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POLITIK/661: Aktuelle Stunde zu konkreten Maßnahmen für den Klimaschutz - Rede von Svenja Schulze (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung - 2. Juli 2019

Deutscher Bundestag
Rede der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Svenja Schulze,
in der Aktuellen Stunde zu konkreten Maßnahmen für den Klimaschutz, insbesondere CO2-Preis und Kohleausstieg, vor dem Deutschen Bundestag am 5. Juni 2019 in Berlin:


Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren Abgeordnete!

Eigentlich wissen es alle: Klimaschutz ist die Menschheitsaufgabe unserer Zeit. Und auch wenn wir hier manchmal etwas anderes hören: Wir haben beim Klimaschutz eigentlich kein Erkenntnisproblem mehr. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit belegen den menschengemachten Klimawandel, und um eine Katastrophe abzuwenden, müssen wir die Erderwärmung nach Möglichkeit auf unter 1,5 Grad begrenzen.

Wir haben beim Klimaschutz übrigens auch kein Vertragsproblem. Mit dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem europäischen Regelwerk gibt es einen verbindlichen, einen internationalen Rechtsrahmen. Jedes Land kennt sein Restbudget an CO2 und hat eben auch zu liefern.

Und wir haben beim Klimaschutz den Rückhalt der Gesellschaft; wir haben sogar den Rückhalt großer Teile der Wirtschaft. Deswegen passiert auch schon etwas. Wir haben in dieser Bundesregierung schon etwas erreicht: Wir haben den Kohleausstieg auf den Weg gebracht. Das ist wirklich ein Meilenstein für den Klimaschutz. Mit der Kohlekommission ist etwas gelungen, was für viele lange unlösbar erschien, nämlich einen klima- und sozialverträglichen Konsens zu finden. Spätestens 2038, wahrscheinlich aber sogar früher, beenden wir die Kohleverstromung in Deutschland.

Meine Damen und Herren Abgeordnete von den Grünen, vielleicht können Sie sich das noch einmal genauer ansehen: Bis 2022 werden 30 Prozent des Kohlestroms vom Netz genommen. Das ist deutlich mehr, als Sie bei Jamaika jemals verhandelt haben. Deswegen können Sie vielleicht ein bisschen mit stolz darauf sein, was wir da geschafft haben.

Aber wir wissen: Nur sozial gerechte Klimapolitik behält Mehrheiten in der Gesellschaft. Deswegen hat das Kabinett Eckpunkte für ein "Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen" beschlossen. Wir ermöglichen es den betroffenen Regionen, einen Strukturwandel auf den Weg zu bringen, indem wir sie eben massiv finanziell unterstützen. Dahinter kann auch niemand mehr zurück. Und wir sorgen für ein vernünftiges Tempo beim Klimaschutz und beschreiten einen verlässlichen, einen sozial- und energiepolitisch verantwortbaren Pfad gleichermaßen.

Nach dem Konsens in der Energiewirtschaft heißt es nun: Jetzt sind alle anderen dran und müssen wirklich liefern. Auch hier haben wir einen Zeitplan, und wir haben die richtigen Instrumente. Es liegt das von mir erarbeitete Klimaschutzgesetz auf dem Tisch. Es wird dauerhaft und verbindlich regeln, wie viel der Verkehr, die Industrie, die Landwirtschaft und die Gebäude nun an CO2 einsparen müssen.

Der Wettbewerb um die besten Ideen ist nun eröffnet; er hat nach der Europawahl noch mal deutlich an Fahrt gewonnen. Inzwischen werden jeden Tag neue konkrete Vorschläge auf den Tisch gelegt; so soll es auch sein. Im Klimakabinett sortieren wir das. Wir lassen unabhängig prüfen, was wirklich zum Ziel führt. Wir haben uns einen verbindlichen Zeitplan gesetzt: Alle Grundentscheidungen fallen im September, danach geht es ans Gesetzeswerk. Also: 2019 wird das Jahr des Handelns im Klimaschutz werden.

Als Umweltministerin und als Sozialdemokratin sage ich ganz klar und unmissverständlich: Klimaschutz ist die zentrale Gestaltungsaufgabe dieser Regierung in 2019! Es ist unsere Aufgabe, die Hebel zur Zukunft umzulegen und Sicherheit, Verlässlichkeit zu schaffen. Mit dem Klimaschutzgesetz, das ich vorgelegt habe, haben wir das richtige Instrument.

Aber wie jede politische Debatte hat auch die Klimaschutzdebatte ihre Tücken. Es gibt Überzeichnungen, es gibt Verharmlosungen, es gibt auch die ein oder andere Nebelkerze; auch darauf möchte ich eingehen. Ich finde die groteskeste Variante, die wir in der aktuellen Debatte hören, ist der Versuch, eine Renaissance der Atomkraft herbeizureden. Was wir für den Klimaschutz ganz sicher nicht brauchen, ist eine Rückkehr zur Atomkraft. Sie birgt das Risiko eines Reaktorunfalls. Sie beschert uns weiteren Atommüll. Sie ist enorm teuer, und sie verstopft künftig unsere dezentralen Stromnetze. Ich fordere hier noch mal sehr deutlich: Schluss mit dieser Geisterdebatte!

Ich warne aber auch vor Überzeichnungen bei der Bepreisung von CO2. Meine Haltung hierzu ist klar und eindeutig: Wir brauchen eine CO2-Bepreisung, weil sie das teuer macht, was wir vermeiden wollen. Sie kann eine Lenkungswirkung entfalten. Sie ist damit ein wichtiges Element in einer Gesamtstrategie zum Klimaschutz. Aber sie löst nicht alle Probleme. Ein CO2-Preis, der alle anderen Instrumente überflüssig macht, würde bedeuten, dass man sehr hoch einsteigen müsste, und das kann dann nicht mehr sozial gerecht sein.

Ein CO2-Preis muss aber fair sein. Der Staat muss die Einnahmen an die Bürgerinnen und Bürger zurückgeben; denn vor allem Pendler, vor allen Dingen Mieterinnen und Mieter können dem höheren Preis durch ihr eigenes Verhalten oft gar nicht ausweichen. Deshalb dürfen sie nicht die Verlierer und Verliererinnen des Klimaschutzes werden. Wir geben ihnen aber Anreize, um auf klimafreundlichere Verkehrsmittel umzusteigen. Es muss sich lohnen, kleinere Autos zu fahren, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen und CO2 zu reduzieren. Das Klimakabinett wird sich mit diesem Instrument im Juli auseinandersetzen. Es wird in die Grundentscheidung im September einfließen.

Ich finde, das ist ein sehr ernstes Thema, und das sollten wir auch als ernstes Thema diskutieren; denn überall auf der Welt verändern sich alte Gewissheiten. Viele Menschen spüren, dass sich etwas Grundlegendes verändert: unsere Art, zu produzieren, unsere Art, Industrieland zu sein, unsere Art, zu wohnen, zu arbeiten, uns fortzubewegen, zu konsumieren. Damit wird vielen inzwischen auch bewusst: Die notwendigen Veränderungen betreffen unmittelbar mich, sie betreffen mein eigenes Leben.

In das Denken an die Zukunft mischen sich Ungeduld, Veränderungsbereitschaft und Sorgen gleichermaßen. Deswegen müssen wir alle gemeinsam darauf achten, dass es eine gerechte Transformation wird, dass wir es so organisieren, wie wir es beim Kohleausstieg vormachen: dass es fair, dass es gerecht ist. Das ist jedenfalls mir als Sozialdemokratin wichtig. Daran arbeite ich, und daran muss sich auch die Regierung in 2019 messen lassen.

Herzlichen Dank.


BPA Bulletin Rede der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, Svenja Schulze, in der Aktuellen Stunde zu konkreten Maßnahmen für den Klimaschutz, insbesondere CO2-Preis und Kohleausstieg, vor dem Deutschen Bundestag am 5. Juni 2019 in Berlin
Nr. 73-2 - PDF, 112 KB, barrierefrei
https://www.bundesregierung.de/resource/blob/975954/1642910/32fe575d93b5fecc0df4ecc5e00f903f/73-2-bmu-co2-steuer-data.pdf?download=1

Link zur Meldung im Webangebot:
https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/rede-der-bundesministerin-fuer-umwelt-naturschutz-und-nukleare-sicherheit-svenja-schulze--1642918

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Quelle:
Pressemitteilung/BPA-Bulletin, 02.07.2019
Herausgeber:
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Internet: www.bundesregierung.de
E-Mail: InternetPost@bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2019

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