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FORSCHUNG/773: Ammoniak aus Landwirtschaft kann Wolken über Asien beeinflussen (FZJ)


Forschungszentrum Jülich GmbH - 9. Juli 2019

Ammoniak aus Landwirtschaft kann Wolken über Asien beeinflussen

Klimaforscher lösen Rätsel einer riesigen Aerosol-Schicht in der Atmosphäre


Jülich / Karlsruhe, 9. Juli 2019 - In 12 bis 18 Kilometern Höhe über dem Mittleren Osten und Asien erstreckt sich die "Asiatische Tropopausen- Aerosolschicht" (ATAL). Diese Ansammlung von Aerosolen wurde 2011 zum ersten Mal im asiatischen Monsun nachgewiesen, ihre Zusammensetzung und Wirkung ist bisher jedoch nicht erforscht. Ein europäisches Konsortium von Wissenschaftlern konnte nun erstmals kristallines Ammoniumnitrat als Hauptbestandteil der Schicht sowie seine Herkunft nachweisen. Ihre Ergebnisse stellen die Forscher in Nature Geoscience vor.


Foto: © NASA

Infrarotspektrometer CRISTA
Das Infrarotspektrometer CRISTA kam bei einer Space-Shuttle-Mission der NASA zum Einsatz.
Foto: © NASA

Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich, des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der Johannes Gutenberg-Universität und des Max-Planck-Instituts für Chemie in Mainz, des Alfred-Wegener-Instituts sowie des Laboratoire de Météorologie Dynamique in Paris und des Istituto di Scienze dell'Atmosfera e del Clima in Rom kombinierten für ihre Untersuchungen Messflüge eines hochfliegenden Forschungsflugzeugs während des asiatischen Monsuns mit Satellitenbeobachtungen, um die Verteilung und Zusammensetzung der Aerosole in der ATAL zu untersuchen. Ihre Beobachtungen analysierten die Wissenschaftler zusätzlich mithilfe von meteorologischen Modellrechnungen und Labormessungen. "Überraschenderweise konnten wir in weiten Teilen der ATAL kristallines Ammoniumnitrat als Hauptbestandteil nachweisen", erklärt Dr. Michael Höpfner vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung - Atmosphärische Spurengase und Fernerkundung (IMK-AAF) des KIT. Aerosole sind kleinste Schwebeteilchen aus vielfältigen natürlichen und vom Menschen verursachten Quellen. In der Atmosphäre können sie als Kondensationskerne, an die sich Wassertröpfchen anlagern, die Wolkenbildung beeinflussen.


Foto: © Forschungszentrum Jülich / Rolf Müller

Mit Messflügen mit dem Forschungsflugzeug Geophysica während des asiatischen Monsuns - hier im Anflug auf Kathmandu -, Satellitenbeobachtungen und Laboranalysen lösten die Forscher das Rätsel der Asiatischen Tropopausen-Aerosolschicht.
Foto: © Forschungszentrum Jülich / Rolf Müller

Mit Satellitenbeobachtungen konnten die Forscher nun erstmals große Mengen Ammoniumnitrat-Aerosole über Asien zurück bis ins Jahr 1997 nachweisen - ein Jahr, in dem die ATAL als noch nicht existent galt. Wesentliches Datenmaterial dazu stellten die Jülicher Stratosphärenforscher zur Verfügung. Das von der Universität Wuppertal entwickelte Infrarotspektrometer CRISTA ("CRyogenes Infrarot-Spektrometer und Teleskop für die Atmosphäre") kam 1997 bei einer Space Shuttle-Mission der NASA erfolgreich zum Einsatz. "Mit dem Instrument wurden global atmosphärische Infrarotspektren mit einer bisher unerreichten räumlichen Auflösung gemessen", so Prof. Martin Riese, Direktor am Institut für Energie- und Klimaforschung, Bereich Stratosphäre. Bei einer neuen Auswertung der Daten in Hinblick auf die Zusammensetzung der ATAL beobachtete sein Team dann einen spektralen "Fingerabdruck", der aber zunächst noch keiner Substanz sicher zugeordnet werden konnte.

Für die aktuelle Studie wurden dann Messungen in der "Wolkenkammer" AIDA in Karlsruhe durchgeführt, bei denen die spektralen Fingerabdrücke eindeutig festen Ammoniumnitratpartikeln zugeordnet werden konnten. Auf dieser Grundlage gelang es den Jülicher Wissenschaftlern, die während der CRISTA-Messung vorhandene Konzentration der Partikel im Bereich der ATAL quantitativ zu bestimmen und damit nachzuweisen, dass diese Schicht schon 1997 sehr ausgeprägt war.

