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BUCH/124: Biokost & Ökokult - Welches Essen ist wirklich gut für unsere Umwelt? (ROBIN WOOD-Magazin)


ROBIN WOOD-Magazin Nr. 100/1.09
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie

bücher

Biokost und Ökokult


Ökologisch erzeugte Produkte boomen: Bereits seit Jahren verzeichnet der Bio-Markt ein zweistelliges Wachstum (1). Grund genug die Biokost mal genauer zu betrachten. Stimmen die verbreiteten Vor- und Nachteile mit der Realität überein? Ist Bio gesünder als konventionell hergestellte Nahrung? Welche Anbaumethode ist für unsere Umwelt die Beste? Diese und weitere Fragen versucht das Autorenduo Dirk Maxeiner und Michael Miersch in ihrem 2008 erschienenen Buch "Biokost & Ökokult - Welches Essen ist wirklich gut für unsere Umwelt" (2) zu beantworten.

Als ich begann, das Buch zu lesen, tat ich dies mit einer großen Portion Skepsis. Ich kannte Maxeiners und Mierschs kritische Haltung zu Umweltthemen aus verschiedenen Medien. Nicht selten staunte ich über ihre Darstellung der Dinge, um mich nach eingehender Recherche vom Gegenteil zu überzeugen. Doch bei diesem Buch kam es anders. Nachdem ich die Lektüre beiseite gelegt hatte, kamen Zweifel in mir auf. Sollte ich tatsächlich einem Wunschtraum gefolgt sein? Sollte bio doch nicht so gut sein wie ich dachte?


Bio nicht ökologisch

Bio schade dem Naturschutz und sei nicht ökologisch, ist eine Schlussfolgerung, welche die LeserIn aus Maxeiners und Mierschs Buch ziehen könnte. Was sagen die ExpertInnen dazu?

Der Direktor des schweizerischen Forschungsinstituts für biololigischen Landbau (FiBL), Dr. Urs Niggli, kann dem nur widersprechen. Er spricht von "positiven Auswirkungen des Biolandbaus auf die Bodenfruchtbarkeit, auf die Vielfalt von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen im und auf dem Boden, auf die Vielfalt der Betriebsstrukturen und der Landschaftselemente, auf die Qualität des Grund- und Oberflächenwassers sowie auf mögliche Klimaveränderungen" und belegt dies mit zahlreichen wissenschaftlichen Ergebnissen (3).

Demnach stoßen Biobetriebe pro Ertragseinheit weniger Klimagase aus und betreiben beispielsweise durch die Reduzierung von Pestiziden und Nitraten aktiven Umweltschutz. Die biologische Landwirtschaft sei bisher die beste Strategie, wenn es um die Verbindung von Produktivität, Ökologie und Vermeidung von Umweltbelastungen gehe.

Weiterhin sehen die Autoren einen erhöhten Methangas-Ausstoß bei der biologischen Tierhaltung. Das Ökoinstitut e.V zeigt jedoch in einer Studie (3), dass die Treibhausgasbilanz von ökologisch erzeugtem Fleisch im Vergleich mit den anderen Anbaumethoden etwas günstiger ausfällt.

Zugegeben, diese Aspekte waren mir auch vor der Recherche bekannt. Dennoch verunsicherten mich die Ausführungen des Autorengespanns. Ich musste der Sache auf den Grund gehen und fuhr mit meinen Nachforschungen fort.


Nicht gesünder und nicht so sicher

"Biokost bietet keinerlei gesundheitlichen Vorteil", behaupten Maxeiner und Miersch. Die Stiftung Warentest (5, 6) spricht dagegen davon, dass Biolebensmittel deutlich pestizidfreier als konventionelle Lebensmittel seien. Daraus ergebe sich ein klarer gesundheitlicher Vorteil. Die AutorInnen einer Studie des Öko-Instituts e.V. bescheinigen der biologischen Ernährungsweise bedeutend geringere Risiken (7).

Das FiBL hat zu diesem Thema die gesamte weltweite Fachliteratur verglichen (3), die zu folgenden übereinstimmenden Ergebnissen kommt:

"Pflanzliche Bioprodukte

enthalten deutlich weniger wertmindernde Inhaltsstoffe (Pestizide, Nitrate). Dies beeinflusst die ernährungsphysiologische Qualität positiv.
sind bezüglich pathogener Stoffe wie Mykotoxine und Kolibakterien genauso sicher wie konventionelle Produkte (8).
weisen tendenziell höhere Gehalte an Vitamin C auf.
zeigen eine Tendenz zu überdurchschnittlichen Geschmackswerten.
weisen höhere Gehalte an gesundheitsfördernden sekundären Pflanzeninhaltsstoffen auf".

