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INITIATIVE/152: Germanwatch-Informationsdienst KlimaKompakt 67 (GW)


Germanwatch e. V. - 30.10.2010

KlimaKompakt Nr. 67 / Oktober 2010


Internationaler Klimaversicherungsmechanismus als Hilfe
Lehren aus der Pakistan-Flut

Versicherungsmechanismus als Teil eines UN-Klimaabkommens
Kleine Inselstaaten besonders bedürftig

Versicherungsunternehmen fordern Regierungen auf
Effektive Hilfe braucht förderliche Rahmenbedingungen


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Editorial

Eine Klimaversicherung für die Ärmsten

Das Jahr 2010 war geprägt von extremen Wetterereignissen. Wochenlange Niederschläge wie in Pakistan oder eine Hitzewelle wie in Russland würden auch die Wirtschaftsmacht Deutschland überfordern, zumindest zeitweise.

Auch der Rekordsommer 2003, mit mehr als 8.000 Toten, ist nicht vergessen. Was macht der Normalbürger, wenn er sich potentiell enormen Risiken gegenüber sieht? Er versichert sich. Ein - von den Verursachern des Klimawandels mitfinanzierter - internationaler Versicherungsmechanismus existiert bisher jedoch nicht. Dabei brauchen insbesondere die Ärmsten und gegenüber den Folgen des Klimawandels anfälligsten Staaten eine Absicherung gegen besonders starke Wetterkatastrophen, die ihre Selbsthilfemöglichkeiten übersteigen. Er steht allerdings auf der politischen Agenda der UN-Klimaverhandlungen. Er könnte schnellere und vorhersagbarere Hilfe im Fall von Wetterkatastrophen leisten. Solch ein Mechanismus bedürfte unter anderem der Expertise der privaten Versicherungswirtschaft. Zweifelsohne sollte seine Finanzierung dem Verursacherprinzip und dem Kriterium der Leistungsfähigkeit folgen und vor allem von den Industrieländer getragen werden. Für die politische Koalitionsbildung mit den verletzlichen Staaten liegt in seiner Unterstützung ein großes Potential, das die EU als ein Hauptakteur in den Verhandlungen noch nicht ausschöpft.

Sven Harmeling


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Internationaler Klimaversicherungsmechanismus als Hilfe

Lehren aus der Pakistan-Flut

Die Überschwemmungen in Pakistan haben die Nachteile verzögerter internationaler Hilfeleistungen aufgezeigt. Ein internationaler Klimaversicherungsmechanismus könnte hier Hilfestellung leisten.

Germanwatch dokumentiert einen Artikel, der während der UN-Klimaverhandlungen im chinesischen Tianjin im Newsletter ECO erschien.

"Die mit dem Wetterphänomen El Nino/La Nina in Verbindung stehenden Monsun-Überschwemmungen, die weite Teile Pakistans seit Juli verwüstet haben, zeigen die wachsende Dringlichkeit für einen internationalen Mechanismus zum Risikotransfer für extreme Wetterereignisse auf. Angesichts der schieren Größe und der sich hinziehenden Dauer der Katastrophe, aber auch wegen der Gebermüdigkeit, bleiben die bereitgestellten Finanzmittel weit hinter Pakistans Bedarf zurück. Der UN-Generalsekretär Ban-Ki Moon hat beklagt, dass zu wenig Hilfe zu spät komme, um den geschätzten 21 Millionen Obdachlosen und Betroffenen in Pakistan wirklich zu helfen.

Wie könnte ein internationaler Versicherungsmechanismus unter der UN-Klimarahmenkonvention in solchen Fällen helfen? Der erste Schritt wäre, Risikoreduzierungsmaßnahmen mit einem breiter angelegten Klimarisiko-Management zu verknüpfen.

Der zweite Schritt ist sicherzustellen, dass ein internationaler Versicherungsansatz, finanziell getragen durch die internationale Gemeinschaft, die Anpassung an die Klimafolgen und das Risikomanagement in gefährdeten Ländern befördert. Die Vorteile hierbei sollten Anreize zur Risikoreduzierung sein sowie eine bessere Planung dafür, wann und wo welche finanziellen Ressourcen benötigt werden.

