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MEER/128: Wie wir unseren Planeten zumüllen (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 178 - Februar / März 2014
Die Berliner Umweltzeitung

Wie wir unseren Planeten zumüllen
Die Verschmutzung der Weltmeere wird immer mehr zu einer Gefahr für die Meeresbiologie.

von Till Kleemann



Alles begann in England, Mitte des 19. Jahrhunderts, in der Blüte der industriellen Revolution. Alexander Parkes, ein Mann aus einfachen Verhältnissen beginnt sich mit Zellulosenitrat zu beschäftigen. Auf der Suche nach einem Ersatz für Naturgummi, erfindet er ein neues, künstliches Material. Schon bald wird sein Kunststoff zu einem der gefragtesten Stoffe in der Industrie und ist seit den späten 1950er Jahren des letzten Jahrhunderts nicht mehr aus dem Alltag der Menschen wegzudenken.

Heute ist der blaue Planet buchstäblich überzogen mit einer Schicht aus Plastik. Denn der Kunststoff ist nicht nur unendlich praktisch, sondern trägt auch zwei gravierende Nachteile mit sich. Zum einen ist er von der Umwelt kaum abbaubar, zum anderen enthält er für Organismen giftige Substanzen. Gemeinsam sind diese Eigenschaften verheerend für die Tierwelt, aber auch der Mensch bleibt nicht verschont. Die durch die Nahrungskette wandernden Plastikteilchen landen letztendlich wieder auf unseren Tellern.

Überbleibsel unserer modernen Gesellschaft

Insgesamt 240 Millionen Tonnen Plastik produziert die Menschheit jedes Jahr weltweit. Tendenz steigend. Dahinter steckt wieder einmal das alt bekannte, einfache System. Kunststoffe sind billiger als natürliche Ressourcen. Mehr Profitgier bedeutet mehr Plastik, das bedeutet mehr Müll.

Und davon gibt es wirklich genug. An Methoden, diesen kostengünstig und energieeffizient zu recyceln, wird geforscht. Während man Glas und Papier relativ gut wieder verwenden kann, ist es bei Plastik schwieriger. Dies geht nur dann, wenn die Plastikarten sortenrein vorliegen, was aber so gut wie nie der Fall ist. Aufgrund der vielen verschiedenen Kunststoffarten, die alle im selben Pool landen und die oft die unterschiedlichsten Zusatzstoffe enthalten wie Farbe oder Weichmacher, ist eine Wiederverwertung oft teurer als die Neuproduktion. Was nicht mehr gebraucht wird, landet auf Müllhalden und in der Natur. Müll wird illegal über Bord geschmissen oder gespült und gelangt in großen Mengen durch Wind, Flüsse und Überschwemmungen in die Ozeane. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen schätzt, dass jährlich mehr als 6,4 Millionen Tonnen im Meer landen. Mittlerweile treiben auf jedem Quadratkilometer der Wasseroberfläche bis zu 18.000 Plastikteile unterschiedlichster Größe. Wie ein Teppich treibt der Zivilisationsmüll mit den Meeresströmung um die Welt und verschmutzt Küsten und Meere. Es gibt wohl keinen Strand mehr, an dem kein Plastikmüll mehr angespült wird. Im Sand eines jeden Strandes sind Rückstände zu finden.

Ein besonderes Phänomen sind die sogenannten Müllstrudel. Durch Winde und Erdrotation angetrieben, entstehen in den Ozeanen gigantische, hydrographische Wirbel. Der größte befindet sich zwischen den Inseln Hawaiis und der amerikanischen Westküste. Alles was über den Nordpazifik treibt landet früher oder später in diesem Strom. In dem sogenannten "Great Pacific Garbage Patch" hat sich über Jahrzehnte eine hohe Dichte an Plastik über eine große Fläche angesammelt.

Wir vergiften die Natur und uns selbst

Etwa zwei Drittel des gesamten Abfalls, sinkt auf den Meeresboden. Unter Einfluss von Wellen und Licht zerfällt der Kunststoff in mikroskopisch kleine Teilchen. Die Teilchen sind teilweise so klein, dass sie von einigen Planktonarten gefressen werden. Plastik steckt von Anfang an in der Nahrungskette der Meereslebewesen. Größere Stücke werden zudem von Fischen, Seevögeln, Schildkröten und anderen Meereslebewesen mit Nahrung verwechselt und geschluckt. Da sie unverdaulich sind, sammeln sie sich in den Verdauungstrakten der Tiere an und verstopfen ihre Mägen. Auf diese Weise verhungern vorrangig Seevögel - mit vollem Bauch. Während einer Studie fanden europäische Wissenschaftler bei 97 Prozent der untersuchten Nordsee-Eissturmvögel, Plastik in den Mägen.

