Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → INTERNATIONALES

SOZIALES/038: Wenn Armut und Naturkatastrophen zusammentreffen - Bericht zeichnet düsteres Bild (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Oktober 2013

Entwicklung: Wenn Armut und Naturkatastrophen zusammentreffen - Bericht zeichnet düsteres Bild

von Miriam Gathigah und George Gao


Bild: © Miriam Gathigah/IPS

Schwere Zeiten für ältere Menschen in Kenia
Bild: © Miriam Gathigah/IPS

Nairobi/New York, 21. Oktober (IPS) - Die 72-jährige Wambui Karunyu und ihr siebenjähriger Enkel sind die einzigen Familienmitglieder, die überlebt haben. Ihrem Mann und den fünf Kindern ist das Leben im Bezirk Mukurweini in Zentralkenia zum Verhängnis geworden.

2009 wurden die Mitte und der Süden des Landes von einer schweren Dürre getroffen. Etwa 3,8 Millionen Menschen hungerten. Vier Jahre später sind die Lebensbedingungen in der Region nach wie vor schwierig. Nach Angaben der Behörden fallen in den höher gelegenen Teilen von Mukurweini jährlich rund 1.500 Millimeter Regen, in den tieferen Regionen hingegen nur etwa 200 Millimeter.

Einem neuen Bericht des britischen Think Tanks 'Overseas Development Institute' (ODI) zählt Kenia zu den elf Ländern weltweit, die die größten Risiken einer durch Naturkatastrophen verursachten Armut tragen. Dem Report mit dem Titel 'Die Geografie von Armut, Naturkatastrophen und extremen Wetterlagen 2030' zufolge geht die Staatengemeinschaft die Gefahren, die solche Katastrophen für die ärmsten Regionen der Welt bedeuten, bisher nicht angemessen an.

Der Report hat eine Karte mit den Orten erstellt, an denen Armut und Naturkatastrophen im Jahr 2030 mit großer Wahrscheinlichkeit gehäuft auftreten werden. In vielen Fällen überschneiden sich die beiden Bereiche. Das Ausmaß von Katastrophen wie Dürren, Überflutungen und Wirbelstürmen hänge davon ab, welche Gegenmaßnahmen die Regierungen ergreifen würden, so die Autoren.


Klimaanpassung rettet Leben

2010 kamen bei dem Erdbeben der Stärke 7,0 in Haiti elf Prozent der Menschen, die die Erdstöße miterlebten, ums Leben. In Chile starben bei dem noch schwereren Beben von 8,8 hingegen 0,1 Prozent dieser Personengruppe. Etwa 138.000 Menschen fielen 2008 dem Wirbelsturm Nargis zum Opfer, als dieser über Myanmar hinwegfegte. Der Hurrikan 'Gustav', der ähnlich heftig wütete, riss in der Karibikregion und in den USA 153 Menschen mit in den Tod.

Schleichende Katastrophen wie etwa die Dürre, unter der Karunyu und ihr Enkel in Kenia leiden, führen vor allem in armen ländlichen Regionen zu den härtesten Entwicklungsrückschlägen, wie der ODI-Bericht hervorhebt. In diesen Gebieten gibt es zudem keine sozialen Sicherheitsnetze.

"Ich pflanze in jeder Saison Mais und Bohnen an, doch ich ernte nichts", sagt Karunyu. "Ich höre aber nie auf zu pflanzen, weil ich hoffe, dass es dieses Mal endlich besser wird. Es ist aber immer das Gleiche - Verlust und Hunger."

Wie Simon Mwangi aus Mukurweini berichtet, der für die kenianische Vereinigung der Milchbauern arbeitet, geht es vielen Menschen in der Region wie Karunyu. "Das Leben hier ist durch Armut und Hunger gekennzeichnet. Die große Mehrheit lebt als Bauern in ländlichen Regionen. Angesichts der langen Dürreperioden ist die Lage alarmierend. Denn es gibt keine anderen Einkommensmöglichkeiten."

Unvorhersehbare Regenfälle, häufige Trockenperioden und die begrenzten Möglichkeiten der Bewohner der Region, sich den einschneidenden Klimaveränderungen anzupassen, haben sich verheerend auf das Wachstum vieler früher reichlich vorhandener Nutzpflanzen wie Mais und Bohnen ausgewirkt.

"In den tiefer gelegenen Gebieten von Mukurweini ist kein Maisanbau mehr möglich, dennoch pflanzen die Farmer immer wieder Mais", meint Mwangi. "Dabei gibt es dürrebeständige Pflanzen, die hier gut gedeihen würden. Das gilt auch für Früchte wie Ananas und Mangos. Es fehlen Agrarexperten, die den Menschen bei der Klimaanpassung helfen."

Auch sind in Mukurweini Nichtregierungsorganisationen rar. Der Internationale Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD) war neun Jahre lang in Mukurweini im Einsatz, bevor er 2011 das Gebiet verließ. "Alles klappte viel besser, als sich der IFAD um die Bewässerung und die Fortbildung der Bauern kümmerte", so Mwangi. "Früher gab es genug Nahrungsmittel, während die Menschen heute vielerorts fast verhungern."


Anteil der Armen steigt

In Kenia trägt jedes Kind, das in einem Dürrejahr geboren wird, ein um 50 Prozent höheres Risiko der Unterernährung, wie aus dem ODI-Bericht hervorgeht. Zwischen 1997 und 2007 fanden weniger als zehn Prozent der Armen in Kenia einen Weg aus der Armut. 30 Prozent der Bevölkerung, der es bis dahin besser ging, verarmten dagegen. Dafür werden zum Teil die verschiedenartigen Naturkatastrophen verantwortlich gemacht.

Im Juli 2012 hatte UN-Generalsekretär Ban Ki-moon ein Team aus 27 Beratern zusammengestellt, die Wege aus der Armut suchen sollten. In einem zehn Monate später veröffentlichten Bericht empfahlen die Experten, die Katastrophenhilfe ab 2015 in die Post-Millenniumsentwicklungsagenda aufzunehmen. Denn mit fortschreitendem Klimawandel werden die Wetteranomalien an Intensität deutlich zunehmen. ODI prognostiziert, dass im Jahr 2030 bis zu 325 Millionen arme Menschen in 49 Staaten extremen Wetterbedingungen ausgesetzt sein werden. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.odi.org.uk/sites/odi.org.uk/files/odi-assets/publications-opinion-files/8633.pdf
http://www.ifad.org/
http://www.ipsnews.net/2013/10/when-poverty-quietly-morphs-into-catastrophe/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 21. Oktober 2013
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2013