Die Erfahrungen zeigen, dass Versicherungsmechanismen relativ schnell Auszahlungen leisten können. In der Karibik haben Auszahlungen aus der Karibischen Katastrophenrisiko-Versicherungsfazilität (CCRIF) Haiti nach dem desaströsen Erdbeben als erstes erreicht - einen Monat, bevor humanitäre Spenden ankamen.

Eine Herausforderung ist zu garantieren, dass die Versicherungsauszahlungen effektiv und angemessen vor Ort verwendet werden. Eine Möglichkeit, diese Bedenken aufzufangen, ist die Einrichtung von nationalen Klimafonds als Empfänger solcher Versicherungszahlungen. Bangladesch hat einen solchen Fonds eingerichtet, gesteuert durch ein Multi-Stakeholder-Gremium. Hierbei könnten die Auszahlungsmodalitäten vor dem Eintreten von Katastrophen festgelegt werden. Dies könnte auch breiter angelegte Anpassungsstrategien ergänzen, indem es zu kohärenten Risikomanagement-Strategien und Vorabplanungen ermutigen würde. Der derzeit unter UNFCCC verhandelte Text für ein neues Klima-Abkommen beinhaltet in Kap. 2, Abs. 8 auch die Option zur Einrichtung einer internationalen Versicherungsabdeckung als Teil eines umfassenderen Mechanismus zum Umgang mit Schäden und Verlusten aus dem Klimawandel. Verheerende Wetterextreme wie in Pakistan unterstreichen die Dringlichkeit für eine Antwort. Solch ein Mechanismus sollte eines der operativen Elemente des verhandelten Anpassungs-Rahmens sein und aus der internationalen Anpassungsfinanzierung gezahlt werden.

Schließlich könnte die aus dem Kopenhagen-Akkord entstandene Schnellstartfinanzierung regionale Pilotprojekte finanzieren, um die notwendigen Erfahrungen zur Ausarbeitung der Umsetzungsmodalitäten eines solchen Mechanismus zu gewinnen. Das könnte Anpassung befördern, zu effektiverem Risiko-Management beitragen und die humanitäre Situation in verletzlichen Ländern verbessern."

Quelle:
Newsletter ECO vom 6.10.10, Tianjin.
www.climatenetwork.org/blog/next-time-water-rises
(Übersetzung durch Germanwatch)


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Versicherungsmechanismus als Teil eines UN-Klimaabkommens

Kleine Inselstaaten besonders bedürftig

Die kleinen Inselstaaten gelten als besonders durch den Klimawandel gefährdet, viele von ihnen sind durch den Meeresspiegelanstieg in ihrer Existenz bedroht. Die Allianz dieser Inselstaaten setzt sich in den UN-Klimaverhandlungen besonders stark für eine Unterstützung beim Umgang mit Klimarisiken ein. Ein internationaler Ansatz der Klimaversicherung wird hierbei als ein zentrales Element gesehen.

Germanwatch dokumentiert Auszüge aus einer Eingabe der Allianz der kleinen Inselstaaten (AOSIS) in den UNFCCC-Prozess, die die Grundzüge eines dreiteiligen Mechanismus zum Umgang mit den Klimarisiken skizziert hat.

"Zu den Zielen:

Einrichtung eines Mechanismus zur Reduzierung der Vulnerabilität und zur Verbesserung der Anpassungsfähigkeit an Klimarisiken in kleinen Inselstaaten, Least Developed Countries (LDCs) und anderen Entwicklungsländern, die besonders verletzlich gegenüber dem Klimawandel sind.

Zum Kontext:

Die kleinen Inselstaaten und die "Least Developed Countries" sehen sich mit dem Management von Klimarisiken und dem Umgang mit Schäden durch den Klimawandel enormen Herausforderungen gegenüber;
die Auswirkungen des Klimawandels stellen eine zusätzliche Belastung für diese Länder dar, die heute schon stark durch Wetterextreme als Folge ihrer physischen und wirtschaftlichen Anfälligkeit betroffen sind;
steigende Temperaturen der Meeresoberfläche und der Anstieg des Meeresspiegels beeinflussen die Häufigkeit und die Intensität von Wetterextremen (Hurrikane, Zyklone, Taifune, Dürren, Überschwemmungen) und tragen zu wachsenden Schäden bei;
Viele kleine Inselstaaten liegen nur ein paar Meter über dem Meeresspiegel, und ein großer Teil ihrer Bevölkerung lebt in den besonders gefährdeten Küstengebieten. Diese Charakteristika begrenzen die Kapazität dieser Staaten, sich an die Auswirkungen des Klimawandels anzupassen;
Inselstaaten und LDCs sowie Länder in Afrika sehen sich enormen Schwierigkeiten gegenüber, Zugang zu effektiven und angemessenen Mechanismen der Risikoteilung und des Risikotransfers zu erhalten. Es besteht nur eine beschränkte Kapazität, die Risiken geographisch zu streuen, Versicherungsmärkte sind besonders anfällig gegenüber Veränderungen auf den internationalen Märkten; in vielen Regionen sind die Versicherungsmärkte unterentwickelt; diesen Ländern mangelt es an den finanziellen Mitteln für die Klimaanpassung und der Kapazität, finanzielle Risiken als Folge des Klimawandels zu bewältigen;
Von 2000 bis 2006 stieg die Anzahl der jährlichen, klimabezogenen Katastrophen auf 365 von einem jährlichen Durchschnitt von 195 in der Zeit von 1987 bis 1998 - ein Anstieg um 87%. In den 1990ern waren drei Viertel aller Katastrophen wetterbezogene Ereignisse. Mehr als 95% der Toten entfielen auf die Entwicklungsländer. Die wirtschaftlichen Schäden aus diesen Katastrophen waren in Entwicklungsländern relativ zum Bruttoinlandsprodukt 20mal größer als in Industrieländern;
Von 1980 bis 2003 haben Versicherungen nur 4% der gesamten Kosten klimabezogener Katastrophen in Entwicklungsländern abgedeckt, während es 40% in reichen Ländern waren;
Auch wenn diese Schäden und Verluste durch Risikoverminderung und Klimaanpassung deutlich reduziert werden können, verbleibt ein substanzielles Maß an Risiko gegenüber klimabezogenen Gefahren.

Die Versicherungskomponente des Mehrfenster-Mechanismus, den AOSIS vorgeschlagen hat, würde den kleinen Inselstaaten, LDCs und anderen Entwicklungsländern, die besonders anfällig gegenüber Klimarisiken sind, dabei helfen, die finanziellen Risiken aus zunehmenden und stärkeren klimabezogenen Extremereignissen, wie Hurrikanen, tropischen Stürmen, Überschwemmungen und Dürren abzumildern. Diese Ereignisse führen jetzt schon zu bedeutenden Schäden und Verlusten, und viele der Naturgefahren werden durch den Klimawandel noch verschärft werden. Häufig werden sie die Anpassungsfähigkeit der Länder überschreiten. Eine solche Versicherungskomponente ist in engem Zusammenhang mit einer Risiko-Management-Komponente des vorgeschlagenen Mechanismus zu sehen, um die gefährdeten Sektoren und Infrastruktur zu stärken. Versicherungsinstrumente, wie Gefährdungskarten, können die Risikoreduzierung unterstützen. In ähnlicher Weise können verbesserte Management-Ansätze wie Risikoanalysen oder Geographische Informationssysteme die Ausweitung privater Versicherungsmärkte und die Entwicklung innovativer Versicherungssysteme unterstützen. Die Versicherungskomponente kann die Risikoreduzierung unterstützen, indem sie Anreize für die Umsetzung von Risikoreduzierungsmaßnahmen setzt.

Eine gewisse internationale Unterstützung ist notwendig, damit Risikoteilungs- und Risikotransfermechanismen nicht nur die Kosten für verletzliche Länder reduzieren, sondern auch die Last von Klimarisiken von diesen Ländern nehmen, die anderenfalls auf ihnen liegen würde, obwohl sie kaum zu den Treibhausgasemissionen beigetragen haben, die den Anstieg des Klimarisikos verursacht haben."

Quelle: unfccc.int/resource/docs/2008/awglca4/eng/misc05a02p01.pdf (Übersetzung durch Germanwatch)


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Versicherungsunternehmen fordern Regierungen auf

Effektive Hilfe braucht förderliche Rahmenbedingungen

Ein internationaler Zusammenschluss aus Versicherungsunternehmen, die Global Insurance Industry Group, hat Anfang September eine gemeinsame Erklärung zur Anpassung an den Klimawandel in Entwicklungsländern herausgebracht. Darin skizziert die Allianz, der mehr als 100 Versicherungsunternehmen aus Afrika, Asien, Europa, Nord- und Südamerika und Ozeanien angehören, welche Beiträge sie zu einer effektiven Anpassung liefern können und welche politischen Rahmenbedingungen dafür notwendig sind.