Forscher der Universität Kalifornien in Davis fanden heraus, dass Plastikverunreinigungen im Wasser bei Fischen vermehrt zu Leberschäden führt. Schuld daran sind zwei Faktoren. Im Kunststoff selbst sind häufig giftige Zusatzstoffe, die für die Produktion benötigt werden. Zusätzlich dient Plastik auch natürlichen Schadstoffen als Transportmittel. Untersuchungen zufolge, ist die Konzentration von Schadstoffen natürlicher Herkunft an Plastik um ein millionenfaches höher als im umliegenden Wasser. So gelangen diese ebenfalls in den Ernährungskreislauf, erklärt die Forschungsgruppe um Chelsea Rochman.

In Kunststoff vorzufinden ist beispielsweise Bisphenol A (BPA), welches die Calcium-Kanäle in den Zellenmembranen von Menschen und Tieren blockiert. Ebenfalls sehr gefährlich sind Phthalate, die als Weichmacher eingesetzt werden. Durch Kontakt mit Wasser oder Fett werden sie aus dem Kunststoff herausgelöst. Weichmacher wirken auf den Hormonhaushalt und können Unfruchtbarkeit, Übergewicht, Diabetes, Leber- und Nierenschäden verursachen. Das Tückische an solchen Giften ist, dass sie von Organismen nicht abgebaut werden können, sondern sich in den Körperzellen, besonders in der Leber, anreichern.

Japanische Wissenschaftler konnten nachweisen, dass die Gifte BPA, Phthalate und Styrolverbindungen nachhaltig das Erbgut der Meerestiere beeinträchtigen. Besonders BPA, als potentes Östrogen, kann Fehlgeburten und Fortpflanzungsstörungen verursachen.

All diese Gifte wandern die Nahrungskette hinauf. Über Beuteorganismen erreicht die Giftbelastung auch ihre Jäger. Tiere am Ende der Nahrungskette erhalten die höchste Dosis dieser Gifte. Dazu zählt auch der Mensch. Diese Problematik will das "Plastic Disclosure Project" (PDP) mehr ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Dieser international agierende Zusammenschluss nachhaltig orientierter Organisationen, hat es sich zur Hauptaufgabe gemacht, größere Unternehmen dazu zu bewegen, ihren Plastikverbrauch zu senken. Aber auch in kleinerem Rahmen wurden und werden immer wieder Projekte gestartet, die auf das globale Problem Plastik aufmerksam machen und versuchen, etwas dagegen zu unternehmen. Die Umweltorganisation KIMO startete 2005 in Schottland eine Initiative namens "Fishing For Litter". In deren Rahmen wird Fischern ermöglicht, den Müll, den sie unbeabsichtigt mit ihren Netzen an Bord ziehen, zu sammeln und zu entsorgen. Dazu werden ihnen große Industriesäcke und eine kostenlose Abfalllogistik zur Verfügung gestellt. Mittlerweile beteiligen sich mehr als 100 europäische Kommunen an dem Projekt, welches unter anderem auch vom NABU unterstützt wird. Großflächige und nachhaltige Methoden, die Plastikarten aus den Ozeanen zu bekommen, gibt es allerdings noch nicht. Die einzige Chance besteht derzeit darin, weitere Verschmutzungen soweit wie möglich einzudämmen. Die Industrie dafür zu gewinnen die kostengünstigen Kunststoffe durch Papier und Glas zu ersetzen, ist für den einzelnen schwierig. Es ist jedoch dem Verbraucher überlassen, welche Produkte er kauft, ob er beispielsweise eine Plastiktüte mit zum Einkauf nimmt oder den Stoffbeutel. Ob er sein Wasser aus einer Glasflasche trinkt oder sich für Plastikflaschen entscheidet.



Weitere Informationen:
www.plasticdisclosure.org
www.saubere-meere.de
www.take3.org.au

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Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 178 - Februar/März 2014, Seite 19
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2014