Laut Niggli (3) beschäftigte sich eine umfangreiche Studie der EU mit der Qualität von tierischen Lebensmitteln. Danach weist Biomilch 15 bis 80 Prozent mehr an wertvollen Vitaminen A und E sowie 40 bis 90 Prozent höhere Gehalte an mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Omega 3 und CLA) auf.

"Biologische Schädlingsbekämpfung ist ökologisch problematischer als moderne Pestizide", behaupten Maxeiner und Miersch weiter in ihrem Buch. Beispielhaft führen sie die Problematik der moldawischen Schlupfwespe (Trichogramma brassicae) an, die heimische Schlupfwespen verdränge und Schmetterlinge befalle. Eine Studie des EU-Projekts Evaluating Environmental Risks of Biological Control Introductions into Europe (ERBIC) gibt jedoch Entwarnung (9).


Veraltete und esoterische Anbaumethode

Entgegen Maxeiners und Mierschs Behauptung stellt der Ökolandbau nach Niggli keine veraltete Anbaumethode dar. Es handle sich vielmehr um "eine produktive, auf dem neuesten Stand der agronomischen, agrarökologischen und technischen Forschung basierenden Landwirtschaftsmethode". Das Autorenduo sieht den Biolandbau von anthroposophischen Lebensphilosophien und Denkweisen beherrscht. In der Tat ist der Anthroposoph Rudolf Steiner einer der Pioniere des ökologischen Landbaus im deutschsprachigen Raum. Bis heute werden seine Anregungen, darunter auch esoterische Praktiken, zumindest in einigen bio-dynamisch (Demeter) wirtschaftenden Betrieben angewandt. In Deutschland gibt es ungefähr 18.000 (10, 11) Ökobetriebe. Davon produzieren circa 1300 nach Demeter-Kriterien. Demzufolge könnten anthroposophische Lebensphilosophien und Denkweisen maximal bei sieben Prozent aller Biobetriebe eine Rolle spielen.


Gentechnik-Lobbyisten?

Schenkt man den Aussagen von Nobelpreisträger Professor Norman Borlaug Glauben, so würde eine globale Umstellung auf Biolandbau ca. 75 Prozent mehr landwirtschaftliche Fläche benötigen. Dies bedeute eine Bedrohung für Tropenwälder und Naturschutzgebiete. Wenn ein Agrarwissenschaftler, der zudem Nobelpreisträger ist, derartiges behauptet, dann muss es der Wahrheit sehr nahe kommen, dachte ich. Doch wer ist dieser Mann?

Nach einigem Recherche-Aufwand wurde ich schließlich fündig. Ungefähr ein Vierteljahr vor Erscheinen von "Biokost und Ökokult", publizierte ein gewisser Alex A. Avery "Die Wahrheit über Bio-Lebensmittel". Avery (12) ist Forschungs und Ausbildungsleiter des Center for Global Food Issues des Hudson Instituts (CGFI) in den USA. Die Treuhänder (Monche (31) santo, Syngenta (16), Pfizer u.a.) und Vorsitzenden (z.B. Dow jede Form von AgroSciences (17), DuPont (18), Merck & Co. (19)), die im Jahresbericht 2003 gelistet sind, lassen große Zweifel an einer unabhängigen Arbeit ohne wirtschaftliche Interessen aufkommen (13). Monsanto beispielsweise ist Weltmarktführer bei der Herstellung von gentechnisch verändertem Saatgut und von (34). Pestiziden (14, 15).

Lobbywatch (20) sieht in Avery einen Gentechnik-Lobbyisten. Das CGFI, welches von Monsanto gesponsert wurde, stellte eine Unterschriftenliste (21) für Hochertragslandwirtschaft ins Internet. Unter den Unterzeichnern ist auch Professor Borlaug. Der TvR Medienverlag (22), bei dem Averys Buch erschien, zitiert Professor Borlaug wie folgt: "Das Buch liefert den Konsumenten durchdachte und präzise Erklärungen, weshalb Bio-Food keine wirklichen gesundheitlichen und Sicherheitsvorteile bringt."

