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ANBAU/135: Millenium Kooperative in Sierra Leone - Kakao ohne Pestizide (Securvital)


Securvital 3/2009 - Januar/Februar Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen

UMWELT & GESUNDHEIT
Kakao ohne Pestizide

Von Michaela Ludwig


Sierra Leone in Westafrika ist vom Bürgerkieg verwüstet. Eine kleine Kooperative startete erfolgreich mit der Produktion von Bio-Kakao - frei von Pestiziden, auch für Schokoladenliebhaber in Deutschland.

Für die Kakaobauern von Kangama in Sierra Leone bricht eine neue Zeitrechnung an. Nach fast zwei Jahrzehnten werden sie erstmals wieder Geld mit dem Anbau von Kakaobohnen verdienen können. Das liegt weniger an den gestiegenen Weltmarktpreisen, sondern vor allem daran, dass sie ihre Ernte jetzt an eine neue Kooperative verkaufen können, die Bio-Kakao zu fairen Preisen aufkauft.

"Wir begreifen jetzt erst, was unser Kakao eigentlich wert ist", erzählt der 53-jährige Familienvater Umaru Foday aus dem Dorf Kangama im Osten von Sierra Leone. Er bricht die Schale einer gelben, handgroßen Kakaofrucht auseinander und puhlt die Kakaobohnen aus dem weißen Fruchtfleisch. "Kakaogeld ist süß, aber die Arbeit ist hart", meint der hochgewachsene Mann. Die Bohnen landen in einem mit Bananenblättern ausgekleideten Korb.

Früher mussten die Kakaobauern ihre Ernte an Zwischenhändler verkaufen, die niedrige Preise zahlten. Sie kamen mit Vorliebe dann, wenn die Lebensmittelvorräte in den Dörfern knapp waren. "Wir brauchten dringend Reis, hatten aber kein Geld, um welchen zu kaufen", erinnert sich Umaru Foday. "Sie gaben uns einen Sack Reis, dafür mussten wir später zwei Säcke Kakaobohnen zurückzahlen. Es war ein Kreislauf der Abhängigkeit.

Dann kam der Bürgerkrieg, der hier im Osten des Landes am heftigsten wütete. Die Bewohner von Kangama flüchteten in die Wälder, weit weg von jeder Siedlung, und hielten sich jahrelang versteckt. Die Kakaofrüchte verfaulten derweil an den Bäumen und die Anpflanzungen verwilderten. Als sie nach dem Krieg zurückkehrten, musste Umaru Foday seine Pflanzung Meter für Meter mit der Machete säubern. Bei vielen Bauern war die Qualität der Ernte anfangs schlecht.

Jetzt beginnen sich die Verhältnisse wieder zu verbessern. Die Bauern können nun ihre Kakaobohnen an eine "Millenium Kooperative" verkaufen, die auf Bio-Qualität achtet und dafür höhere Preise zahlt. Die alten Zwischenhändler haben ausgedient. Wie fast jeder hier im Dorf lebt die Familie Foday von der Landwirtschaft. Auf einer drei Hektar großen Fläche am Bergrücken bauen sie Ess- und Kochbananen, Ölpalmen und Kaffee an, und in den kleinen Tälern an den Bachläufen stehen ihre Kakaobäume. Den größten Teil der Lebensmittelernte braucht Umaru Foday, um die neunköpfige Familie zu versorgen.

"Wir begreifen jetzt erst, was unser Kakao eigentlich wert ist."
Umaru Foday, Kakaobauer aus dem Dorf Kangama

Kopfschmerzen bereitet ihm und seiner Ehefrau Mariama jedes Mal zum Schuljahresbeginn die Frage, wie sie das Schulgeld für die Kinder aufbringen sollen. "Auch wenn es in der Vergangenheit noch so schwer war", sagt Umaru Foday, der selbst die Schule abbrechen musste, als sein Vater starb, "für uns war es immer das Wichtigste, dass unsere Kinder eine gute Schulbildung erhalten."


PER SCHIFF NACH EUROPA

Ihre ganze Hoffnung setzen sie in den Anbau von Kakao, der in Übersee zu Schokolade verarbeitet wird. Umaru Foday hat in diesem Jahr etwas Neues gewagt: Er war einer der ersten Bauern im Dorf, die an die Millenium Kooperative verkauft haben. "Ich hoffe, dass ich dieses Jahr 230 Kilogramm Kakao ernten kann", sagt er strahlend. "Das sind bei den gegenwärtigen Preisen mindestens 800.000 Leones", umgerechnet etwa 210 Euro. Die meisten Bauern in Kangama sind seinem Beispiel gefolgt.

