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MELDUNG/098: Klimaschutzplan für Deutschland verkommt zu Wirtschaftsschutzplan (NABU)


Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. - Pressedienst, 28. Juli 2016

NABU: Klimaschutzplan für Deutschland verkommt zu Wirtschaftsschutzplan

Tschimpke: Streich-Wunschkonzert des Bundeskanzleramts macht effektiven Klimaschutz unmöglich


Berlin - Der NABU kritisiert den Umgang des Bundeskanzleramts mit den Klimaschutzplänen für Deutschland scharf. Den Umweltschützern liegt die Bewertung des sogenannten "Klimaschutzplans 2050" durch das Bundeskanzleramt vor - und dieses Papier zeigt, wie stark die Wirtschaft ihre Interessen zur Verhinderung eines effektiven Klimaschutzes in diesen Prozess hinein lobbyiert.

Den "Klimaschutzplan 2050" hatte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks vor wenigen Wochen vorgestellt. Darin schlug sie konkrete Maßnahmen für CO2-Einsparungen vor. "Doch nach dem Zerpflücken des Dokuments durch das Bundeswirtschaftsministerium und Bundeskanzleramt ist der Klimaschutzplan inzwischen zu einem Wirtschaftsschutzplan verkommen. Würden alle gewünschten Streichungen des Kanzleramts durchgesetzt, liefe Deutschland sehenden Auges auf das Verfehlen seiner Klimaziele zu", kritisierte NABU-Präsident Olaf Tschimpke.

Einige der wichtigsten Streichungen im Überblick:

Land- und Forstwirtschaft: Nach den Plänen von Bundesumweltministerin Hendricks sollten hier bis zum Jahr 2050 bis zu 50 Prozent der Emissionen eingespart werden. Dazu sollte es künftig unter anderem eine strikte Obergrenze für Stickstoffüberschüsse geben und der deutsche Fleischkonsum sollte auf den Prüfstand. Diese und weitere für den Klimaschutz essenzielle Maßnahmen, wie der Schutz von Moorböden und die Ausweitung des wertvollen Dauergrünlands, sollen nach den Plänen des Bundeskanzleramtes wieder gestrichen werden. Gleiches gilt für das feste und bereits beschlossene Ziel der Bundesregierung, ein Fünftel der landwirtschaftlichen Fläche künftig mit Ökolandbau zu bewirtschaften.

Verkehr: Auf Deutschlands Straßen soll nach Ansicht des Bundeskanzleramts künftig vieles beim Alten bleiben. So sollen hier weiterhin vor allem Verbrennungsmotoren auf Basis fossiler Energieträger unterwegs sein - dies gilt auch für Neufahrzeuge.

Gebäude: Neubauten müssten nach Vorstellung des Kanzleramts künftig keine strengeren energetischen Standards erfüllen. Auch liefe die Förderung von Heizungsanlagen auf Basis fossiler Energieträger ungehindert weiter.

Energieerzeugung: Der Ausstieg aus der Kohleförderung und -verstromung stünde auf der Kippe.

Industrie: Wenn sich das Kanzleramt durchsetzt, muss der Energiebedarf der Industrie künftig nicht durch CO2-freie Energieträger gedeckt werden. Auch müssten neue Produktionsanlagen nicht besonders effizient sein.

"Wenn wir uns diese Liste möglicher Streichungen anschauen, muss man sich schon fragen, ob das Bundeskanzleramt die Beschlüsse von Paris überhaupt verstanden hat. Es ist erschreckend, dass nicht einmal die Begriffe Dekarbonisierung und Treibhausgasneutralität im Klimaschutzplan genannt werden sollen - beide Ziele sind international Standard und klar in Paris vereinbart worden", so Tschimpke. Er forderte die Bundesregierung auf, mehr Mut zu zeigen und auch kontroverse Themen anzugehen.

Bereits jetzt hinkt die Bundesregierung ihren eigenen Ansprüchen an die Energie- und Klimapolitik hinterher. "Derzeit sieht es nicht so aus, als könnte Deutschland seine selbstgesteckten Klimaschutzziele für 2020 noch erreichen. Seit Jahren passiert insbesondere im Gebäude- und Verkehrsbereich zu wenig. Auch im Energiebereich wird der Klimaschutz durch die jüngste EEG-Novelle massiv ausgebremst. Nur die sofortige Stilllegung von Braunkohle-Kapazitäten könnte so kurzfristig noch helfen, die notwendigen CO2-Einsparungen zu erreichen", sagte NABU-Klimaexperte Sebastian Scholz.


Zum Hintergrund des Klimaschutzplans 2050:
www.NABU.de/imperia/md/content/nabude/klimaschutz/klimaschutzplan2050-nabu.pdf

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Quelle:
NABU Pressedienst, Nr. 087, 28.07.2016
Herausgeber:
Naturschutzbund Deutschland e.V. (NABU)
Pressestelle
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Tel.: 030/284 984-1510, -1520, Fax: 030/284 984-84
E-Mail: presse@NABU.de
Internet: www.NABU.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2016

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