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USA/005: Risiken der Aquakultur - Gentechnik-Lachs vor der US-Marktzulassung (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2010


Risiken der Aquakultur
Gentechnik-Lachs vor der US-Marktzulassung

Von Susanne Gura


Die Zulassung des gentechnisch veränderten Lachses der Firma AquaBounty Technologies durch die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) wäre ein mehrfacher Durchbruch der Biotech-Industrie. Zum ersten Mal würde ein Gentechnik-Tier als Nahrungsmittel auf den Markt kommen, und zum ersten Mal sind in zunächst aquatische Ökosysteme betroffen, nicht terrestrische.

AquaBounty Technologies hat nach 14 Jahren ca 50 Millionen USD, zu großen Teilen öffentliche Mittel, investiert und wartet seit 1999 auf die Marktzulassung. In den Atlantischen Lachs (Salmo salar). wurden das Wachstumsgen des Pazifischen Königslachses (Oncorhynchus tshawytscha) und das Frostschutzgen des barschartigen Zoarces americanus, engl. eelpout) transferiert. Damit wird aus dem Wachstumzyklus die winterliche Bracheperiode entfernt, der Lachs erreicht sein Endgewicht nicht nach 36 Monaten, sondern bereits nach 18 Monaten ununterbrochenen Wachstums. Er braucht dabei laut Aquabounty Technologies insgesamt etwa 10% weniger Futtermittel. Ähnliche Gentechnologien existieren bereits im Labor für etwa drei Dutzend aquatische Arten, einschließlich Shrimps, Forellen und Karpfen. Ihre Biologie ist einfacher als die von Säugetieren und daher die Gentechnik weiter fortgeschritten. Ob die Technologien funktionieren, ist eine andere Frage. Umweltrisiken standen der Freisetzung bisher entgegen. Wissenschaftler-Innen sind sich einig, dass männliche Zuchtfische in Wildpopulationen aufgrund des schnellen Wachstums bei der Begattung bevorzugt werden. Weil Zuchtfische aber nicht lange überlebensfähig sind, tragen sie nicht nur zur Kontaminierung, sondern auch zum Aussterben der Wildpopulationen bei. Millionen Zuchtlachse entkommen jedes Jahr, und die Wildlachsarten sind bereits stark dezimiert. Fischer, denen Zuchtlachse ins Netz gehen, dürfen sie aus eigentumsrechtlichen Gründen nicht verkaufen.


Terminatortechnologien

Die boomende Aquakulturgenetik-Industrie bietet, ähnlich wie bei Saatgut, Terminatortechnologien. Sie sollen unfruchtbare Tiere hervorbringen und damit die Umwelt schützen, dienen jedoch in erster Linie dem technischen Schutz vor Nachzüchtungen durch Dritte. Bei der Triploidisierung entwickeln Fischeier einen dritten Chromosomensatz, die Tiere werden großenteils unfruchtbar. Eine andere Methode, Monosex-Population, zielt darauf, nur dasjenige Geschlecht zu entwickeln, das schneller wächst. Die Triploidie führt häufig zu Deformationen und zu verlangsamtem Wachstum. Bisher wird sie bei Forellen genutzt; beim Lachs haben auch Forschungsmillionen der kanadischen Regierung an Aquabounty offenbar nicht geholfen. Die Firma sieht ihren Lachs für geschlossene Containeranlagen an Land vor, die jeweils genehmigt werden müssen. Dass auf dem Weg von Kanada, wo die Eier produziert werden, bis hin zu den Containeranlagen in aller Welt kein Ei verloren geht, und Lachszüchter nicht doch ihre vorhandenen Offshore-Anlagen mit Gentechnik-Tieren besetzen, ist wohl kaum zu gewährleisten. Wenige fruchtbare Tiere könnten die Wildpopulationen noch weiter dezimieren.