"Auf der Basis des aktuellen Stands der Technik des Biolandbaus stimmt die Aussage von Norman Borlaug nicht [...].", schreibt Niggli (FiBL). "Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Ernährungssituation in ländlichen Gebieten des Südens, wo 850 Millionen hungernde Menschen leben, verbessern würde. In Ländern mit intensiver Landwirtschaft würde die Produktivität etwas zurückgehen, aber bei weitem nicht so dramatisch, wie dies gewisse Fachleute vorhersagen." Der Biolandbau habe noch ein enormes Innovationspotential, das im Bereich der Pflanzen- und Tierzucht, des biologischen Pflanzenschutzes, der Gesundheitsprävention der Nutztiere oder der noch effizienteren Nutzung der Nährstoffe aus Gründüngung und tierischen Düngern liege.

Borlaug ist nicht der einzige der von Maxeiner und Miersch zitierten Experten. Obendrein kommt Avery zu Wort, der meinen mittlerweile gewachsenen Fahndungsdrang nur mehr beflügelte. Von da an konzentrierte ich meine Recherchen auf die Experten und die Autoren selbst.

Neben Prof. Borlaug stehen auch Maxeiner und Miersch auf der Unterschriftenliste des CGFI. Auf einer Internetseite der Autoren kündigt Miersch Alex Averys Buch an (23). Laut ihrem Lebenslauf arbeiteten beide für das Umweltmagazin "Change" der Firma Hoechst (24), das dem Greenwashing des Chemiekonzerns dienen sollte (25). Nachdem dieser mit anderen Firmen fusionierte, entstand der Pharmakonzern Sanofi Aventis.

Auch einige andere Quellen werfen kein gutes Licht auf die Seriosität von Maxeiner und Miersch (27). Der Pharma- und Toxikologe (28) Professor Helmut Greim erteilte falsche Gutachten und steht im Verdacht ausschließlich industriefreundlich zu handeln (29). Vom 1. Januar 2005 bis 31. Dezember 2008 war er Vorsitzender des bei der Gesellschaft Deutscher Chemiker (GDCh) angesiedelten Beratergremiums für Altstoffe (BUA). In diesem Gremium sitzen unter anderem auch Vertreter von Bayer und BASF (30).

Ähnlich verhält es sich mit Professor Beda Stadler: Die Weltwoche (31) beschreibt ihn als den "provokativsten Ketzer gegen jede Form von bio, alternativ und gentechfrei." In seinem Lebenslauf gibt es Hinweise auf Kontakte zu Monsanto, Pfizer und einen Hang zur Grünen Gentechnik (32). Stadler sitzt im Stiftungsrat von Gen Suisse (33). Finanziert wird die Stiftung von Pharmakonzernen wie Novartis, Roche und Merck Serono Außerdem gehört auch er zu den Unterzeichnern der Unterschriftenliste für Hochertragslandwirtschaft. Ferner ist er Autor des Buches "Gene an die Gabel - Das erste GVO-Kochbuch der Welt".

Zusammen genommen können diese scheinbar zufälligen Verbindungen zwischen Maxeiner, Miersch und den Experten die generell positive Einstellung gegenüber der Gentechnik und der Hochertragslandwirtschaft seitens der beiden Autoren erklären. Denn das ist der eigentliche Tenor dieses geschickt assoziativ und spekulativ geschriebenen Buches: Setzt auf die Gentechnik und treibt die Hochertragslandwirtschaft voran.

Ein vollständiges Quellenverzeichnis und weitere Informationen finden Sie unter: www.robinwood.de/magazin

Nick Meendermann absolviert ein Praktikum bei ROBIN WOOD und studiert Landschaftsnutzung und Naturschutz in Eberswalde


