araonline.de
 
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2019

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