Hinzu kommen Probleme der Massentierhaltung im Wasser. Die Anlagen verschmutzen die Gewässer. Im Wasser breiten sich auch die Krankheitserreger und Parasiten wesentlich schneller aus. Die Aquakultur-Veterinärsparte boomt; Antibiotikaeinsatz ist die Regel.


Regelungen in den USA

In den USA gibt es für Gentechnik-Tiere keine eigene gesetzliche Regelung; es wird lediglich getestet, ob das Tier die eingebauten Gene verträgt. Seit Januar 2009 ist eine unverbindliche Richtlinie hinzugekommen, der zu Folge die FDA eine öffentliche Konsultation am 19. und 20. September durchgeführt hatte. Laut FDA sind weitere Sicherheitstests nach einer Markteinführung erforderlich; Mitglieder des Veterinärkomitees hatten jedoch angemerkt, dass die offenen Fragen vor einer Zulassung beantwortet sein müssten. Über die Kennzeichnung wurde separat am 21. September beraten, hierzu kann sich die Öffentlichkeit noch bis zum 22. November äußern. Für die Kennzeichnung gibt es in den USA keine Vorschriften. Eine Nachverfolgung ist nicht vorgesehen und in den USA nicht erforderlich. In der EU würde sicherlich Druck entstehen, den USA gleichzuziehen.


Futtermittel für Fische

Der Weltmarktführer von Lachsgenetik, Aquagen, (er gehört Erich Wesjohann, der bereits die Weltmärkte für Geflügelgenetik beherrscht), wird vermutlich nicht hinter Aquabounty zurückstehen wollen oder können. Hinderlich ist in erster Linie die Gentechnikfeindlichkeit der europäischen Verbraucher. Womöglich lassen sie sich aber von der Industrielobby irreleiten, die die Aquakultur als umwelt- und klimafreundlich verkaufen will. Die Futterverwertung ist bei Fisch besser als bei Schwein und Rind. Aber Lachs ist ein Netto-Proteinvernichter. Er wird mit Fischmehl und Fischöl gefüttert. Weil die Nahrungsketten in den Ozeanen bereits zusammenbrechen und keine Steigerung möglich ist, wird mehr Soja und Anderes an Fische verfüttert. Der Druck auf die Landressourcen steigt. So wächst derzeit auch die Futtermittelindustrie am schnellsten in der Sparte Aquakultur. Den Entwicklungsländern wird nicht geholfen sondern geschadet, denn die Grundnahrungsmittelpreise steigen mit der Konkurrenz aus der Aquakultur. Gegessen wird ein großer Teil industrieller Aquakulturprodukte im Norden. Mehr und mehr wird dafür im Süden produziert, auf Kosten der dortigen Ökosysteme und auf Kosten der Armen, auf die darüber hinaus in den Wertschöpfungsketten die Risiken verschoben werden.


Widerstand formiert sich

In Kanada und den USA formiert sich Widerstand. Mehrere Bundesstaaten haben sich gegen die Marktzulassung des Gentechnik-Lachses gestellt, ebenso wie eine Koalition von ca 300 zivilgesellschaftlichen Organisationen, angeführt vom Center for Food Safety. Sollte sich das FDA entgegen der Widerstände für die Marktzulassung entscheiden, fordert die Koalition, eine klare Kennzeichnung vorzuschreiben.


Die Autorin ist selbstständige Beraterin und arbeitet zu Landwirtschafts- und Tierzuchtthemen.

• Gura, S. (December 2009) Aquaculture and its genetic resources: Corporations versus communities. Can small scale fishing communities benefit from current developments? Draft report to ICSF http://icsf.
net/icsf2006/uploads/publications/reports/pdf/english/issue_10/ALL.pdf

• Gura, S. (2009), No Sex on the Beach. In Genethischer
Informationsdienst, Unfruchtbarkeit als Geschäft.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.

Der Rundbrief des Forums Umwelt & Entwicklung, erscheint vierteljährlich, zu beziehen gegen eine Spende für das Forum.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 3/2010, S. 18
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Januar 2011