Die Millenium Kooperative der Kakaopflanzer wurde in der Bezirkshauptstadt Koidu gegründet. Mitarbeiter der Welthungerhilfe unterstützen sie beim Aufbau der Produktions- und Vertriebsstrukturen. Bis heute haben sich 2.000 Familien der Genossenschaft angeschlossen, und ihre Zahl steigt. Die Bauern verkaufen ihren Kakao an zentrale Sammelstellen der Kooperative. Von dort aus werden die Kakaosäcke in die Hauptstadt Freetown transportiert - und nach Europa verschifft.

Die Kooperative nimmt nur den qualitativ besten Kakao ab und zahlt den Bauern bessere Preise als die Zwischenhändler. Dazu gibt es einen kleinen Qualitätszuschlag als Anreiz. Um den hohen Ansprüchen zu genügen, werden die Bauern regelmäßig geschult.

Der Trockentisch vor dem Haus der Familie ist solch ein Zeichen für die neue Zeit. Fünf dieser Holzkonstruktionen haben die Mitarbeiter der Kooperative nach Kangama gebracht. Umaru Foday und seine ältesten Töchter Aissatou und Famata verteilen die braunen, mandelgroßen Bohnen auf der Bambusmatte, die ausgerollt auf dem Tisch liegt. "Früher sollten wir die Bohnen möglichst schnell abgeben, ohne sie richtig zu fermentieren und zu trocknen", sagt Umaru Foday. Die Bohnen wurden damals noch auf dem Boden getrocknet. "Jetzt geht es schneller, weil auch der Wind beim Trocknen hilft. Außerdem liegen sie nicht mehr im Staub." Maßnahmen wie diese helfen, die Qualität und damit die Preise zu verbessern.


HÖHERE QUALITÄT

Die Pläne der Bauern gehen weiter in die Zukunft. Mitarbeiter der Kooperative inspizieren die Pflanzungen und geben Ratschläge zur weiteren Verbesserung der Qualität. Zwischen den etwa drei Meter hohen Kakaobäumen ist der Boden mit welken Blättern bedeckt. Die Pflanzung ist im gepflegten Zustand. Hier stehen einige Bäume, die ausreichend Schatten spenden, sodass die Feuchtigkeit stehen bleibt. Braune Kakaoschalen werden gesammelt und außerhalb der Pflanzung kompostiert.

Ein Inspektionsteam der Kooperative registriert Bauern, die sich anschließen und in Zukunft Bio-Kakao anbauen wollen. Mit über 160 Produzenten haben die Inspektoren detaillierte Fragebögen ausgefüllt. Jetzt werden sie nach den Regeln und Standards für biologischen Anbau geschult und können dann am Programm der Kooperative teilnehmen.

Das Verfahren ist kompliziert. Die Kunden in Europa sollen jedes Produkt bis zurück an den Baum zurückverfolgen können. Dafür zahlen sie für die Bio-Ware auch einen höheren Preis, der garantiert bei den Bauern ankommt.

Normalerweise beträgt die Zeitspanne bis zur Umstellung auf Bio-Anbau drei Jahre. Doch für die Gegenden in Entwicklungsländern, in denen nachweislich in den letzten Jahren keine Pestizide oder Dünger verwendet wurden, beträgt die Spanne nur ein Jahr. Das bedeutet, dass schon im nächsten Jahr die erste Schiffsladung Bio-Kakao den Hafen der Hauptstadt Freetown Richtung Europa verlassen kann. Ein weiterer Schritt in eine bessere Zukunft für die Kakaobauern von Kangama.


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BIO-KAKAO

Der Anteil von Kakao mit Bio-Qualität ist noch gering (weniger als 0,5 Prozent). Angebaut wird Bio-Kakao u.a. in der Dominikanische Republik, Costa Rica und Afrika. Er wird zu Getränkepulver, Schokolade und Nuss-Nougat-Creme verarbeitet und vor allem in Naturkostläden verkauft, zunehmend aber auch in Supermärkten. Auch bekannte Marken haben mittlerweile Bio-Schokolade im Sortiment. Pulver für Kakaogetränke enthält meist sehr viel Zucker, bei Bio-Ware ist zum Teil der Zuckeranteil geringer.


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Quelle:
Securvital 3/2009 - Mai/Juni, Seite 32-34
Das Magazin für Alternativen im Versicherungs- und Gesundheitswesen
Herausgeber: SECURVITA Gesellschaft zur Entwicklung alternativer
Versicherungskonzepte mbH
Redaktion: Norbert Schnorbach (V.i.S.d.P.)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2010