1 www.boelw.de/uploads/media/pdf/Dokumentation/Zahlen__Daten__Fakten/ZDF2008.pdf
2 Piper Verlag, 2008, 238 Seiten, 14 Euro, ISBN: 978-3-492-05100-2
3 http://orgprints.org/11368/01/niggli-2007argumentarium.pdf/
4 www.oekoinstitut.de/oekodoc/328/2007-011-de.pdf?PHPSESSID=ngo06u23ukv3t34n091ji8oba7
5 www.test.de/filestore/bioprodukte-oton.rtf?path=/16/41/d0c5180f-ce0f-43dc-b981-92b094b51d5f-
SkriptOton1.rtf&key=62C 21F761D93B2E1C7D22739FE4930758F3C55DA
6 www.test.de/themen/essen-trinken/test/-Vollmilch/1590601/1590601/1588202/
7 www.oekoinstitut.de/oekodoc/298/2005-024-de.pdf?PHPSESSID=qf18oq3fuen4kc22vtehif5sh1
8 www.bfr.bund.de/cd/7992
9 www.art.admin.ch/themen/00717/00719/00729/index.html?lang=de)%93
10 www.boelw.de/uploads/media/pdf/Dokumentation/Zahlen__Daten__Fakten/BOELW_Bilanz_PK_2008.pdf
11 www.boelw.de/uploads/media/pdf/Dokumentation/Zahlen__Daten__Fakten/BOELW_Zahlen-Daten_Fakten_2007.pdf
12 www.cgfi.org/about/alex
13 www.hudson.org/files/publications/2003_Annual%20Report.pdf
14 www.monsanto.de/Monsanto/uebermonsanto.php
15 www.arte.tv/de/wissen-entdeckung/Monsanto-mit-Gift-und-Genen/TV-ProgrammDebatte/1912680.html
www.spiegel.de/wirtschaft/0,1518,482238,00.html
www.greenpeace.de/themen/gentechnik/konzerne/artikel/monsantos_machtstrategien_unternehmensaufkaeufe
www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/gentechnik/greenpeace_monsantoreport.pdf
www.sueddeutsche.de/wirtschaft/artikel/761/178218 www.abl-ev.de/gentechnik/pdf/MonsantogegenBauernK.pdf
www.wissenschaft-online.de/artikel/604824 www.heise.de/tp/r4/artikel/2/2578/1.html
16 www.syngenta.com/de/about_syngenta/
17 www.dowagro.com/de/das/
18 www2.dupont.com/Our_Company/en_US
19 www.pfizer.com/home www.merck.com/about
20 www.lobbywatch.org/profile1.asp?PrId=14
21 www.highyieldconservation.org/signers.php
22 www.tvrgroup.de
23 www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/buecher_ueber_den_mythos_biokost
24 www.maxeiner-miersch.de/steckbrief_maxeiner.htm
25 www.neurop.ruhr-uni-bochum.de/~porr/hoechst/hoechst.html
26 www.sanofi-aventis.de/live/de/de/layout.jsp?scat=E4BD1E0E-5B2D-4B04-A45F-E369A4BCF296
www.sanofi-aventis.de/live/de/de/layout.jsp?scat=471A84AC-C8D6-481F-9F53-11BB8039A9DC
27 www.zeit.de/1998/31/Falsche_Fakten www.greenpeace-magazin.de/index.php?id=4437
www.bund.net/fileadmin/bundnet/pdfs/publikationen/bund_magzin/2008/bundmagazin_03_2008_titelthema.pdf
("Nicht verunsichern lassen!")
http://vorort.bund.net/suedlicher-oberrhein/maxeiner-miersch-akw-gen-lobby.html/
(Axel Mayer vom BUND Regionalverband Südlicher Oberrhein)
28 www.eugt.org/Beirat.html
29 www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/1996/0210/0023/index.html
www.g-o.de/dossier-detail-110-8.html www.taz.de/index.php?id=archivseite&dig=2004/08/06/a0172
www.toxcenter.de/klin- tox/recht/ffm-holzschutz-prozess.pdf www.ariplex.com/ama/amagut04.htm
30 www.gdch.de/fowi/archiv/bua/mitgl.htm
31 www.weltwoche.ch/ausgaben/2005-23/artikel-2005-23-eines-hilft-bestimmt-recht-haben.html
32 www.immunology.unibe.ch/personal/beda_stadler/cv%20beda%20stadler%202008.pdf
33 www.gensuisse.ch/gensuisse/members.html#par2
34 www.gensuisse.ch/gensuisse/index.html Stand: 11. Februar 2009


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Quelle:
ROBIN WOOD-Magazin Nr. 100/1.09, S. 38-39
Zeitschrift für Umweltschutz und Ökologie
Quellenverzeichnis aus: www.robinwood.de/magazin
Verlag: ROBIN WOOD-Magazin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2009