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ÖKOSYSTEME/026: Umstrittenes Kanalprojekt zwischen Indien und Sri Lanka bedroht Ökoysteme (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Juli 2012

Umwelt: Umstrittenes Kanalprojekt zwischen Indien und Sri Lanka - Ökoysteme bedroht

von Malini Shankar


Das Kanalprojekt von Sethusamudram bedroht ein Meeresschutzgebiet - Bild: © Malini Shankar/IPS

Das Kanalprojekt von Sethusamudram bedroht ein Meeresschutzgebiet
Bild: © Malini Shankar/IPS

Rameshwaram, 19. Juli (IPS) - Bereits vor 150 Jahren schlug die damalige britische Kolonialverwaltung in Indien den Bau eines Kanals vor, über den Fracht- und Passagierschiffe durch den Marine-Nationalpark im Golf von Mannar die Palk-Meeresenge zwischen Indien und Sri Lanka erreichen könnten. Über diese Verbindung würde eine Strecke von 424 nautischen Meilen (etwa 780 Kilometer) auf den herkömmlichen Schiffsrouten eingespart, die um den Inselstaat Sri Lanka herum in Richtung Fernost führen. Bis heute ist der Kanal jedoch noch nicht gebaut und sorgt stattdessen weiter für Streit.

Gegner des Vorhabens warnen seit langem vor ökologischen Konsequenzen, den erhöhten Erdbebenrisiken in der Region und negativen kulturellen Folgen. Am 2. Juli 2005 gab der indische Regierungschef zwar den Startschuss für den Setu-Kanal. Der Oberste Gerichtshof stoppte den Bau jedoch gut zwei Jahre später.

Anfang Juli reichte ein Expertenausschuss unter Leitung des Vorsitzenden des 'Energy Research Institutes' (TERI), R.K. Pachauri, einen Bericht beim Obersten Gerichtshof ein. Darin heißt es, dass Alternativen zu dem umstrittenen Setu-Kanal nicht realisierbar seien.

Auf dem Kanal sollen große Tanker, die zwischen dem Nahen Osten und Fernost verkehren, den geschützten Golf von Mannar passieren. Schätzungen zufolge können Schiffe aus Europa und Afrika, die Kurs auf den Fernen Osten nehmen, pro Fahrt bis zu 5.000 US-Dollar sparen, wenn sie den Kanal nutzen.

Die Befürworter des Projekts erhoffen sich dadurch auch einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung für kleinere indische Häfen wie Tuticorin, Kanya Kumari, Nagapatnam, Ennore, Cuddalore, Thondi und die Tempelstadt Rameshwaram.


Erdöltransporte im großen Umfang geplant

Mehr als 2.000 Schiffe sollen den Plänen nach den Kanal durchqueren und mehr als 15 Millionen Tonnen Rohöl sowie andere Rohstoffe transportieren. Mögliche Öllecks wären allerdings eine erhebliche Gefahr für den Nationalpark.

"Ein wichtiger Aspekt des Risikomanagements befasst sich mit der Möglichkeit, dass Öl austreten könnte. Dies wäre selbst durch äußerst stringente Vorsichtsmaßnahmen nicht vollständig auszuschließen. Die Studie stellt eindeutig fest, dass Öllecks ein Risiko für das Biosphärenreservat, das unter allen Umständen geschützt werden muss, darstellen könnten", geht aus einem Report des Expertenkomitees hervor.

Überzeugte Projektgegner kritisieren, dass die Bohrungen den Meeresboden zerstören, das ökologische Gleichgewicht stören und die Habitate für bedrohte Arten vernichten können. Unter den Felsen des Nationalparks befinden sich Sandbänke und unterseeische Korallenriffe, die allesamt durch den Kanal zerstört zu werden drohen.

