Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → INTERNATIONALES


WIRTSCHAFT/067: Vorwürfe gegen Weltbanktochter im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen (urgewald)


urgewald - Kampagne für den Regenwald - Pressemitteilung vom 2. April 2015

Milliarden-Investitionen der Weltbanktochter IFC verursachen Menschenrechtsverletzungen

Oxfam und urgewald kritisieren in Recherche-Bericht mangelnde Kontrolle der Geschäfte mit Banken und Fonds


Berlin/Sassenberg, 2. April 2015. Milliardenschwere Investitionen der International Finance Corporation (IFC) verursachen weltweit Menschenrechtsverletzungen. Der Grund: Die Weltbanktochter schätzt Risiken ihrer Geschäfte mit Partnern wie Banken und Private Equity Fonds falsch ein und ergreift keine Maßnahmen, um die ärmsten sowie sozial und ökonomisch schwächsten Bevölkerungsgruppen zu schützen. Dies dokumentiert der heute von zahlreichen Nichtregierungsorganisationen, darunter Oxfam und urgewald, veröffentlichte Recherche-Bericht "The Suffering of Others" (Link). Fallstudien aus Indien, Laos, Kambodscha, Guatemala und Honduras belegen, dass die IFC bei ihren Geschäften mit so genannten Finanzintermediären ihre Sorgfaltspflicht verletzt und schlechtes Risikomanagement betreibt. Die Folge: Lokale Gemeinschaften werden von ihrem Land vertrieben, sind Gewalt und Repressionen ausgesetzt und verlieren ihre Existenzgrundlagen. Zum Anlass des IFC Board Meetings am 2. April fordern Oxfam und urgewald: Die IFC muss ihre Investitionen in Hochrisikoprojekte, die über die private Finanzwirtschaft abgewickelt werden, einstellen, bis ein wirksames Risikomanagement etabliert ist.

Größter Teil der IFC-Darlehen geht an Banken und Private Equity Fonds Die IFC wickelt mittlerweile 62 Prozent ihres Investitionsportfolios über Partner wie Banken und Private Equity Fonds ab. 36 Milliarden US-Dollar wurden auf diese Weise in den Jahren 2009 bis 2013 als Darlehen vergeben. Diese Summe übersteigt um 50 Prozent die Ausgaben der gesamten Weltbankgruppe im Gesundheitsbereich und beträgt das Dreifache der Ausgaben im Bildungssektor im gleichen Zeitraum. Dabei gibt es erhebliche Transparenz-Defizite bei den Geschäften mit der privaten Finanzwirtschaft: Für 94 Prozent der Investitionen, die die IFC in diesem Bereich selbst als Hochrisiko-Projekte klassifiziert, liegen für die vergangenen drei Jahre (seit 2012) keine öffentlichen Informationen über den Verbleib der Finanzmittel vor. "Die Darlehenspraxis der IFC bleibt völlig im Dunkeln. Die bittere Erkenntnis ist, dass die IFC nicht weiß, was mit ihrem vielen Geld passiert", kritisiert Knud Vöcking, Weltbankexperte bei der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation urgewald. Dies gewinnt zusätzliche Brisanz durch die Pläne der IFC, ihre Darlehen in fragile und von Konflikten betroffene Staaten um 50 Prozent zu erhöhen. Oxfam und urgewald fordern, dass die IFC die Geldempfänger und Sub-Projekte aller ihrer Investitionen über Dritte veröffentlicht.

Beispiel: Infrastrukturprojekt in Indien

Im Jahr 2008 investierte die IFC 100 Millionen US-Dollar in den Indischen Infrastrukturfonds. Dieser wiederum investierte einen Teil des Geldes in ein 1.400-MW-Kraftwerk der GMR Kamalanga Energy Limited (GKEL) im indischen Bundesstaat Odisha. Im Zuge des Projektes verloren knapp 1.300 Familien ungefähr 486 Hektar (1.200 acres) bewässertes Ackerland, obwohl ein Gesetz in Odisha die Umnutzung von Ackerland in industriell genutztes Land verbietet. Darüber hinaus erwarb das Unternehmen knapp 32 Hektar (78 acres) Wald, ohne die Landrechte der Gemeinden vor Ort zu respektieren, was eine Verletzung des Waldrechtgesetztes von 2006 darstellt. Familien wurden gezwungen, ihr Land zu einem Preis zu verkaufen, der durchschnittlich 1.600 US-Dollar/acre unterhalb dessen lag, was man in den drei Jahren vor dem Start des Projekts für diese Fläche erhalten hätte. Dem Bericht "The Suffering of Others" zufolge hat das GKEL-Projekt den Anteil der Haushalte ohne Landbesitz in dem Gebiet um rund 23 Prozent erhöht. Zwei Basisorganisationen aus den betroffenen Gemeinden haben bei der Ombudsstelle der IFC eine Beschwerde eingereicht, in der sie kritisieren, dass es keine öffentlichen Anhörungen gegeben habe, obwohl dies bei Landerwerb zwingend vorgeschrieben sei. Zudem seien keinerlei Projektinformationen inklusive Sozial- und Umweltverträglichkeitsprüfungen öffentlich verfügbar.

Fazit: Das GKEL-Projekt hat die ärmlichen Lebensbedingungen der Gemeinden, die bereits von hoher Umweltverschmutzung betroffen sind, nicht verbessert sondern verschärft. Ähnliche Schlüsse lassen sich auch aus den anderen Fallstudien des Recherche-Berichts ziehen: Projekte in Guatemala, Honduras, Kambodscha oder Laos haben das Leid der Menschen erhöht, statt es zu mindern.

Vogel-Strauß-Praxis der IFC muss ein Ende haben

"Unser Bericht zeigt klar und deutlich, dass die IFC die sozialen und ökologischen Risiken von Projekten teilweise selbst als hoch einschätzt, aber trotzdem keine geeigneten Maßnahmen ergreift, um dem zu begegnen. Diese Vogel-Strauß-Praxis muss ein Ende haben. Die IFC muss sicherstellen, dass bei Investitionen ihre eigenen Umwelt- und Sozialstandards eingehalten werden. Wenn Kreditnehmer diese Standards verletzen, muss das zu einem Ende der Zusammenarbeit führen", erklärt David Hachfeld, Handelsexperte bei Oxfam.

Oxfam ist eine internationale Entwicklungsorganisation, die weltweit Menschen mobilisiert, um Armut aus eigener Kraft zu überwinden. Dafür arbeiten im Oxfam-Verbund 17 Oxfam-Organisationen Seite an Seite mit rund 3.000 lokalen Partnern in mehr als 90 Ländern.
Mehr unter www.oxfam.de

urgewald ist eine deutsche Nichtregierungsorganisation, die sich seit vielen Jahren kritisch mit der Weltbank und anderen internationalen Finanzinstitutionen beschäftigt.
Mehr unter: www.urgewald.org


Link zur Studie: The Suffering of Others
https://www.urgewald.org/sites/default/files/ib-suffering-of-others-ifc-financial-intermediaries-020415-en.pdf

*

Quelle:
Pressemitteilung, 31.03.2015
Herausgeber: urgewald e.V.
Hauptgeschäftsstelle:
Von-Galen-Straße 4, 48336 Sassenberg
Tel.: 02583/1031, Fax: 02583/4220
urgewald Büro Berlin
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Tel.: 030/28482271, Fax: 030/28482279
Internet: www.urgewald.org


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. April 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang