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FORSCHUNG/500: Verringerung kurzlebiger Klimatreiber bringt keinen Aufschub für CO2-Reduktion (PIK)


Gemeinsame Pressemitteilung des International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung

04.11.2014

Verringerung kurzlebiger Klimatreiber bringt keinen Aufschub für CO2-Reduktion



Für die Abschwächung des langfristigen Klimawandels bringt es wenig, zunächst andere Treibhausgase als CO2 zu verringern. Gleiches gilt für eine Verringerung der Luftverschmutzung, wie eine neue Studie zeigt. Die Hoffnung war groß, dass die Reduktion so genannter kurzlebiger Klimatreiber - etwa Methan oder Ruß - die Gesundheit der Menschen und die Pflanzenwelt schützt, und auch den weltweiten Temperaturanstieg begrenzt. Nun zeigt sich, dass nur eine Minderung des CO2-Ausstoßes der Erwärmung auf Dauer begegnen kann.

Die kurzlebigen Emissionen stammen aus einer Vielzahl von Quellen, etwa Dieselmotoren, Öfen, Kohlebergwerken oder aus der Viehhaltung. Sie bleiben für einen Zeitraum von wenigen Tagen bis zu einem Jahrzehnt in der Atmosphäre - CO2 hingegen überdauert Tausende von Jahren. Die jetzt in den Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) veröffentlichte Studie zeigt, dass der langfristige Nutzen einer Verringerung dieser Emissionen in Szenarien zur Klimastabilisierung überschätzt wurde.

CO2-Ausstoß auf Null runterfahren

"Wenn das Klima bei einer bestimmten Temperatur stabilisiert werden soll, muss der Ausstoß von CO2 letztendlich auf Null heruntergefahren werden", sagt Leit-Autor Joeri Rogelj vom IIASA. "Obwohl ein baldiges Handeln gegen kurzlebige Klimatreiber helfen kann, die Erwärmung in den nächsten Jahrzehnten zu reduzieren, und dabei auch andere nützliche Auswirkungen hat, etwa sauberere Luft, so verschafft uns das keine Zeit, die Minderung des CO2-Ausstoßes aufzuschieben, die zur Stabilisierung des Klimas nötig ist."

"Nur eines kann die immensen Risiken ungezügelten Klimawandels vermeiden, und das ist das Verringern von CO2-Emissionen", sagt Ko-Autor Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des PIK. "Die Hoffnung, dass ein Drosseln anderer Emissionen den Job zu einem großen Teil schon erledigen wird, haben sich als irrig herausgestellt. Unsere Studie bietet nun eine neue wissenschaftliche Grundlage für die Entscheider in der Politik. Allerdings sollte dabei nicht übersehen werden, dass es ein in sich sinnvolles Ziel ist, die kurzlebigen Umweltbelastungen anzugehen."

Eine Frage der Perspektive: Jahrzehnte - oder Jahrhunderte

Bisherige Forschung, einschließlich solcher des IIASA, hat gezeigt, dass eine rasche Begrenzung der kurzlebigen Klimatreiber wie Methan und Ruß die durch Luftverschmutzung verursachte vorzeitige Sterblichkeit reduzieren kann, Ernten wachsen lassen kann, und helfen kann, die kurzfristige Erwärmung zu minimieren. In der neuen Studie haben die Forscher die Perspektive erweitert und sowohl die kurzfristige - über Jahrzehnte - als auch die langfristige - über Jahrhunderte - Perspektive erfasst und die Auswirkungen von Luftverschmutzung, Methan, Fluorkohlenwasserstoffen und CO2 abgeschätzt.

Weil die kurzlebigen Klimatreiber und das CO2 häufig aus den gleichen Quellen stammen, zum Beispiel Diesel-Autos und Kohleöfen, quantifiziert die neue Studie, in welchem Maße die Verringerung der CO2-Emissionen im Laufe der Zeit auch zur Verringerung der kurzfristigen Klimatreiber führt.

Das Ergebnis: Ein Begrenzen der kurzlebigen Klimatreiber kann den Klimawandel in den kommenden Jahrzehnten zwar beeinflussen. Allerdings kann eine Reduzierung der Luftverschmutzung durch Teilchen, etwa Ruß und Schwefel-Dioxid, auch ohne die Einbeziehung von CO2 erreicht werden. Die Abgase von Autos oder Heizkesseln in der Industrie können gereinigt werden, Feuerholz zum Kochen kann durch sauberere Brennstoffe ersetzt werden. Allein die Luftverschmutzung zu bekämpfen, führt also nicht notwendigerweise zu einer Verringerung des CO2-Ausstoßes - diese Verringerung aber ist die Bedingung für eine Reduzierung des langfristigen Temperatur-Anstiegs.

Nutzen für Gesundheit und Ernten

"Die neue Studie unterstreicht, wie wichtig es ist, Problemen wie Klimawandel, Luftverschmutzung und Energiepolitik mit integrierten Antworten zu begegnen", sagt Rogelj.

"Während rasches Handeln zur Reduzierung der CO2-Emissionen unverzichtbar ist, um das Klima zu schützen, würden zusätzliche Maßnahmen gegen die kurzlebigen Klimatreiber einen unbestrittenen Nutzen für die menschliche Gesundheit, die Landwirtschaft und den kurzfristigen Klimawandel haben - auch wenn ihr Beitrag zum Erreichen langfristiger Klimaziele geringer ist als bislang geschätzt", sagt Markus Amman, Direktor des IIASA Programms zur Minderung von Luftverschmutzung und Treibhausgasen. Auch er ist Ko-Autor der Studie.

Forschung des IIASA hat auch gezeigt, dass ein gleichzeitiges und abgestimmtes Vorgehen gegen Luftverschmutzung und Klimawandel die Kosten verringern kann, im Vergleich zu einem für beide Bereiche getrennten Vorgehen.[1]

Artikel:
Rogelj, J., Schaeffer, M., Meinshausen, M. , Shindell, D., Hare, W., Klimont, Z., Velders, G.J.M., Amann, M., Schellnhuber, H.J. (2014): Disentangling the effects of CO2 and short-lived climate forcer mitigation. Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)
(Early Edition) [DOI:10.1073/pnas.1415631111]

Weblink zum Artikel:
www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1415631111


[1] http://www.iiasa.ac.at/web/scientificUpdate/2013/researchProgram/MitigationofAirPollution/Co-benefits.html

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Quelle:
PIK-Pressemitteilung, 04.11.2014
Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2014