Die zwischen Indien und Sri Lanka verlaufende so genannte Adamsbrücke aus Sandbänken, Korallenriffen und Inseln, die Teil des Marine-Nationalparks ist, hat zudem für Hindus einen hohen religiösen und kulturellen Stellenwert. Der Überlieferung nach überquerte sie der Gott Rama, als er seine entführte Frau Sita in Sri Lanka retten wollte. Im Laufe der Jahre versank diese 'Brücke' zunehmend in den ansteigenden Meeresfluten.

Laut dem Expertenbericht, an dem Mitglieder des Nationalen Instituts für Ozeanografie und des Nationalen Instituts für Ozeantechnologie arbeiteten, ist für die neue Infrastruktur, die in dem ökologisch empfindlichen Gebiet entstehen soll, eine strenge Prüfung aller möglichen Szenarien im Zuge des Klimawandels notwendig. Damit sollten sowohl Wirtschafts- als auch Umweltrisiken gemindert werden.

In dem relativ flachen Golf von Mannar sind intensive Bohrarbeiten für den Bau und den Betrieb des Kanals notwendig. Meeresexperten vermuten, dass ständig nachgebohrt werden müsste, weil sich häufig Sand vom Meeresboden löst. Damit würde sich das Kanalprojekt nicht mehr wirtschaftlich rechnen.

Die Südostküste des indischen Bundesstaats Tamil Nadu ist zudem hochanfällig für Tsunamis. Die meisten durch Erdbeben ausgelösten Flutwellen wurden im Laufe des vergangenen Jahrtausends vor der Küste von Sumatra in Indonesien ausgelöst und bewegten sich von dort nach Indien.


Hohes Tsunami-Risiko

Außerdem gibt es keine Garantien dafür, dass der Kanal einen weiteren Tsunami überstehen würde, der leicht von der Küste Sumatras auf die Region zudriften könnte. "Lange Gravitationswellen wie Tsunamis können sich im Umkreis der Insel brechen und gravierende Auswirkungen auf 'Schattenzonen' haben. Während der Flutwelle 2004 gab es auch an der Westküste von Sri Lanka große Schäden und viele Menschen sind gestorben, obwohl diese Küste Sumatra nicht einmal gegenüber liegt", sagte Tad Murty, der Vorsitzende der Internationalen Tsunami-Gesellschaft in Honolulu auf Hawaii.

Shekhar Kumar Niraj, Feldleiter des Marine-Nationalparks im Golf von Mannar, befürchtet außerdem negative Folgen für die Meerestiere in dem Gebiet, die zumeist an Korallenbänken leben. "Korallen sind die Basis des fragilen Riff-Ökosystems, das unter anderem eine Heimat für Krebse, Anemonenfische, Delfine, Papageienfische, Seegurken, Meeresschnecken, Schildkröten und Wale bietet", erklärte er. Die Artenvielfalt sei sehr groß. So gebe es etwa 106 verschiedene Krebs-, 466 Weichtier-, 108 Schwamm- und 100 Stachelhäuterarten sowie mehr als 2.000 Arten von Flossenfischen.

"Die stark gefährdete grüne Meeresschildkröte legt ihre Eier an den Stränden der Halbinsel Rameshwaram ab. Sie wird sicherlich durch die Kanalbohrungen gestört werden", warnte Niraj. Das reichliche Vorkommen von Seegras in dem Gewässer ist ein Zeichen dafür, dass sich dort Seekühe aufhalten, die nur noch an knapp einem Dutzend Orten in Südostasien vorkommen.

Darüber hinaus sind zahlreiche Fischer in Indien und Sri Lanka von den reichlichen Fischbeständen abhängig. Allein in Tamil Nadu wurden von 2008 bis 2009 rund 68.400 Tonnen Meerestiere im Wert von rund 32 Millionen Dollar gefangen. Das Kanalprojekt bedroht auch den Handel mit Muscheln, der sich auf ein Volumen von mindestens 2,7 Millionen Dollar jährlich beläuft. (Ende/IPS/ck/jt/2012)


Links:

http://www.sethusamudram.info/
http://www.tsunamisociety.org/
http://www.ipsnews.net/2012/07/shipping-canal-threatens-history-ecology-livelihoods/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2012