Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INTERNATIONALES


SOZIALES/076: Frauen bei Finanzierung von Klimaprojekten außen vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. April 2015

Frauen: Bei Finanzierung von Klimaprojekten außen vor

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Laut Oxfam waren zwei Drittel der mehr als 33.000 Tsunami-Opfer 2004 in Sri Lanka Frauen
Bild: © Amantha Perera/IPS

Bali, Indonesien, 9. April (IPS) - Zahlen belegen: In einigen Teilen der Welt sind vor allem Frauen die Opfer von Naturkatastrophen. Doch die besonderen Gefahren und Bedürfnisse von Frauen in Krisensituationen werden bei den Klimaprojekten viel zu selten berücksichtigt. Experten fordern deshalb eine frauenrelevante Klimafinanzierung.

Wie aus einem 2006 veröffentlichten Bericht der Hilfsorganisation 'Oxfam' hervorgeht, kamen bei dem Tsunami in Asien im Jahr 2004 etwa vier Mal so viele Frauen wie Männer ums Leben. In Sri Lanka, wo damals mehr als 33.000 Menschen starben oder verschollen sind, waren demnach zwei Drittel der Opfer weiblich. Ähnlich sah die Opferbilanz nach dem Wirbelsturm 'Nargis' in Myanmar 2008 aus. Laut einer Untersuchung der Weltbank waren zwei Drittel der insgesamt 150.000 Todesopfer Frauen.

Und diejenigen Frauen, die derartige Klimakatastrophen überleben, haben große Mühe, die ständigen Herausforderungen zu bewältigen, die sich aus den miserablen sanitären Bedingungen, der fehlenden Privatsphäre und der ständigen Sorge um die Kinder ergeben. Hinzu kommen die ständigen Sicherheitsgefahren, denen sie ausgesetzt sind. So hat die Hilfsorganisation 'Plan International' Fälle von Gewalt und Missbrauch während der Dürre 2010 in Äthiopien dokumentiert: Frauen und Mädchen, die sich stundenlang auf die Suche nach Wasser begaben, waren häufig sexuellen Übergriffen ausgesetzt.

In Krisensituationen sind es zudem häufig die Frauen, die ihre Kinder durchbringen müssen, erst recht wenn die Männer die Katastrophengebiete auf der Suche nach Verdienstmöglichkeiten verlassen.


Frauenrelevante Projekte so gut wie nicht vorhanden

Aus einem im März veröffentlichten Bericht des 'Global Greengrants Fund' (GGF), des 'International Network of Women's Funds' (INWF) und der 'Alliance of Funds' geht hervor, dass Frauen auf der ganzen Welt besonders anfällig für die durch den Klimawandel bedingten Gefahren sind. Dennoch sind ihre Aussichten, bei den Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen berücksichtigt zu werden, gering.

Der Report entstand nach einem im August 2014 auf der indonesischen Insel Bali abgehaltenen Treffen zum Thema 'Frauen und Klima', an dem mehr als 100 Graswurzel-Aktivisten und Experten teilnahmen. Den Erkenntnissen zufolge wird lediglich 0,01 Prozent der weltweit bereitgestellten Hilfe in Projekte kanalisiert, die sowohl den Klimawandel als auch auf die Rechte von Frauen im Auge haben. Experten sehen dies als gravierendes Versäumnis.

Nach Erkenntnissen von 'Germanwatch' starben zwischen 1994 und 2013 mehr als 530.000 Menschen an den direkten Folgen von etwa 15.000 extremen Wetterereignissen. Die materiellen Verluste wurden im selben Zeitraum mit fast 2,2 Billionen US-Dollar beziffert.

Der neue GGF-Report 'Climate Justice and Women's Rights' kommt zu dem Schluss, dass von Gebern finanzierte Programme nicht auf Frauen und deren Klimaschutzbedürfnisse eingehen. Männer erhielten weitaus mehr Mittel für klimabezogene Initiativen, weil die Geber dazu neigten, größere und stärker öffentlich ausgerichtete Programme zu finanzieren, während das Engagement zugunsten von Frauen in aller Regel auf lokaler Ebene stattfinde und weniger sichtbar sei.

Somit ist nicht Geldmangel das Problem, sondern das Unwissen beziehungsweise der fehlende Willen der Geber. "Der neue Bericht soll Geber anleiten, Projekten höhere Priorität einzuräumen, die Frauen einen Ausweg aus gefährlichen Situationen ermöglichen", sagt die GGF-Geschäftsführerin Terry Odendahl.

In Bali kamen im vergangenen Sommer in dem Bemühen, die Geber direkt mit den Frauen zusammenzubringen, die innerhalb ihrer Gemeinden aktiv sind, Aktivisten mit Geberorganisationen zusammen, die jährlich in 125 Ländern Fördermittel in Höhe von insgesamt etwa 45 Millionen Dollar bereitstellen. Ziel des Treffens war, Graswurzel-Frauengruppen die Chance zu geben, mit ihren Erfahrungen und Initiativen auf die Geberpolitik Einfluss zu nehmen.

Letztendlich gilt es, die politische Partizipation von Frauen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene zu verbessern, die drängendsten Klimagefahren für das Leben und die Ernährung der Landfrauen anzugehen und die Fähigkeiten indigener Frauen und Kleinbäuerinnen zu nutzen, um die klimaschädlichen Treibhausgase im Zaum zu halten und ökologisch fragile Gebiete zu schützen.


"Frauen müssen schreien, um sich Gehör zu verschaffen"

Auch müssen Umwelt- und Klimaaktivistinnen stärker vor Gewalt und Übergriffen geschützt werden. Aleta Baun von der indonesischen Insel West-Timor gewann 2013 den 'Goldman Environmental Prize', nachdem sie Dorfbewohner zu friedlichen Protesten gegen den Bergbau in geschützten Waldgebieten auf dem Berg Mutis bewegt hatte. Wie sie betont, müssen Frauen schreien, bevor man ihnen Gehör verschafft.

Baun bekommt für ihren unermüdlichen Einsatz zwar weltweit Anerkennung, bringt sich mit ihrem Engagement jedoch in Lebensgefahr. Im Verlauf der letzten 15 Jahre hat sie Mord- und Vergewaltigungsdrohungen erhalten. Wie sie berichtet, nimmt die Öffentlichkeit zum Glück davon langsam Notiz. "Endlich geschieht etwas", sagt sie. "Und das ist viel besser als Schweigen." (Ende/IPS/ck/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/04/millions-of-dollars-for-climate-financing-but-barely-one-cent-for-women/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. April 2015
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. April 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang