Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → KLIMA

UNO/080: Vor der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen - Streit um CO2-Grenzwerte und Geld (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 152 - Oktober/November 09
Die Berliner Umweltzeitung

Klima-Abkommen in Gefahr
Vor der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen - Streit um CO2-Grenzwerte und Geld

Von Jochen Mühlbauer


Im Dezember soll bei der Weltklimakonferenz in Kopenhagen unter dem Dach der UNO ein neuer globaler Klimavertrag beschlossen werden. Er soll das 2012 auslaufende Kyoto-Protokoll ablösen. Doch der Weg dorthin ist noch weit und steinig, wie die zähen Verhandlungen der Beamten und Regierungsexperten aus mehr als 170 Ländern Anfang Oktober in Bangkok zeigten.

"Denkt an Manila!", warnte Heherson Alvarez, klimapolitischer Chefunterhändler der Philippinen. "Der Tropensturm Ketsana ist eine klare Konsequenz der weltweiten Inaktivität bei der Bekämpfung der unmittelbaren Auswirkungen des schleichenden Klimawandels". Durch Ketsana wurden auf den Philippinen mindestens 180.000 Tonnen der bevorstehenden Reisernte zerstört.

Maßnahmen gegen den Klimawandel sind teuer: In einem neuen Report geht die Weltbank davon aus, dass die Industrieländer den Entwicklungsländern von 2010 bis 2050 pro Jahr 75 bis 100 Milliarden US-Dollar zur Verfügung stellen müssten. Die teuersten Maßnahmen fielen in Ostasien und der Pazifik-Region an, gefolgt von Lateinamerika, der Karibik und Afrika.

Die Verhandlungen in Bangkok waren in der Geldfrage, aber auch in der Frage der Zielgrößen der Emissionsreduzierung festgefahren. Sudans Botschafter Lumumba DâEURTMAping machte als Sprecher der "G77- Staaten plus China" deutlich, dass es mit den Entwicklungsländern keinen Deal in Kopenhagen ohne verbindliche Zusagen eines Finanzpakets geben wird. Außer der EU hat bisher niemand in Bangkok finanzielle Zusagen gemacht.

Die Entwicklungsländer fordern von den Industriestaaten die Reduzierung der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2020 gegenüber dem Jahr 1990. Bisher wird lediglich über eine Größe von 25 Prozent verhandelt. Die 40 Prozent würden den Entwicklungsländern die Chance zur Entwicklung ihrer Wirtschaft und zur Armutsbekämpfung bieten, so D'Aping.

Aktuell bieten die Industriestaaten sehr unterschiedliche Emissionsreduzierungen an. Die EU will ihren Ausstoß bis 2020 um 30 Prozent senken, Japans neue Regierung um 25 Prozent, die USA planen eine Zielgröße zwischen null und 17 Prozent. Auch China als größtes Schwellenland will einen bedeutenden Beitrag leisten. US-Präsident Obama sind derzeit die Hände gebunden. Denn der Senat in Washington berät über ein umfangreiches Klima- und Energiegesetz. Bis zu dieser Entscheidung steckt das Klima-Gesetz in den USA auf parlamentarischem Weg fest.

Um den Temperaturanstieg unter der magischen Schwelle von zwei Grad Celsius zu halten und in einem zweiten Schritt auf 1,5 Grad zu senken, müssen die CO2-Emissionen bis 2050 um 80 Prozent gegenüber 1990 reduziert werden. Schätzungen beziffern die Kosten für Anpassungs- und Umstellungsmaßnahmen auf 1,5 bis 5 Prozent des globalen Bruttosozialproduktes. Die Hilfen für die Entwicklungsländer könnten aus den nationalen Haushalten der Industriestaaten kommen. Andere Vorschläge zielen auf die Erhebung einer globalen Abgabe auf Flugreisen oder die Erlöse des bisher nicht existierenden globalen Handels mit CO2-Emissionsrechten ab.


Umweltverbände fordern deutsche Führungsrolle

Angesichts dieser Probleme im internationalen Verhandlungsprozess fordern Umweltverbände von der nächsten Bundesregierung mehr Einsatz für eine erfolgreiche UN-Klimakonferenz in Kopenhagen.

Vor dem Treffen im Dezember müsse Deutschland wieder eine Führungsrolle beim Klimaschutz übernehmen, sagte der Geschäftsführer der Umweltschutzorganisation WWF Deutschland, Eberhard Brandes.

Der Präsident des Naturschutzbundes (NABU), Olaf Tschimke, warf der Bundesregierung vor, die Führungsrolle beim Klimaschutz innerhalb der Europäischen Union aufgegeben zu haben: "Wenn der deutsche Motor fehlt, kann es durchaus kompliziert werden in Kopenhagen". Wegen der Neubesetzung der EU-Kommission werde die europäische Verhandlungsposition in Kopenhagen zusätzlich geschwächt.

Die Geschäftsführerin von Greenpeace Deutschland, Brigitte Behrens, kritisierte, nach dem erfolgreichen internationalen Einsatz für Klimaschutz im Jahr 2007 sei die Bundesregierung im eigenen Land hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Deutschland solle "nicht nur durch Worte und Reden auf internationalen Konferenzen, sondern durch Aktionen im eigenen Land den anderen zeigen, dass wir es ernst meinen mit dem Klimaschutt. Solange hier neue Kohlekraftwerke gebaut würden, könne das bezweifelt werden, sgte Behrens.


Demonstrationen in Kopenhagen

Die bevorstehende Weltklimakonferenz in Kopenhagen beschäftigt nicht nur Umweltschützer, sondern auch die linke, antikapitalistische Bewegung. Bereits seit gut einem halben Jahr diskutiert das "Klima!Bewegungsnetzwerk" wie man "von links" in den Kopenhagenprozess eingreifen kann. Das Bündnis entstand bei der Vorbereitung des Klimacamps 08 in Hamburg und reicht mittlerweile von Vertretern der Interventionistischen Linken, über FelS aus Berlin und attac bis hin zur Antifa. Mit dabei sind aber auch regionale Protestgruppen gegen Kohlekraftwerke sowie Anti-AKW-Aktivisten. Doch die Breite des Spektrums garantiert noch keinen Erfolg.

Das zeigt sich auch in den Diskussionen: Gut zwei Monate vor dem Großereignis sind grundsätzliche Fragen einer gemeinsamen Mobilisierung noch nicht geklärt. Auf internationalen Vernetzungstreffen wurde immerhin schon ein grober Fahrplan für Aktionen in Kopenhagen vom 11. bis zum 19. Dezember festgelegt. So soll es neben der Großdemo am 12. Dezember zwei weitere Aktionstage geben. Unklar ist noch, was am zweiten Wochenende (18/19. Dezember) geschehen soll, wenn die Klimaverhandlungen ihrem Ende entgegen gehen. Doch eines ist für viele, gerade linksradikalere Kräfte klar: Mit der Großdemo am ersten Samstag wollen sie es nieht bewenden lassen. Doch über das "Wie?" der Protestaktionen wird derzeit noch diskutiert. Die zurückhaltende Begeisterung für Proteste in Kopenhagen liegt nach Ansicht der Organisatorin Eichberger von der Berliner Gruppe "Für eine linke Strömung (FelS)" an dem für die antikapitalistisehe Bewegung noch jungen Thema.

Das Klimaproblem müssten sieh viele linke Gruppen erst noch erschließen. Ökothemen seien in der linken Szene oft noch verpönt. So gebe es immer noch eine antikapitalistisehe Linke, die weitgehend parallel zur Umweltbewegung existiert. Die Chance von Kopenhagen sei es, beide Spektren zusammenzubringen, so Eichberger. Es handele sieh hierbei eben nicht um ein klassisches Ökothema. Der Klimawandel treffe vor allem die ärmsten Menschen auf der Welt. Deshalb gehe es in erster Linie um Klimagerechtigkeit.

"Wer von der Kopenhagener Konferenz die Herstellung von Klimagerechtigkeit erwartet, wird enttäuscht werden", so Eichberger. FelS wolle mit den Protesten in Kopenhagen vor allem ein Bewusstsein für das Klimathema schaffen: "Wir wollen uns die Deutungshoheit zurückholen und damit Schluss machen, dass alle immer nur zur UN aufschauen. Uns geht es damm, die Grasroots-Klimabewegung zu stärken".

Insgesamt ist also in den nächsten zwei Monaten bis zur UN-Klimakonferenz viel öffentlicber Druck von unten notwendig, um die Verhandlungen für ein neues internationales Klima-Abkommen vielleicht doch noch zum Erfolg zu führen.

www.wir-klimaretter.de
klima.blogsport.de

Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Protest der GRÜNEN LIGA gegen Klimakiller in Jänschwalde


*


Quelle:
DER RABE RALF - 20. Jahrgang, Nr. 152, Oktober/November 09, S. 5
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.grueneliga-berlin.de/raberalf

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2009