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URBAN/008: Klimawandel und Entwicklung afrikanischer Großstädte (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Oktober 2011

UFZ-Nachwuchswissenschaftlerin
Die Welt ist ihre Heimat

von Tilo Arnhold


Eigentlich hat sie schon so ziemlich überall gelebt. Wenn es so etwas wie eine Weltbürgerin gibt, dann trifft dies mit Sicherheit auf Nathalie Jean-Baptiste zu. Die junge Urbanistin und Expertin für Abfallmanagement arbeitet seit diesem Jahr im UFZ-Department Stadt- und Umweltsoziologie. "Am Anfang muss man einige Regeln lernen, aber dann kann man in Deutschland ebenso wie anderswo ein erfülltes Leben führen", meint sie. Ihren Platz hat sie bisher überall gefunden: Egal ob in ihrem Geburtsland Haïti, wo sie mit Kreolisch und Französisch aufgewachsen ist, oder in Montréal und New York, wo Englisch dazu kam, in México-City, wo sie Spanisch lernte und Architektur studierte, oder in Weimar, wo sie an der Bauhaus-Universität ihren Master für Europäische Urbanistik erwarb und dazu Deutsch benötigte. "Man muss nur mit mehreren Sprachen aufwachsen, dann bedarf es wenig Überwindung, noch eine weitere dazu zu erlernen" meint sie mit einem verschmitzten Lächeln.

Für ihre neue Aufgabe braucht Nathalie Jean-Baptiste neben Englisch vor allem Französisch. Denn in den nächsten zwei Jahren wird sie in einem internationalen Forschungsprojekt zum Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Stadtentwicklung in afrikanischen Großstädten mitarbeiten. Bislang leben knapp 300 Millionen Afrikaner in Städten. Auf keinem Kontinent wächst der Anteil der städtischen Bevölkerung so stark wie in Afrika. Und das, obwohl die Existenzgrundlagen der meisten Menschen in den städtischen Ballungsräumen durch politische Konflikte und Umweltprobleme bedroht sind und die Verwundbarkeit gegenüber Wetterextremen wie Überflutungen oder Dürreperioden weiter wächst. Um überhaupt eine Chance zu haben, die ausufernden Stadtgebiete daran anzupassen, brauchen die Stadtplaner und lokalen Entscheidungsträger verlässliches und anwendungsorientiertes Handlungswissen. Das sollen Forschungsprojekte wie das im Dezember 2010 gestartete EU-Forschungsprojekt CLUVA (Climate Change and Urban Vulnerability in Africa) liefern. Nathalie Jean-Baptiste und ihre Kollegen vom UFZ sowie den zwölf anderen Partnerinstituten untersuchen dabei fünf Städte: Addis Abeba in Äthiopien, Dar es Salaam in Tansania, Douala in Kamerun, Ouagadougou in Burkina Faso und Saint Louis im Senegal. So unterschiedlich die Städte, Länder, Völker, Sprachen und Kulturen auch sein mögen, sie vereint ein Ziel: Sie alle müssen lernen, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen. Das UFZ bringt dabei seine Erfahrungen aus der sozialwissenschaftlichen Forschung im Umgang mit Extremereignissen ein. Themen der Verwundbarkeit und Widerstandsfähigkeit von Städten (Vulnerabilität und Resilienz) nehmen dabei einen entscheidenden Platz ein.

Die afrikanischen Partner profitieren von den europäischen Erfahrungen, aber auch umgekehrt: "Typisch für Afrika ist, dass die Menschen ihre Probleme kreativ selbst lösen müssen. Denn der Staat tut oft nur wenig", erzählt Nathalie. Deshalb existieren starke soziale Netzwerke. So gibt es zum Beispiel in Dar es Salaam die UPATU, eine finanzielle Kooperation, bei der eine bestimmte Gruppe von Menschen, zum Beispiel die Nachbarschaft oder Kirchengemeinde, Geld für den Notfall anspart und dieses im Rotationsprinzip jeweils an bedürftige Familien verteilt. Ein anderes Beispiel sind die populären SACCOs (Savings and Credit Cooperatives) - Finanzinstitutionen, die ihren Mitgliedern Sparmöglichkeiten und Zugang zu Krediten im privaten Krisenfall oder auch für große Feierlichkeiten bieten. "Dieses Wissen zu erschließen ist essenziell, um die lokalen Bedingungen richtig einschätzen zu können", so Nathalie. Die Wissenschaftler brauchen dabei eine Menge Fingerspitzengefühl und Geduld, beispielsweise wenn sie bei der Befragung von Einwohnern darauf achten müssen, nur den Mann und seine erste Frau zu interviewen, nicht aber die zweite und dritte Frau. Oder wenn im Falle von Addis Abeba, der äthiopischen Hauptstadt, die Amtssprache "Amharisch" einem eigenen Alphabet folgt. Oder wenn sie sich bei ihrer Arbeit, um Missverständnissen mit den Einheimischen vorzubeugen, an den nur in Äthiopien üblichen Kalender und das spezielle Zeitsystem anpassen müssen. Aber auch das alles dürfte für die Weltbürgerin Nathalie Jean-Baptiste kein Problem sein.

Nachwuchswissenschaftlerin:
Nathalie Jean-Baptiste,
MSc European Urban Studies
Dept. Stadt- und Umweltsoziologie

e-mail: nathalie.jean-baptiste@ufz.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Foto: Nathalie Jean-Baptiste


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Quelle:
UFZ-Newsletter Oktober 2011, Seite 7
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Oktober 2011