Die Jülicher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler lieferten darüber hinaus einen wichtigen Beitrag zu den detaillierten Messungen von Ammoniak - des Gases, aus dem sich das feste Ammoniumnitrat bildet. Die Messungen waren Teil einer Kampagne mit dem russischen Forschungsflugzeug Geophysica im Sommer 2017 in Nepal im Projekt StratoClim, die vom Jülicher Wissenschaftler Dr. Fred Stroh geleitet wurde. Zum Einsatz kam dabei GLORIA ("Gimballed Limb Observer for Radiance Imaging of the Atmosphere"). Dahinter steckt eine Infrarot- Kamera, die die von den atmosphärischen Gasen ausgesandte Wärmestrahlung in ihre Spektralfarben zerlegt. Dadurch können diese Gase und ihre großräumigen Bewegungen sehr genau abgebildet werden. Das Instrument wurde gemeinsam von der Jülicher Stratosphärenforschung und dem Karlsruher Institut für Technologie entwickelt.

Unsere Experimente zeigten, dass, entgegen der allgemeinen Lehrmeinung, flüssige Ammoniumnitrat-Tröpfchen bei kleinen, hauptsächlich schwefelhaltigen Verunreinigungen und minus 50 Grad zu festen Teilchen kristallisieren, die auch bei den Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsbedingungen der oberen Troposphäre bestehen bleiben", so Dr. Robert Wagner vom Karlsruher IMK-AAF. Bisher galt es als unwahrscheinlich, dass dieses Aerosol in solch großen Höhen vorkommt, da Regen das Vorläufergas Ammoniak sehr schnell aus der Atmosphäre wäscht. Es konnten jedoch während des asiatischen Monsuns Ammoniak-Konzentrationen festgestellt werden, die bis zu 50 Mal höher waren als in zurückliegenden Messungen.

Seinen Ursprung hat dieses Ammoniak vor allem in landwirtschaftlichen Prozessen, besonders bei der Viehhaltung und der Düngemittelanwendung. In Asien sind heute die höchsten Ammoniak-Emissionen festzustellen. Während des Monsuns werden die verschmutzen Luftmassen von der Landoberfläche in Höhen bis zu 18 Kilometer transportiert. Hier reagiert Ammoniak zu Ammoniumnitrat, einem Aerosol, das sowohl die Bildung als auch die Eigenschaften von Wolken beeinflusst.

Die Daten beweisen zum ersten Mal, dass Ammoniumnitrat-Aerosole in der oberen Troposphäre während des asiatischen Monsuns allgegenwärtig sind. Diese Ergebnisse sind vor allem für die Wechselwirkungen von Wolken und Aerosolen wichtig, eine der größten Unsicherheiten in der Klimamodellierung. Zudem belegen sie, dass das am Boden emittierte Ammoniak großen Einfluss auf die Prozesse in der oberen Troposphäre - und möglicherweise das asiatische Klima - hat.


Originalpublikation:
Michael Höpfner, Jörn Ungermann, Stephan Borrmann, Robert Wagner, Reinhold Spang et al.: Ammonium nitrate particles formed in upper troposphere from ground ammonia sources during Asian monsoons, Nature Geoscience, 2019.
DOI: 10.1038/s41561-019-0385-8
https://www.nature.com/articles/s41561-019-0385-8


Das Forschungszentrum Jülich leistet wirksame Beiträge zur Lösung großer gesellschaftlicher Herausforderungen in den Bereichen Information, Energie und Bioökonomie. Es konzentriert sich auf die Zukunft der Informationstechnologien und -verarbeitung, komplexe Vorgänge im menschlichen Gehirn, den Wandel des Energiesystems und eine nachhaltige Bioökonomie. Das Forschungszentrum entwickelt die Simulations- und Datenwissenschaften als Schlüsselmethode der Forschung weiter und nutzt große, oft einzigartige wissenschaftliche Infrastrukturen. Dabei arbeitet es themen- und disziplinenübergreifend und nutzt Synergien zwischen den Forschungsgebieten.


Webseite des Instituts für Energie- und Klimaforschung, Bereich Stratosphäre (IEK-7)
https://www.fz-juelich.de/iek/iek-7/DE/Home/home_node.html

"Ammoniak aus Landwirtschaft kann Wolken über Asien beeinflussen", Pressemitteilung des KIT vom 9. Juli 2019
http://www.kit.edu/kit/pi_2019_091_ammoniak-aus-landwirtschaft-kann-wolken-uber-asien-beeinflussen.php

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Quelle:
Pressemitteilung, 09.07.2019
Herausgeber: Forschungszentrum Jülich GmbH, 52425 Jülich
Mitglied der Hermann von Helmholtz Gemeinschaft
Deutscher Forschungzentren (HGF)
Telefon: 02461/61-46 61, Fax: 02461/61-46 66
E-Mail: info@fz-juelich.de
Internet: www.fz-juelich.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Juli 2019

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