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CHEMIE/300: Endokrine Disruptoren - EU-Kommission sägt am Gesundheitsschutz (DNR EU)


Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzverbände e.V.
EU-Koordination

EU-News - Donnerstag, 19. Juni 2014 / Chemie & Nanotechnologie

Endokrine Disruptoren: EU-Kommission sägt am Gesundheitsschutz



Wann gelten chemische Substanzen als hormonell wirksam und wann greifen entsprechende Verbote für diese Stoffe? Seit einem halben Jahr bleibt die EU-Kommission Antworten auf diese Fragen schuldig. Am Dienstag hat sie immerhin einen Fahrplan veröffentlicht, der zu Kriterien für die Definition und Einordnung sogenannter endokriner Disruptoren (EDC) führen soll.

Die europäische Pestizidverordnung von 2009 und die in 2012 in Kraft getretene EU-Biozidverordnung hatten die Kommission verpflichtet bis Dezember 2013 einen entsprechenden Kriterienkatalog vorzulegen. Das geschah allerdings nicht. Umwelt- und Gesundheitsorganisationen aber auch einige Mitgliedstaaten hatten das Versäumnis der EU-Kommission immer wieder kritisiert. Zuletzt hatte Schweden sogar Klage gegen die Kommission eingereicht (EU-Umweltnews vom 28. Mai 2014)[1]. Mit der Anfang der Woche veröffentlichten Roadmap möchte sich die Kommission nun etwas Luft verschaffen, Kriterien zur Definition von EDC kann sie aber immer noch nicht vorlegen. Stattdessen kündigte sie einen weiteren Konsultationsprozess sowie eine Folgenabschätzung an und stellte auch die derzeit geltenden Schutzmechanismen auf den Prüfstand.

Biozid- und Pestizidverordnung der EU schreiben einen strengen, gefahrenbasierten Ansatz zum Schutz der VerbraucherInnen vor EDC vor. Diesen will die Kommission abschwächen und durch einen risikobasierten Ansatz ersetzen. Während der gefahrenbasierte Ansatz gesundheitsgefährdende Pestizide komplett verbietet, legt der risikobasierte Ansatz Grenzwerte für Konzentrationsmengen fest, in denen gesundheitsschädliche Substanzen für den Menschen tolerierbar sind.

Bei IndustrievertreterInnen stieße die Roadmap der EU-Kommission auf Zustimmung, Umweltverbände hingegen reagierten empört. Die Chemikalienexpertin der Umwelt- und Gesundheits-NGO HEAL Lisette van Vliet bemängelte, dass die Roadmap in keiner Weise auf die ökologischen und gesundheitlichen Vorteile einer strengeren Gesetzgebung einginge.

Im Auftrag von HEAL haben WissenschaftlerInnen zahlreiche Krankheiten und Gesundheitsprobleme wie Fortpflanzungsstörungen, Unfruchtbarkeit, Burst-, Prostata- und Hodenkrebs, Autismus und Aufmerksamkeitsdefizite sowie Fettleibigkeit und Diabetes als "endokrin bezogen" identifiziert. Ein wirksamer Schutz vor EDC könnte diesen Krankheiten vorbeugen und in der Folge auch die Gesundheitsausgaben in der EU um bis zu 31 Milliarden Euro reduzieren. [dh]


HEAL-Bericht (PDF)
http://www.env-health.org/IMG/pdf/140618_german_press_release_final-2.pdf

EU-Roadmap EDC (engl., PDF)
http://ec.europa.eu/smart-regulation/impact/planned_ia/docs/2014_env_009_endocrine_disruptors_en.pdf

[1] http://www.eu-koordination.de/umweltnews/news/chemie/2687-endokrine-disruptoren-schweden-klagt-gegen-eu-kommission

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Quelle:
EU-News, 19.06.2014
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juni 2014