Germanwatch dokumentiert Auszüge der Erklärung der Global Insurance Industry Group.

"Die Klimawissenschaft unterstreicht die Notwendigkeit, dringend die Emissionen von Treibhausgasen zu verringern. Die Versicherungsindustrie unterstützt Investitionen, um von neuen Technologien zu profitieren und damit den Weg zu klimafreundlichen Ökonomien zu ebnen. Aber es ist auch klar, dass umfangreiche Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels nötig sein werden, insbesondere in den verletzlichsten Ländern - Länder, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben, aber am stärksten unter seinen Folgen zu leiden haben werden. Versicherungslösungen haben das Potential, für die verletzlichsten Länder konkreten Nutzen zu bringen und den Sturm klimabezogener Katastrophen abzumildern. Die Regierungen müssen anerkennen, dass sie und alle anderen Akteure, inklusive der Versicherungsindustrie, ein gemeinsames Interesse daran haben, Wohlstand und nachhaltiges Wachstum in der sich entwickelnden Welt zu verbessern. [...]

Die Verhandler in den internationalen Klimaverhandlungen und die Regierungen betrachten Versicherungen als ein Mittel, um die Auswirkungen des Klimawandels in den Entwicklungsländern zu verringern. Jedoch müssen gerade diese Regierungen handeln, um förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, in denen Versicherungen effektiv wirken können. [...]

Daher fordern wir die Regierungen dazu auf,

Vorschläge zu unterstützen, die Anpassung durch Risikomanagement, Vermeidung von Verlusten und Risikotransfer, vor allem in den gegenüber den Folgen des Klimawandels verletzlichsten Ländern, umsetzen wollen [...]
sich für Aktivitäten der Risikoreduzierung zu engagieren, indem Maßnahmen zur Umsetzung des bereits beschlossenen Hyogo Framework for Action (2005 bis 2015) für Katastrophenrisikoreduzierung ergriffen werden. Dies sollte die Ernennung eines nationalen Risikobeauftragten mit dem Mandat, eine umfassende Risikomanagement-Kultur zu entwickeln, einschließen, mit dem Ziel, auf kommunaler, regionaler und nationaler Ebene Maßnahmen zur Verringerung von Schäden, das "climate-proofing" von existierenden Infrastruktur-Investitionen und die Einführung von angemessenen Raum- und Bauordnungsbestimmungen zu befördern - alle diese Maßnahmen zusammen können substantiell zum Risikomanagement beitragen.
angemessene Rahmenbedingungen für Risikomanagement, inklusive Versicherungen, durch gute Vorgaben zur Unternehmensführung und Systeme zu unterstützen, die für das Funktionieren von Finanzmarktdienstleistungen für alle Ebenen der Gesellschaft und über einen angemessenen Zeithorizont hinweg notwendig sind; [...]
Erfahrungen über die Rolle von Regierungen bei Ansätzen aufzugreifen, die regionale öffentlich-private Partnerschaften wie die "Caribbean Catastrophe Risk Insurance Facility" und Mikroversicherungssysteme aufzugreifen, die Wetterrisiken reduzieren sollen. Ohne hilfreiche ökonomische und regulative Rahmenbedingungen werden Versicherungsmechanismen zum Risikomanagement jedoch weit hinter ihrem Potential zurückbleiben, Nutzen für die Anpassung an den Klimawandel zu bringen. Durch Kooperation haben Regierungen aber die Mittel und Fähigkeiten, dieses Potential auszunutzen, den Schutz von Individuen und der Wirtschaft zu erhöhen, die Schäden durch Wetterextreme zu verringern und Wachstum durch die Einführung von Versicherungssystemen zu schaffen."

Quelle:
www.climate-insurance.org/upload/pdf/201009_Global_Insurance_Industry_Group_Statement_on_Adaptation_in_Developing_Countries.pdf
(Übersetzung durch Germanwatch)


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Impressum

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Diese Veröffentlichung wurde mit Unterstützung der Europäischen Union und des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung erstellt. Für den Inhalt dieser Veröffentlichung ist allein Germanwatch verantwortlich. Der Inhalt kann in keiner Weise als Standpunkt der Zuschussgeber angesehen werden.


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KlimaKompakt Nr. 67, 30. October 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. November 2010