NATURSCHUTZ heute - Sommer 2018
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.
Inventur im Riff
Der NABU untersucht das "Herz des Korallendreiecks" in Indonesien
von Britta Hennings
Der westliche Pazifik gilt als marines Epizentrum der biologischen Vielfalt. Zwischen den Philippinen und Australien, zwischen Sumatra und den Salomonen kommen 76 Prozent aller Korallen- und 37 Prozent aller an Riffe gebundenen Fischarten vor. Das sind mehr als in Karibik und Indischem Ozean zusammen. Der NABU hat hier exemplarisch untersucht, inwieweit die biologische Vielfalt der Riffe vor der indonesischen Insel Sulawesi noch intakt ist.
Etwa zwanzig Prozent der Korallenriffe sind weltweit bereits verschwunden, weitere vierzig Prozent sind akut gefährdet.
Nachrichten über Korallenbleiche, Ozeanversauerung, Überfischung und Wasserverschmutzung alarmieren seit Jahren die Öffentlichkeit. Etwa zwanzig Prozent der Korallenriffe sind weltweit bereits verschwunden, weitere vierzig Prozent sind aktuell akut gefährdet. Im Falle eines Szenarios der Fortsetzung der Erderwärmung um zwei Grad gegenüber dem Jahr 1990 sind sogar 90 Prozent der Riffe gefährdet. Wissenschaftler warnen schon lange vor einem Kollaps der Korallenriffe, die nach aktuellen Schätzungen mindestens 550 Millionen Menschen direkt ernähren. Parallel versprechen Reiseveranstalter paradiesische Zustände in den von ihnen beworbenen tropischen Reisedestinationen. "Die Krux angesichts so gegensätzlicher Aussagen besteht darin, dass insgesamt zu wenig zum Zustand der Korallenriffe geforscht wird, um sie zu überprüfen. Die geringe Anzahl von Stichproben bedingt große Unsicherheiten in den Szenarien, wie dramatisch der Zustand der Korallenriffe wirklich ist", erklärt Tom Kirschey, Asienexperte beim NABU. "Obwohl 71 Prozent der Erdoberfläche von den Ozeanen bedeckt werden, sind nur etwa fünf Prozent der Meere überhaupt jemals biologisch untersucht worden. Zudem ist die biologische Vielfalt sehr ungleich verteilt - drei Viertel der Korallenarten leben auf gerade mal einem Zwanzigstel der Ozeanfläche", so Kirschey.
Untersuchung des Zustands der Riffe
Diesem Raum - dem westpazifischen Korallendreieck - hat der NABU nun
eine Studie gewidmet, die einen Vergleich der Situation von vor
zwanzig Jahren mit dem aktuellen Zustand ermöglicht. Das untersuchte
Gebiet liegt im Golf von Tomini zwischen dem Nordarm und dem Zentrum
der indonesischen Insel Sulawesi rund um die Togean-Inseln. Die
amerikanische Umweltorganisation "Conservation International" hatte
hier vor genau 20 Jahren den Zustand der Riffe erfasst. Das Gebiet ist
ein Schlüsselgebiet der biologischen Vielfalt (Key Biodiversity Area -
KBA). Bei der Untersuchung 1998 wurde der Fokus vor allem auf
Korallen, Rifffische und Mollusken gelegt. Zusätzlich wurde damals
eingeschätzt, wie viel Prozent des Riffs durch Korallenbleiche oder
Dynamitfischen geschädigt oder zerstört waren und ob die
Fischartengemeinschaft Merkmale von Überfischung trägt. "Da der NABU
im nahe gelegenen Gebiet 'Popayato Paguat' in der Provinz Gorontalo
auf Sulawesi seit 2014 ein vom Bundesumweltministerium im Rahmen der
Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) gefördertes Projekt zum
Schutz des Regenwaldes durchführt, lag es auf der Hand, den Zustand
der Riffe im Golf von Tomini zwanzig Jahre nach der Erstaufnahme
erneut zu überprüfen", sagt Kirschey. Denn auch zwischen dem Schutz
des Regenwaldes und dem Schutz der Riffe gebe es eine wichtige
Verbindung. Verschwindet der Wald in Sulawesi, wird der
darunterliegende Boden der Erosion preisgegeben, und über die Flüsse
werden somit große Mengen Sedimente auf den Riffen abgelagert.
Korallenbleiche an jedem Untersuchungspunkt festgestellt
Bei der Untersuchung des Forschungsteams um Gerald R. Allen und Sheila
A. McKenna 1998 wurden um die Togian- und Banggai-Inseln 314
Korallenarten nachgewiesen, darunter einige bislang unbeschriebene
Arten und eine Reihe von Arten, die erstmals in Indonesien gefunden
wurde. Bei den nun durch ein internationales Team im Auftrag des NABU
vorgenommenen Vergleichsuntersuchungen konnten immerhin 247 davon
allein für ausgewählte Riffabschnitte um die Togian-Inseln bestätigt
werden. Von den 819 Fischarten im Jahr 1998 konnten 2018 immerhin 797
bestätigt werden. Bei den Mollusken findet derzeit noch die Auswertung
der Untersuchungsergebnisse statt. "Leider wurde an jedem
Untersuchungspunkt Korallenbleiche festgestellt. Dies verwundert auch
nicht, hatte doch der durch den Klimawandel ausgelöste El-Niño-Effekt
(eine deutliche Erwärmung des Wassers im tropischen Ostpazifik) im
Jahr 2015 über Monate in der Region kritische Temperaturen von über 33
Grad Wassertemperatur verursacht. Dies hatte im australischen Great
Barrier Reef zu einem massiven Korallensterben geführt, und es war
vermutet worden, dass auch viele Riffe in Indonesien davon betroffen
gewesen sein mussten", so Kirschey. "Obwohl die Togian-Inseln in den
letzten Jahren ein Geheimtipp für Touristen geworden sind, waren auch
Spuren 'destruktiver Fischerei', also von Dynamitfischen, an fast
allen Untersuchungspunkten feststellbar."
Die Untersuchungsergebnisse werden derzeit intensiv ausgewertet, aufbereitet und im Oktober veröffentlicht. Anschließend sollen sie den für Meeresschutz und Fischerei zuständigen Behörden in Indonesien und den regionalen Verwaltungen vorgestellt werden, um einen verbesserten Schutz der Riffe zu gewährleisten.
Im Oktober 2018 erscheint die wissenschaftliche NABU-Studie "Marine Rapid Assessment Surveys in the Key Biodiversity Area (KBA) Togean-Banggai (Indonesia)". Diese wird über den Buchhandel erhältlich sein oder unter www.NABU.de.
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Quelle:
Naturschutz heute - Sommer 2018, Seite 38 - 39
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. September 2018
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