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SOZIALES/004: Weltgrößtes Wasserkraftwerk im Kongo geplant - Doch Strom für die Armen fraglich (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. November 2011

Afrika: Weltgrößtes Wasserkraftwerk im Kongo geplant - Doch Strom für die Armen fraglich

von Kristin Palitza

Sub-Sahara-Afrika hat ein enormes Wasserkraftpotenzial - Bild: © Kristin Palitza/IPS

Sub-Sahara-Afrika hat ein enormes Wasserkraftpotenzial
Bild: © Kristin Palitza/IPS

Kapstadt, 17. November (IPS) - Südafrika und die Demokratische Republik Kongo (DRC) haben ein Abkommen über den Bau des weltgrößten Wasserkraftwerks unterzeichnet, das mehr als die Hälfte der 900 Millionen Afrikaner mit Strom versorgen soll. Doch Wirtschaftsexperten warnen, dass ausländische Investoren dafür sorgen könnten, dass die Mehrheit der Bevölkerung im Dunkeln bleibt.

Zusammen mit seinem kongolesischen Amtskollegen Joseph Kabila hatte Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma am 12. November der Unterzeichnung des Abkommens zum Bau des Grand Inga-Damms beigewohnt. Das Projekt soll 225 Kilometer südwestlich der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa am Inga-Wasserfall entstehen, wo sich der Kongo mit einer Fließgeschwindigkeit von 43 Kubikmeter die Sekunde in 100 Meter Tiefe stürzt.

Das Grand Inga-Wasserkraftwerk wird eine Kapazität von 40.000 Megawatt (MW) Strom haben. Das ist doppelt so viel Energie, wie der Drei-Schluchten-Damm in China produziert, das bisher größte Wasserkraftwerk der Welt. Auch wird der Grand Inga mehr als ein Drittel des bislang in Afrika generierten Stroms bereitstellen.

"Er wird dem afrikanischen Kontinent einen zuverlässigen Zugang zu sauberem Strom und zu einer bedeutsamen Wirtschaft und Wirtschaftsentwicklung mit niedrigen CO2-Emissionswerten verhelfen", sagte Zuma in der zweitgrößten kongolesischen Stadt Lubumbashi, wo das Abkommen unterzeichnet wurde, und sprach von einem "Tag, der den Afro-Optimisten Recht geben wird".

Grand Inga ist Teil einer größeren Vision von einem panafrikanischen Stromnetz, das den Startschuss für eine umfassende Industrialisierung Afrikas geben wird. Bisher wird das Strompotenzial der Inga-Wasserfälle nur geringfügig ausgeschöpft. Die beiden existierenden Dämme, Inga I und Inga II, generieren gerade einmal 1.775 MW.


Kredite von Weltbank und Afrikanischer Entwicklungsbank

Dass die Inga-Wasserfälle derzeit nur begrenzt ausgebeutet wurden, hat finanzielle Gründe. Der Bau des Grand Inga, der bis 2025 fertig gestellt sein soll, kostet stolze 80 Milliarden US-Dollar. Um die Wasserkraft in das afrikaweite Stromnetz einspeisen zu können, wären mindestens weitere zehn Milliarden Dollar erforderlich. Das sind keine Beträge, die Südafrika und die DRC allein aufbringen können.

Doch Hilfe naht. Die größten Entwicklungsfinanzierer - Weltbank, Afrikanische Entwicklungsbank (AfDB), Europäische Entwicklungsbank und eine Reihe privater ausländischer Energieunternehmen - sind zu den erforderlichen Investitionen bereit. Als Gegenleistung rechnen sie mit einem großen wirtschaftlichen Nutzen - was den Traum von einem Kontinent, der in einem neuen Licht erstrahlt, in die Ferne rücken könnte.

"Ausländische Investoren unterstützen den Dammbau, weil sie sich von dem Projekt nach seiner Fertigstellung einen hohen Anteil an preiswertem Strom versprechen", meinte Charlotte Johnson vom Institut für Demokratie in Afrika mit Sitz in Südafrika. Das werde die staatliche Hand zu Kompromissen zwingen, was die Verwendung der durch Inga produzierten Energie betrifft.

Obwohl das Megakraftwerk auch als entwicklungspolitische Investition vermarktet wird, haben die kongolesische Regierung und Investoren bisher nicht durchblicken lassen, ob der Strom der afrikanischen Allgemeinheit zugute kommen wird. Vielmehr wird er als kommerzielles Produkt gehandelt. Die Ware Strom werden sich ausländische Unternehmen eher leisten können als die afrikanische Bevölkerung.

"Die lokale Stromversorgung taucht im Budget nicht auf. Die im Dunkeln lebenden afrikanischen Gemeinschaften kommen als Nutznießer des Grand Inga somit nicht in Frage, und die 500 Millionen Menschen, denen man Strom versprochen hatte, gehen leer aus", kritisierte Johnson.


Strom für die industrielle Entwicklung

Bisher sieht alles danach aus, als sollten Langstreckenleitungen nur in die Bergbau- und Industriezentren Afrikas und in die städtischen Ballungsgebiete Südafrikas, Ägyptens und Europas gelegt werden. Laut AfDB wurde ein französisch-kanadisches Konsortium mit der Aufgabe betraut, eine Studie im Wert von 15 Millionen Dollar über das Energiepotenzial des Kraftwerks zu erstellen.

Der regionalen Bank zufolge ließen sich 45 Prozent des Strombedarfs in Subsahara-Afrika durch Wasserkraft decken. Doch bisher wurden nur vier Prozent genutzt - ein Grund, warum derzeit nur jeder fünfte Afrikaner Zugang zu Elektrizität hat. "Um das Ziel, Strom für alle, zu erreichen, muss Afrika die Option, sauberen Strom zu produzieren, maximieren. Zudem sollten die Staaten für Energieeffizienz sorgen, mit den Entwicklungsländern und Entwicklungsorganisationen kooperieren und sich schnellstmöglich einen größeren Anteil an der Klimafinanzierung sichern", fügte Johnson hinzu.

Mit der Rückendeckung von zwei großen Entwicklungsbanken können die DRC und Südafrika nun ihre Inga-Baupläne vorantreiben. Nach der Unterzeichnung der Übereinkunft ordneten Zuma und Kabila Verhandlungen über den Abschluss eines Abkommens mit festen Zeitrahmen und detaillierten Umsetzungsphasen innerhalb der nächsten sechs Monate an.

Einmal fertig gestellt, werden der südafrikanische Stromriese Eskom und die kongolesische Staatsfirma 'Société Nationale d'Electricité' den Strom verwalten. Später übernimmt dann der größte Bieter. Die nicht ans Stromnetz angeschlossenen Afrikaner gehören definitiv nicht dazu. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2011